Donnerstag, März 20

Peter Lauener, ehemals rechte Hand von Bundesrat Alain Berset, profitiert vom Quellenschutz für Marc Walder vom Verlagshaus Ringier. Ein Berner Gericht gibt die belastenden E-Mails nicht frei – die NZZ kennt deren Wortlaut.

Das Berner Zwangsmassnahmengericht hat entschieden, dass die Bundesanwaltschaft den E-Mail-Verkehr zwischen Peter Lauener und Marc Walder nicht auswerten darf. Lauener war viele Jahre Kommunikationschef von alt-Bundesrat Alain Berset, Walder ist der oberste Chef des Zürcher Medienhauses Ringier.

In der heissen Phase der Corona-Pandemie tauschten sich die Beiden intensiv per E-Mail aus. Diesen E-Mail-Verkehr möchte die Bundesanwaltschaft gerne auswerten. Sie führt gegen Lauener ein Strafverfahren wegen Verdachts der Amtsgeheimnisverletzung. Dem Ansinnen der Bundesanwaltschaft hat das Berner Gericht nun einen Riegel geschoben. Darüber hat der «Tages-Anzeiger» am Freitag als Erster berichtet.

Der Gerichtsentscheid, der öffentlich nicht zugänglich ist, enthält aber weiteren Sprengstoff. Laut Einschätzung des zuständigen Richters liegen «erhebliche und konkrete Hinweise dafür vor, dass Lauener das Amtsgeheimnis verletzt haben könnte». An anderer Stelle wird er noch deutlicher und zitiert aus drei E-Mails, die Bersets Vertrauensmann Ende 2020 an Ringier-CEO Walder verschickt hat.

«Überschiessende Daten»

Der umfangreiche E-Mail-Verkehr zwischen Lauener und Berset, über deren Herausgabe das Berner Gericht entscheiden musste, umfasst die Periode von März 2020 bis Mai 2022. Als ausserordentlicher Staatsanwalt des Bundes verlangte Peter Marti ursprünglich die E-Mails innerhalb eines deutlich kleineren Zeitrahmens, der nur etwa zwei Wochen umfasste.

Doch sowohl die Swisscom (für Laueners private E-Mails) wie auch das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (für den Geschäfts-Account) lieferten dem Sonderermittler sogenannt «überschiessende Daten», die er gar nie bestellt hatte. Diesen Beifang meldete Marti zwar seiner Auftraggeberin, der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA), nicht aber Lauener beziehungsweise dessen Anwalt. Dadurch wurde dem langjährigen Berset-Mitarbeiter verunmöglicht, die Siegelung seiner E-Mails zu beantragen.

Lauener erfuhr erst im Rahmen einer Hausdurchsuchung an seinem Wohnort von den E-Mails. Zwar beantragte er bei dieser Gelegenheit die sofortige Siegelung des E-Mail-Verkehrs, doch bis dahin hatte sich der Sonderermittler Marti den Datensatz bereits angeschaut.

Im Verfahren am Berner Zwangsmassnahmengericht, das ziemlich genau zwei Jahre dauerte, musste der zuständige Richter darüber befinden, ob die E-Mails wieder entsiegelt werden dürfen.

Während heisser Corona-Phase

Der Entscheid datiert vom 31. Mai 2024 und umfasst 99 Seiten. Die schriftliche Begründung enthält zahlreiche Informationen, die bisher nicht bekannt waren. Sie gibt Einblick in den regen Austausch von Marc Walder und Peter Lauener in einer der heissesten Phasen der Corona-Pandemie im Spätherbst 2020, als die Freigabe von neu entwickelten Impfstoffen zur Debatte stand.

Der Richter des Berner Zwangsmassnahmengerichts hat im Wulst des E-Mail-Verkehrs verschiedene Triagen vorgenommen. Zuletzt blieben drei E-Mails übrig, die aus seiner Sicht den Verdacht nahelegen, dass Peter Lauener eine Amtsgeheimnisverletzung begangen haben könnte.

Das markanteste dieser drei E-Mails datiert vom 10. November 2020. Der Inhalt des E-Mails wird in der Randziffer 181 des schriftlichen Entscheids zitiert.

