Montag, November 25

Womit machen Sie Ihren Liebsten an Weihnachten eine Freude? Unsere Autorin denkt über «momentane» Geschenke nach – in einer Zeit, in der alle schon alles haben.

«Alle Jahre wieder kommt das Christuskind», und alle Jahre wieder beschenken wir uns zu diesem Fest. Schon im ersten Vers dieses Weihnachtsliedes liegt auf den ersten Blick ein Widerspruch: der von der Zeitenwende, welche die Menschwerdung des Erlösers bedeutet als Anbruch von etwas unvorstellbar Neuem, und der von der Routine, die das jährliche Eingedenken begründet hat.

Da die meisten mit diesem Geschehen, das mit Mariä Empfängnis beginnt und mit der Geburt des Kindes seinen Lauf nimmt, nichts anzufangen wissen (so sie es überhaupt noch wissen), ist die blinde Routine geblieben. Die Zeitenwende, die alles geändert haben soll, verstehen wir nicht. Aber was geblieben ist, ist die von vielen als sinnentleert empfundene Routine, die alle Jahre wieder als Konsumschlacht hereinbricht.

Zeitenwenden können wir nicht herbeiführen, aber die Routine vielleicht durchbrechen, aus der Tretmühle aussteigen, um dann doch alles für einen Moment mit anderen Augen zu sehen. Vielleicht sollten wir es diesmal nicht mit Fernreisen an das Ende der Welt versuchen, sondern mit Geschenken, welche die Schönheit im Hier und Jetzt erschliessen: durch das Schenken von schönen Ereignissen, die Augen und Ohren öffnen für den Erfindungsreichtum, die Geduld, das Können der Leute in unserem unmittelbaren Umfeld, die Vielfalt unserer Städte?

Tanz- oder Yogastunden verschenken etwa, die uns wieder mit uns selbst vertraut machen?

Dankbarkeit und Freude wecken für das, was uns durch die Natur zufällt, zur Hand ist wie Streuobst, Nüsse, die man auflesen kann, und für die Menschen, die die Demut, Fähigkeit und Geduld haben, das Aufgelesene zu verarbeiten?

Also Selbstgemachtes verschenken, eingekochte Marmelade, Quittengelee? Gärten für andere kultivieren? Aber auch Essen in Restaurants, in die man nicht geht, um gesehen zu werden und sein Expertenwissen zu beweisen, sondern um von der Kunst der Köche überrascht zu werden, in der wir die Landschaft neu schmecken?

Kleine Fluchten verschenken, Radtouren, Schneetouren, Panoramafahrten nach der Pracht der Blätter, die sich färben, in das Glänzen des Schnees hier und jetzt? Jahreskarten fürs Museum verschenken, damit wir die Besuche nicht absolvieren, sondern langsam in den Sammlungen unserer Städte heimisch werden? Man muss nicht immer nur in die Uffizien, in den Louvre.

In einer Zeit der Dystopien und Apokalypsen, der erbarmungslosen Kriege und gegenwärtigen Gewalt das zu Herzen gehende Können einer Sängerin, eines Geigers, der Librettisten, Komponisten über die Routine hinaus zu schätzen, die Ingeniosität einer Regisseurin? Ein Opernabend mit Apéro und womöglich (das gibt es in immer mehr Theatern) mit Souper in der Pause?

Geschenke, die Bewunderung wecken

Momentanes schenken in einer Zeit, in der alle schon alles haben und die Lücken im Haben und Gehabten zu sehr Glücksache geworden sind, bringt vielleicht einen letzten, im Weltlichen noch nachvollziehbaren Rest dieses Fests zurück. Gefallen an der betörenden Vielfalt des menschlichen Könnens zu schenken, hat viele Möglichkeiten, beginnend mit der Ruhe des Lesens, einem Buch, in das man versinkt.

Geschenke, die uns nicht in Verzweiflung ob der überhandnehmenden Bosheit erstarren lassen, sondern Bewunderung für das andere, Nahe, das zur Hand Seiende, das Ingeniöse wecken? Was möglich geblieben ist im Fest der Feste, ist keine Zeitenwende mehr (so sehr KI uns das jetzt als neue Offenbarung weismachen will), aber vielleicht doch ein im Moment, in dem Fest, geglückter Blick im Hier und Jetzt. Denn was als graue Routine erscheint, liegt nicht am Jetzt, sondern am Andauern eines verunglückten Gestern, an dem der Schein der Erlösung abgeglitten ist.

Barbara Vinken ist Professorin für Allgemeine Literaturwissenschaft und Romanische Philologie an der LMU in München. Ein breites Publikum erreichte sie mit ihren Überlegungen zur deutschen Familienpolitik und zur Mode.

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