Bern organisiert im Handelskonflikt zwischen Washington und Peking ein Treffen in Genf – die Guten Dienste sind auch im eigenen Interesse.
Die Berner Diplomatie und ihre Guten Dienste litten in letzter Zeit unter einem Bedeutungsverlust. Bei den Atomgesprächen zwischen den USA und Iran vermittelt Oman und nicht die Schweiz. Dabei vertritt sie in Teheran seit Jahrzehnten auch die amerikanischen Interessen – und hat das Vertrauen Irans. Anderswo zeigt sich ein ähnliches Muster: Vermehrt vermitteln Akteure wie die Golfstaaten oder die Türkei, auch wenn es oft mehr um punktuelle Streitfragen als um die grundsätzliche Konfliktlösung geht. Als der amerikanische Aussenminister Marco Rubio und sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow im Februar zusammenkamen, reisten sie nicht nach Genf, sondern nach Riad.
Gewiss, die Schweiz ist nach wie vor gefragt. Im vergangenen Jahr übernahm sie neue Schutzmachtmandate, etwa für Mexiko in Ecuador und umgekehrt. Es ist richtig, sich weiterhin in Südamerika zu engagieren, auch wenn sich die Entwicklungshilfe der Deza zurückzieht. In Afrika sind ebenfalls neue Mandate hinzugekommen. Doch diese sind im Vergleich zum langjährigen Schutzmachtmandat für die USA in Iran eher «nice to have».
Lange tat sich Bern schwer, vom Radar der zweiten Trump-Administration erfasst zu werden. Vertreter der Schweiz mussten sich in Washington mit Kontakten auf niederer Stufe zufriedengeben. Doch die Formschwäche ist überwunden. Am Wochenende treffen sich in Genf der amerikanische Finanzminister Scott Bessent und der Handelsbeauftragte Jamieson Greer mit dem stellvertretenden chinesischen Ministerpräsidenten He Lifeng, um über den Handelskonflikt zu sprechen. Vermittelt hat das Treffen die Schweiz, die beiden Parteien anbot, die Gespräche zu organisieren.
Es wäre falsch, die Guten Dienste zu überhöhen. Ein Durchbruch ist beim Treffen kaum zu erwarten. Die Schweiz bringt keine eigenen Vorschläge ein. Die bewährte Rolle als Gastgeberin ist für sie dennoch ein Erfolg – mit dem internationalen Genf wird sie für ein Wochenende im Schaufenster der Weltpolitik stehen.
Productive exchange with US Treasury Secretary @SecScottBessent in Washington: We discussed key economic issues and opportunities for enhanced collaboration between our two countries. @ParmelinG pic.twitter.com/exV4oxpJrw
— Karin Keller-Sutter (@keller_sutter) April 24, 2025
Bern agierte geschickt. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter bot dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump im April am Telefon die Schweizer Unterstützung an. Aussenminister Ignazio Cassis tat dasselbe, als er unlängst seinen chinesischen Amtskollegen Wang Yi besuchte. Die Schweiz muss sich vermehrt auf höchster Ebene einbringen, wenn sie mit ihren Guten Diensten nicht in die Bedeutungslosigkeit abrutschen will. Das ist im Schweizer System mit seiner Machtteilung und dem rotierenden Bundespräsidium naturgemäss schwieriger als anderswo.
Gerade im Umgang mit der Administration Trump sind jedoch neue Wege gefragt. Diese schert sich nicht um diplomatische Gepflogenheiten. Trumps Sondergesandter Steve Witkoff, eine zentrale Figur der amerikanischen Aussenpolitik, ist ein früherer Immobilienunternehmer.
Trumps Aussen- und Handelspolitik mag in vielem den Schweizer Positionen widersprechen. Als kleines, aber wirtschaftlich starkes Land setzt sich die Schweiz für offene Märkte und eine regelbasierte internationale Ordnung ein. Doch diese ist nicht erst seit Trump unter Druck geraten. Mit einer geschickten Aussenpolitik bieten sich für Bern auch Opportunitäten. Der amerikanische Präsident will Deals abschliessen. Zum ersten Mal nutzt die Schweiz im Handelskonflikt zwischen den USA und China nun ihre Chance.
Das hat den willkommenen Nebeneffekt, dass es am Freitag in Genf zu einem Treffen zwischen Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Bundesrat Guy Parmelin mit Bessent und Greer kommt. Dieses knüpft an die bisherigen Bemühungen der Regierung an, die den USA erklärt hat, dass der Bund keine Industriezölle erhebt. Die hohen Zölle, die Trump für die Schweiz angekündigt, aber vorerst sistiert hat, müssen möglichst schnell weg.
Die Guten Dienste sind wie die Neutralität kein Selbstzweck, sondern ein Instrument der Schweizer Aussen- und Interessenpolitik. Sie sind nur nützlich, wenn sie klug eingesetzt werden. In diesem Fall ist das gelungen.