Ein Zusammenschluss zwischen den beiden Schweizer Privatbanken wäre strategisch sinnvoll – und bei passenden Parametern wohl für die Aktionäre beider Seiten wertsteigernd. Doch es gibt auch Hürden.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Am Freitagabend nach Börsenschluss brachte Bloomberg das Thema wieder auf: Die beiden Schweizer Privatbanken EFG und Julius Bär sollen den Zusammenschluss planen. Das hat die Nachrichtenagentur von anonymen mit der Angelegenheit vertrauten Personen erfahren.
Reuters wiederum will in Erfahrung gebracht haben, dass solche Gespräche tatsächlich stattgefunden haben. Dies zu der Zeit, als sich Julius Bär im Nachgang zum Signa-Debakel von ihrem CEO Philipp Rickenbacher getrennt und die Suche nach einer Nachfolge eingeleitet hat.
Ob die Berichte stimmen, kann ich nicht abschliessend beurteilen. Meine Quellen, die auf der einen oder anderen Seite enge Beziehungen zu den beiden Banken pflegen, sind nicht über solche Gespräche informiert. Das lässt zumindest den Schluss zu, dass sie nicht weit fortgeschritten – oder eben bereits wieder beendet sind.
EFG-Aktien legen zu
An der Börse wirken die Gerüchte allerdings: Die Aktien von EFG avancieren heute Montagmorgen in der Spitze um fast 5%; die Titel von Julius Bär verlieren gut 1%. Genau so, wie das bei Übernahmen oft der Fall ist: Die Aktien der Zielgesellschaft steigen, weil auf eine Übernahmeprämie spekuliert wird, die Titel des Käufers geben nach, weil befürchtet wird, er zahle zu viel.
Die Börsenreaktion zeigt aber mehr als das: Einerseits misst sie dem Zusammenschluss eine gewisse Wahrscheinlichkeit bei. Strategisch würde ein solcher Schritt nämlich sinnvoll sein. Andererseits gibt die Kursreaktion aber auch ein Indiz dafür, warum jetzt kaum der richtige Zeitpunkt für einen Deal ist:
Wenn ein Zusammenschluss tatsächlich wertvermehrend sein soll, müsste sich das auch in den Aktien von Bär zeigen. Sie ist mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 11 Mrd. Fr. dreimal so gross wie EFG und würde nach einem Zusammenschluss im Lead sein. Die Transaktion müsste also primär im Sinn der Bär-Aktionäre sein.
Die Börsenreaktion zeigt aber, dass das derzeit nicht der Fall ist. Die Aktien von Bär leiden unter den Gerüchten.
Als Grund dafür bietet sich das Signa-Debakel an, das den Kurs der Bären im vergangenen November einbrechen liess – und trotz einer gewissen Erholung weiter belastet. Kurz: Die Bär-Aktien sind als Transaktionswährung derzeit geschwächt, was gegen einen Zusammenschluss zum jetzigen Zeitpunkt spricht.
Gute Gründe für einen Deal
Es gibt allerdings sehr viele gute Gründe, weshalb ein Zusammenschluss der beiden Banken irgendwann Tatsache werden könnte.
Rund alle fünf Jahre bewegt das Thema denn auch die Börsen – noch öfter als die Manager der beiden Privatbanken, wie eine mit der Situation vertraute Quelle sagt.
Bekannt ist, dass EFG und Bär schon 2015 über einen Zusammenschluss gesprochen hatten, 2019 gab es Gerüchte dazu – und weitere fünf Jahre später ist das Thema nun erneut prominent in den Medien.
Auch die strategischen Argumente für eine Fusion sind weiterhin gegeben: Der Zusammenschluss würde Synergien bringen, weil beide Privatbanken sehr ähnlich ausgerichtet sind – auch wenn kulturell gewisse Unterschiede bestehen.
Kommt dazu, dass EFG mit ihrer Temenos-Plattform bereits eine moderne IT-Infrastruktur betreibt. Eine solche fehlt den Bären in der Schweiz, wo sie weiterhin auf ihren alten «Host»-Lösungen arbeiten. Erst in Luxemburg – dies für den europäischen Markt – und in Asien hat Bär auf die Temenos-Plattform umgestellt. In der Schweiz wird die Modernisierung der IT hingegen noch hohe Kosten verursachen – ausser man löst das durch eine Verbindung mit EFG.
Dominanz der Latsis unerwünscht
Frühere Evaluationen für einen Zusammenschluss sind mitunter am Aktionariat von EFG gescheitert, konkret an der Familie Latsis.
Die griechische Reederei-Familie kontrolliert 45% der Schweizer Privatbank und würde bei einem Zusammenschluss zur grössten Einzelaktionärin einer kombinierten Einheit.
Gemäss Aussagen von mehreren mit den Verhältnissen vertrauten Personen ist das bei Bär in dieser Form nicht erwünscht. Offen und nicht bekannt ist, ob und allenfalls wann, die Familie Latsis dennoch den Weg für einen Zusammenschluss freimachen könnte.
CEO-Frage derzeit im Zentrum
Was das Thema eines Zusammenschlusses derzeit befeuert, ist die CEO-Suche von Bär. Mit Nic Dreckmann hat das Institut derzeit lediglich eine Interimslösung und sucht nach einem externen Kandidaten, der die Bank langfristig führt.
Mit Giorgio Pradelli verfügt EFG diesbezüglich über einen sehr erfahrenen und in den letzten Jahren äusserst erfolgreichen Konzernchef. Sein Leistungsausweis wird auch bei Bär hoch geschätzt, wie aus der Bank zu erfahren ist. Für Pradelli selbst wäre ein Wechsel zur grösseren Konkurrentin jedenfalls ein reizvoller Karriereschritt.
Ob es bei einem allfälligen solchen Personalentscheid auch gleichzeitig zu einem Zusammenschluss der beiden Banken kommen muss, ist aber unwahrscheinlich – zu jedem späteren Zeitpunkt hingegen durchaus möglich.
Wieder Fantasie im Kurs
Das Fusionsthema und die derzeit zumindest bei EFG positive Börsenreaktion darauf rufen in Erinnerung, dass ein Zusammenschluss von EFG und Julius Bär strategisch sinnvoll sowie bei passenden Parametern für die Aktionäre beider Banken auch wertsteigernd wäre – und damit irgendwann Realität werden könnte.
Insofern ist die heutige Avance der EFG-Titel gerechtfertigt, unabhängig davon, ob eine Transaktion unmittelbar bevorsteht. Das Kursplus spiegelt, dass ein Deal irgendwann möglich ist.
Bei Bär dürfte dieser Fusionsgedanke dann wieder einen positiven Einfluss auf den Kurs haben, wenn die Bank, nachdem sie das Benko-Debakel verdaut hat, erneut aus einer Position der Stärke agieren kann.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market,
Ruedi Keller