«Vertraulich einige Infos»

«Guten Morgen Herr Walder», heisst es einleitend – trotz dem regen Austausch blieben die Beiden also beim förmlichen Sie. Dann fährt Lauener fort: «Vertraulich einige Infos: Die Gelder für den Impfstoff sollten wir wohl erhalten. Wir unterzeichnen nächstens einen Vertrag mit Pfizer, die den angeblich sehr wirksamen Impfstoff entwickelt haben.»

Abschliessend schreibt Lauener, dass diese Bestellung zu zwei anderen, bereits reservierten Impfstoffen dazukomme.

Die Medien und die Öffentlichkeit informierte der damalige Bundesrat Berset erst mehr als zwei Wochen später, am 26. November 2020. An diesem Tag gab der Gesundheitsminister an einer Medienkonferenz bekannt, die Schweiz habe Verträge mit Astrazeneca und Moderna abgeschlossen und bei Pfizer Impfstoffe verbindlich reserviert.

Der «Blick», das reichweitenstärkste Medium aus dem Hause Ringier, hat nicht vorab über die Impfstrategie des Bundesrats berichtet. Trotzdem steht für das Berner Gericht fest: «Die Informationen dürften zum damaligen Zeitpunkt geheim gewesen sein». Darauf weise alleine schon der Umstand hin, dass Lauener in den drei vom Richter aussortierten E-Mails jeweils vorab warnt, es handle sich um vertrauliche Informationen.

Jedenfalls könne nicht ausgeschlossen werden, dass allenfalls «geheimnisgeschützte Informationen» an Walder gelangt sein könnten, heisst es im schriftlichen Gerichtsentscheid. In Randziffer 186 fasst der Richter seine Überlegungen schliesslich wie folgt zusammen: Gestützt auf die drei E-Mails lägen erhebliche und konkrete Hinweise dafür vor, dass Lauener das Amtsgeheimnis verletzt haben könnte. «Das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts ist zu bejahen.»

Vorab über Bundesratssitzungen informiert

An anderer Stelle weist das Gericht auf zwei weitere Beobachtungen hin, die sich aus dem E-Mail-Verkehr zwischen Lauener und Walder ergeben. Zum einen wurde Walder stets auf dem Laufenden gehalten, was an den bevorstehenden Bundesratssitzungen diskutiert werden sollte. Zum anderen wurden dem CEO von Ringier die Medienmitteilungen regelmässig vorab verschickt, also bevor alle anderen Medienschaffenden damit bedient wurden.

Dass das Strafverfahren gegen Peter Lauener trotz all diesen belastenden Indizien vermutlich eingestellt wird, hat zwei Gründe: es ist nicht das Berner Zwangsmassnahmengericht, das die Ermittlungen gegen Bersets Vertrauensmann führt, sondern die Bundesanwaltschaft.

Quellenschutz schützt Lauener

Und ebendiese Bundesanwaltschaft darf die inkriminierten E-Mails nicht verwerten. Dem steht der Quellenschutz beziehungsweise das Redaktionsgeheimnis gegenüber, wie im schriftlichen Entscheid ausgeführt wird.

Zwar sei Marc Walder als CEO von Ringier nicht direkt journalistisch tätig. Weil er aber zumindest mittelbar an der Veröffentlichung von Informationen beteiligt sei, könne sich Walder auf den Quellenschutz für Medienschaffende berufen. Dieser ist sowohl im Strafgesetzbuch (Art. 28 a StGB) wie in der Strafprozessordnung (Art. 172 StPO) verankert.

«Damit unterliegt die Korrespondenz dem Beschlagnahmeverbot, das einer Entsiegelung entgegensteht», heisst es abschliessend in förmlichem Juristen-Deutsch.

Lauener profitiert also davon, dass er die allfällige Amtsgeheimnisverletzung gegenüber einem Journalisten begangen hat. Im Fachjargon nennt sich das Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten.

Für die unterliegende Bundesanwaltschaft bedeutet dies, dass sie das hängige Strafverfahren gegen Peter Lauener wohl einstellen muss, weil sie keinen Zugriff auf die wichtigsten Beweismittel in Form seines E-Mail-Verkehrs hat.

Der Entscheid ist allerdings nicht rechtskräftig, er kann am Bundesgericht angefochten werden. Darüber will die Bundesanwaltschaft erst nach Ablauf der Beschwerdefrist von 30 Tagen kommunizieren.

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