Donnerstag, Dezember 26

Jedes Jahr treffen sich am Salon de l’Agriculture die französischen Bauern mit der Pariser Politik. Am Samstag kam es zu tumultartigen Szenen. Wütende Bauern verhinderten den grossen Auftritt von Präsident Macron.

Frankreichs Bauern wollten Emmanuel Macron nicht an ihrer Landwirtschaftsmesse haben. Diese Botschaft haben sie dem Staatschef am Samstag in aller Deutlichkeit gesendet. Kurz nachdem Macron am Morgen am Salon de l’Agriculture in Paris eingetroffen war, stürmten wütende Bauern das Messegelände.

Sie buhten und schrien: «Dies ist unser Zuhause» – und forderten den Rücktritt von Macron. Fast fünf Stunden lang verhinderten sie die offizielle Eröffnung der wichtigsten Landwirtschaftsmesse des Landes. Zusätzliche Polizeikräfte wurden aufgeboten, um die Sicherheit Macrons und der wartenden Messebesucher zu gewährleisten. Kurzzeitig drohte die Lage zwischen den Bauern und den Ordnungskräften in den überfüllten Hallen zu eskalieren.

Der Salon de l’Agriculture ist traditionell ein Pflichttermin für Frankreichs Präsidenten und die Pariser Politelite. Sie treffen dort auf Landwirte aus dem ganzen Land, die ihre Produkte präsentieren. Die Lebensmittel und ihre Produzenten gehören in Frankreich zum Nationalstolz. Noch nie zuvor war ein Präsident von den Bauern aufgehalten worden, die Messe zu eröffnen.

Showdown mit Ankündigung

Dass es für Emmanuel Macron an der Agrarmesse ungemütlich werden würde, hatte sich abgezeichnet. Seit knapp zwei Monaten protestieren die Bauern im Land gegen sinkende Einnahmen, steigende Energiekosten und Steuern, Bürokratie und Umweltauflagen.

Auf dem Höhepunkt der Proteste blockierten die Landwirte Autobahnen in ganz Frankreich. Erst als die französische Regierung unter anderem 100 Millionen Soforthilfe zur Unterstützung der Landwirtschaft ankündigte, zogen die Traktoren ab. Die Gespräche der Regierung mit den mächtigen Bauerngewerkschaften gingen aber weiter.

Die Gewerkschaften erhöhten nun im Vorfeld der neuntägigen Agrarmesse den Druck auf die Regierung. Sie forderten zusätzliche Massnahmen und nahmen den Traktorenprotest vereinzelt wieder auf. Präsident Macron kündigte am letzten Donnerstag an, er wolle die Eröffnung des Salons für eine «grand débat» zu den Problemen der Landwirtschaft nutzen. Der Élysée-Palast plante, diverse Interessengruppen dazu einzuladen, darunter auch Umweltaktivisten des «Soulments de la Terre». Die Organisation war in der Vergangenheit durch gewaltsame Proteste aufgefallen, was dazu führte, dass Macrons Regierung einst ihre Auflösung forderte.

Das Vorhaben stiess den Chefs der grossen Bauernverbände FNSEA und der «Jungen Bauern» (JA) sauer auf. Sie empfanden die Einladung von Gruppierungen, die nicht direkt zum Landwirtschaftssektor gehörten, als Provokation. Der Präsident wolle die Verbände nur gegeneinander ausspielen, hiess es von den Gewerkschaften. Sie kündigten an, nicht an der Debatte teilzunehmen.

Zwar zog das Élysée die Einladung wieder zurück, der Schaden war aber angerichtet, und weniger als 24 Stunden nach der Ankündigung einer «grossen Debatte» war diese auch schon wieder Geschichte. Macron sagte die Veranstaltung am Freitagabend ab, kündigte aber an, sich mit den Bauernverbänden am Samstagmorgen vor der Eröffnung des Salons nochmals zu treffen.

Macron verteidigt sich wie ein Boxer im Ring

Der Präsident und die wichtigsten Bauernvertreter sassen beim Frühstück zusammen, als das Messegelände gestürmt wurde. Der Staatschef trat daraufhin vor die Presse und zeigte sich ob der «blinden Wut» schockiert. Der Politiker war entschlossen, die Bühne nicht zu räumen, und stellte sich stattdessen der Wut der Anwesenden. Kurzerhand wurde auf dem Messegelände eine Town-Hall-Debatte improvisiert. Umringt von Landwirten, kämpfte der Präsident während zweier Stunden darum, gehört zu werden, wirkte dabei jedoch eher wie ein Boxer im Ring, der versucht, in die Offensive zu kommen. Zunächst galt es für Macron jedoch, zuzuhören.

Wieder und wieder prangerten die umstehenden Bauern den unlauteren Wettbewerb aus dem Ausland an und monierten den Preiszerfall beispielsweise durch ukrainischen Weizen. «Ihr trefft euch ständig in Europa und sonst wo, redet viel, aber uns helft ihr nicht», regte sich ein Landwirt auf, der wie viele an der Messe ein T-Shirt mit folgender Aufschrift trug: «On veut nourrir, pas mourir» (Wir wollen ernähren, nicht sterben).

Auch die hohe Suizidrate unter den Bauern und die erdrückende Last an bürokratischem Aufwand wurden beklagt, ebenso die zunehmenden Dürren und der Wassermangel. Ein Landwirt warf Macron vor, keine Vision für die Landwirtschaft zu haben. Keine Massnahme, die seine Regierung vorschlage, habe auch eine langfristige Wirkung. «Und das, obwohl mir schon jetzt das Geld ausgeht», so der Bauer.

Irgendwann reichte dem Präsidenten die Schwarzmalerei. «Hört auf, ein so katastrophales Bild der französischen Landwirtschaft zu zeichnen. Das stimmt einfach nicht», enervierte sich Macron. Es gebe Bauern, denen es sehr schlecht gehe, und es gebe die, die sehr viel verdienten, so der Präsident.

Die Einkommen variieren unter den Bauern stark

Nettoeinkommen der französischen Landwirte nach Ausrichtung des Hofes im Jahr 2022, in Euro

Seine Regierung sei seit sieben Jahren darum bekümmert, dafür zu sorgen, dass Frankreich auch in Zukunft ein starkes Agrarland bleibe. Macron erklärte, man werde Gesetze erlassen, um dem Preiszerfall beispielsweise durch Mindestpreise Einhalt zu gebieten, unlauteren Wettbewerb zu bestrafen und Härtefälle zu unterstützen. «Wir werden gesetzlich festschreiben, dass die Landwirtschaft in Frankreich von höchstem nationalem Interesse ist», sagte Macron. Agrarsubventionen aus Brüssel würden ausserdem bald ohne Umwege in die Taschen der Bauern fliessen. Frankreich brauche die EU auch in der Landwirtschaft, betonte Macron.

Der Samstagnachmittag war schon angebrochen, als der Staatschef endlich das tun konnte, weshalb französische Politiker normalerweise an den Salon de l’Agriculture kommen: Er degustierte Käse, probierte Wurst und strich auch etwas aufgeregten Kühen zur Beruhigung über das Fell.

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