Nach dem Scheitern der Verhandlungen über eine Feuerpause ist die Hamas offenbar entschlossen, im Ramadan weiterzukämpfen. Doch die Terrorgruppe ist immer mehr isoliert. Inzwischen drohen ihr sogar ihre engsten Verbündeten von der Stange zu gehen.
Am Sonntagabend war klar: Mit der Waffenruhe zu Beginn des Ramadan würde es in Gaza nichts werden. Bis zuletzt hatten die Amerikaner versucht, für die Dauer des muslimischen Fastenmonats eine Feuerpause zwischen Israel und der Hamas zu erwirken. So drängte der CIA-Chef William Burns am Schluss noch auf eine Art Mini-Abkommen, welches wenigstens zur Freilassung von 35 bis 40 israelischen Geiseln und zu einer sechswöchigen Kampfpause hätte führen sollen.
Doch auch das war umsonst. Denn weder die Hamas noch Israels Regierung sind bereit, weiter aufeinander zuzugehen. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte zuletzt nicht einmal mehr eine Delegation zu den Verhandlungen nach Kairo geschickt. Quellen aus dem Umfeld der Gespräche bestätigen, dass die beiden Kriegsparteien derzeit nicht bereit seien, sich einander anzunähern.
Die Hamas will auch im Ramadan weiterkämpfen
Es machen derzeit verschiedene Gerüchte und Anschuldigungen die Runde. Vor allem der Hamas wird vorgeworfen, zu wenig Flexibilität zu zeigen. Vertreter der amerikanischen Regierung betonten, der Ball liege zurzeit im Feld der Palästinenser. Israel hatte der Hamas eine sechswöchige Feuerpause sowie einen Gefangenenaustausch angeboten. Das war den Islamisten aber offenbar zu wenig.
Zwar betonen Hamas-Vertreter unentwegt, sie seien flexibel, und schieben die Schuld für die fehlenden Fortschritte auf die Israeli. Gleichzeitig scheinen sie aber nicht von ihrer Kernforderung abweichen zu wollen. So verlangt die Hamas, eine Feuerpause müsse mit einem Rückzug von Israels Armee aus Gaza verbunden sein. Sie dürfe nicht nur zu einer begrenzten Einstellung der Kämpfe, sondern solle auch zu deren Ende führen. Das wiederum kommt für Israel nicht infrage.
Nun scheint die Hamas bereit, während des Ramadan weiterzukämpfen. Ihr Gaza-Chef Yahya Sinwar erhofft sich davon einen Vorteil. Jüngst riefen die Hamas-Führer die Palästinenser in Israel und im Westjordanland wiederholt dazu auf, während des Ramadan in Jerusalem für Unruhe zu sorgen. Vermutlich wollen sie so den Druck auf Israel erhöhen, welches immer mehr Probleme mit seinem wichtigsten Verbündeten, den USA, bekommen hat.
In Gaza haben viele die Nase voll
Ob es zu der erhofften Erhebung kommt, ist jedoch fraglich. Stattdessen droht sich die Hamas einmal mehr zu verkalkulieren. Trotz wiederkehrenden Appellen, ihr zu Hilfe zu kommen, steht die Terrorgruppe weitgehend alleine da. In der arabischen Welt hat niemand Lust, für die belagerten Palästinenser ins Feld zu ziehen. Den Islamisten droht in Gaza die endgültige Niederlage, sollte Israel weiter nach Süden vorrücken und auch noch Rafah einnehmen.
Viele Palästinenser haben die Nase voll von der Hamas, der das eigene Überleben offenbar wichtiger ist als alles andere. Aus Gaza hört man hinter vorgehaltener Hand immer wieder scharfe Kritik. Und auch ihre letzten Verbündeten scheinen die Geduld zu verlieren. So schrieb das «Wall Street Journal» letzte Woche, die Regierung Katars – wo die Exilführung der Hamas Unterschlupf gefunden hat – erwäge, die Palästinenser rauszuschmeissen, sollten sie es nicht schaffen, eine Waffenruhe auszuhandeln.
Zwar lassen sich derartige Berichte bis jetzt nicht bestätigen. Dennoch zeigen sie, wie sehr der Druck auf die Hamas zunimmt. Entsprechend gibt es vermehrt Risse innerhalb der islamistischen Bewegung – auch wenn ihre Führer nach aussen hin Einigkeit beschwören. Dass der Gaza-Chef Sinwar und die Exil-Bosse Ismail Haniya und Khaled Meshal nicht die besten Freunde sind, war bereits vor dem Terroranschlag des 7. Oktober kein Geheimnis.
Der Hizbullah hat angeblich genug vom Krieg
Gleichzeitig droht der Hamas auch noch die letzte Unterstützerfront wegzubrechen. Von den umliegenden Staaten aus kämpft nur die libanesische Hizbullah-Miliz gegen Israel. Aber dieser Waffengang läuft nicht ideal für die von Iran unterstützte Miliz. Seit Wochen zerstören die Israeli Hizbullah-Positionen in Südlibanon und töten ihre Kader, ohne dass dieser etwas dagegen ausrichten kann. Inzwischen hört man in Beirut, der Hizbullah wolle den Krieg so rasch wie möglich beenden.
Bisher betonte der Hizbullah-Chef Hassan Nasrallah stets, seine Truppe werde die Kämpfe nur dann einstellen, wenn auch der Krieg in Gaza aufhöre. Möglicherweise hat sich das nun aber geändert. So verkündete Libanons vom Hizbullah abhängiger Ministerpräsident Najib Mikati kürzlich, seine Regierung strebe an, den Krieg während des Ramadan zu beenden. Gleichzeitig nahmen die Kämpfe an der gemeinsamen Grenze am Wochenende allerdings weiter an Intensität zu.
In Gaza wollen die Amerikaner derweil ihre Hilfe hochfahren. Bis der von Joe Biden angekündigte künstliche Hafen in Gaza fertig ist, wird es noch dauern. Trotzdem wartet das erste private Hilfsschiff bereits darauf, von Zypern in Richtung Gaza in See zu stechen. Sollte die Mission erfolgreich verlaufen, werden wohl weitere Schiffe folgen. Für die Bevölkerung in der durch fünf Monate Krieg weitgehend zerstörten Enklave ist das wenigstens eine gute Nachricht zu Beginn des Ramadan.

