Donnerstag, Oktober 10
Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


100-Jahre-Jubiläum

Wenn man an die Zürcher «Kronenhalle» denkt, fallen einem teure Gemälde, eine lange Geschichte und viel Prominenz ein. Doch sie serviert auch Gerichte, die man vielerorts nicht mehr bekommt. Zehn Klassiker, die man einmal probiert haben sollte.

Viele Gäste bewundern die «Kronenhalle» ihres historischen Charmes wegen. Wie in einem Museum speise man, schrieben schon Generationen von Autoren aus Anlass der immer wieder notwendigen und angebrachten Würdigungen. Nun feiert die Gastroinstitution ihr 100-Jahre-Jubiläum und ist gefragter denn je zuvor.

Auch deshalb, weil die Speisekarte so manches Gericht aufführt, das anderswo schon längst ad acta gelegt wurde. Zum Glück, denn bei genauerem Hinsehen haben die früher beliebten, heute fast vergessenen Delikatessen ja oft kulinarische Berechtigung. Voraussetzung ist natürlich, dass sie gekonnt zubereitet werden. Den Ehrgeiz, selbiges zu tun, hat die «Kronenhalle» noch immer.

1. Die Tomatencrèmesuppe

Tomaten in der Küche sind zwar heute eine Selbstverständlichkeit, waren aber noch für unsere Urgrosseltern etwas Ausgefallenes. Erst um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verbreiteten sie sich im deutschsprachigen Raum. Kein Wunder, dass damals Speisen mit Tomaten hoch im Kurs standen. Heute mag eine Tomatensuppe mit Rahm profan erscheinen, aber das ist sie nicht, sofern sich Frucht und Säure die Waage halten.

2. Der Balleronsalat

Wurst als Salat ist eher etwas für einfache Beizen, aber man sollte nicht vergessen, dass das Zusammenspiel aus saftigen, akkurat geschnittenen (im Falle der «Kronenhalle» traditionell auch gefalteten) Wurstscheiben, Schärfe (Senf, Zwiebeln) und Säure auf- und anregend für die Geschmackspapillen sein kann. Am besten ein Glas Champagner dazubestellen.

3. Der Räucherlachs

Wer wagt heute noch, geräucherten Lachs zu servieren? Kaum jemand. Vor ein paar Jahrzehnten hatte sich der Klassiker allerdings noch auf den Menus vieler Drei-Sterne-Restaurants gefunden, bevor er in der Versenkung der aussortierten Speisen verschwand. Ein gekonnt geräucherter Lachs, in der «Kronenhalle» gern mit Blini und Kaviar serviert, kann aber immer noch eine sehr befriedigende Vorspeise darstellen.

4. Die Terrine de Foie gras

Political Correctness beim Essen ist ein Thema geworden – und die aus der Stopfleber zubereitete Terrine gehört zu den Speisen, auf die mehr und mehr verzichtet wird. Aus guten Gründen! Dass die «Kronenhalle» allerdings noch eine serviert, kaum anders gemacht als vor vielen Jahren, bleibt respektabel.

5. Die Kalbszunge mit Morchelsauce

Zu den zartesten Stücken vom Tier gehört die Zunge – was die älteren Gourmets zwar wissen, vielen jüngeren Essern aber einerlei ist. Zungen gehören nicht zu den beliebtesten Speisen, obwohl sie, richtig zubereitet, oft mehr Geschmackstiefe zu bieten haben als ein Kalbssteak. Wenn auch noch Morcheln mit im Spiel sind, ist das kulinarische Paradies nah.

6. Der Bollito misto

Der italienische Klassiker hat auch in Zürich Tradition – jedenfalls dort, wo man genau weiss, wie sich die verschiedenen Fleischsorten so zusammenfügen, dass ein abwechslungsreiches Gericht entsteht. Der Küchenchef Peter Schärer, seit Ewigkeiten in Amt und Würden, weiss das.

7. Das Schnitzel

Über die richtige Zubereitung von Wiener Schnitzeln kann man diskutieren und sich echauffieren. Manche schwören auf die Zubereitung am Tisch und haben gegen Nudeln als Beilage nichts einzuwenden, andere halten eine soufflierte Kruste, wie in der «Kronenhalle», für unabdingbar. Übrigens: Man spricht in diesem Falle korrekterweise nicht von Panade, sondern von Panier.

8. Das Robespierre

Wer das dünne, kurz gegarte Rindfleisch erfunden hat, weiss keiner, aber dass es in einem Lokal in New Orleans erstmals nach der Persönlichkeit der Französischen Revolution benannt wurde, steht nach allen vorliegenden Ergebnissen der kulinarischen Wissenschaft fest. Im Jahre 1940 hatte es im Restaurant Antoine den Ehrenplatz des teuersten Hauptgangs. Heute scheint es dort nicht mehr en vogue zu sein. In Zürich indes ist es noch zu haben.

9. Das Soufflé glacé au Grand Marnier

Vor zwei Jahren habe ich die Likörmanufaktur Grand Marnier besucht und die Herstellung der französischen Spirituosenlegende von der Anlieferung der Orangenschalen bis zur Abfüllung nachvollziehen können. Dass ein Dessertklassiker wie das geeiste, mit diesem berühmten Cognac-Zitrus-Likör gewürzte Soufflé je aus der Mode kommen konnte, wirkte danach umso unverständlicher.

10. Die Mousse au Chocolat nach Art von Hulda

Eine richtige Mousse au Chocolat wird von vielen Patissiers ungern zubereitet, denn sie ist kaum attraktiv anzurichten, bietet wenig Möglichkeiten zur Kreativität und ist ausserdem fragil. Der «Kronenhalle» verderben all die Hindernisse nicht die Freude am süssen, auch von der Ex-Wirtin Hulda Zumsteg geschätzten Klassiker. Natürlich serviert wie in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts, mit etwas Crème de la Gruyère und ohne überflüssige Dekorationen.

Exit mobile version