Freitag, Oktober 18

Das Ende des Hamas-Chefs Yahya Sinwar deutet darauf hin, dass sein Spielraum im Gazastreifen immer kleiner wurde. Doch den israelischen Streitkräften spielte vor allem der Zufall in die Hände.

Am Ende war es der Zufall, der dem Leben von Yahya Sinwar ein Ende setzte. Länger als ein Jahr hatte sich der ehemalige Gaza-Chef der Terrorgruppe Hamas, der erst vor zwei Monaten zum Chef der gesamten Organisation ernannt worden war, im Gazastreifen versteckt – immer auf der Flucht vor den Patrouillen und Bombardements der israelischen Streitkräfte (IDF).

Wie es Sinwar gelungen ist, sich unbemerkt in dem schmalen Küstenstreifen zu bewegen, ist nicht klar. Beobachter vermuten, er habe sich vor allem im weitverzweigten Tunnelsystem unter dem Gazastreifen aufgehalten – verschanzt hinter israelischen Geiseln. Doch in seinen letzten Stunden bewegte sich Sinwar zwischen den Trümmern des Gebiets, über das er zuletzt geherrscht hatte – lediglich begleitet von zwei Kämpfern und offenbar auf der Suche nach einem Unterschlupf.

Das israelische Militär und der Inlandsgeheimdienst Shin Bet gaben an, Sinwars Bewegungsfreiheit jüngst immer stärker eingeschränkt zu haben.

Verdächtige Personen in verlassenem Viertel

Was genau sich in Tal al-Sultan, einem verlassenen und völlig zerstörten Viertel nahe Rafah im Süden des Gazastreifens, in den Stunden vor Sinwars Tod abgespielt hat, ist noch nicht abschliessend geklärt. Fest steht: In dem Gebiet fiel Soldaten der israelischen Armee am Mittwochmorgen eine verdächtige Person auf. So zitierte zumindest die «Times of Israel» eine nicht näher genannte Quelle, die mit den Vorgängen offenbar vertraut ist.

Daraufhin bewegten sich die Soldaten in die Richtung des Hauses, in dem die verdächtige Person verschwunden war. Die Soldaten vermuteten, dass sich dort Terroristen befänden.

Mithilfe von Panzern, Infanterie und Drohnen identifizierten sie dann im Laufe des Tages angeblich drei Personen in dem Gebiet. Sie bewegten sich von Ruine zu Ruine, zwei Personen hätten dabei, so schien es den Soldaten, der dritten Person den Weg geebnet. Als die Soldaten schliesslich auf die drei verdächtigen Personen schossen, teilte sich die kleine Gruppe auf: Zwei betraten das eine Gebäude, die dritte ein anderes. Diese dritte Person stieg darauf in den ersten Stock der Ruine.

Verletzt und verlassen im ersten Stock

Ein von den IDF veröffentlichtes Video, aufgenommen von einer Drohne, zeigt ein verwüstetes Wohnzimmer im ersten Stock dieses Gebäudes, in dem sich die dritte Person aufhält. Auf einem Sessel im hinteren Teil des Raumes erholt sich ein Mann mit von einer Kufiya verhülltem Gesicht. Er bewegt sich kaum und ist offensichtlich verwundet. Gemäss dem israelischen Militärsprecher Daniel Hagari, der sich am Freitag zu dem Hergang äusserte, war der Verdächtige durch die Schüsse an der Hand verletzt worden. Kurz nachdem der Verdächtige die Drohne im Raum bemerkt hat, wirft er mit einem Stock nach ihr. Die Drohne dreht ab.

Daraufhin feuerten die IDF laut eigenen Angaben eine Granate auf das Haus. Das Gebäude stürzte ein. Am nächsten Morgen kehrten die Soldaten an den Ort zurück. Als sie den Getöteten entdeckten, bemerkten sie, dass seine Leiche Ähnlichkeit mit Yahya Sinwar hatte. Um zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um Sinwar handelte, liessen die IDF die DNA untersuchen.

Granaten und Geld in der Tasche

Dafür wurde der Leiche laut israelischen Medien ein Finger abgeschnitten. Fotos im Netz zeigen, dass dem Getöteten ein Finger fehlt. Zudem hat der Leichnam eine klaffende Wunde im Schädel sowie Verletzungen an Arm und Bein. Am Donnerstagabend stand zweifelsfrei fest: Bei dem Getöteten handelt es sich tatsächlich um Yahya Sinwar.

Laut den IDF trug Sinwar bei seinem Tod eine kugelsichere Weste. Er hatte Granaten und Geld im Wert von umgerechnet 9300 Franken bei sich. Von der «Times of Israel» veröffentlichte Fotos zeigen den weiteren Inhalt seiner Taschen, darunter Ausweise, eine kleine Taschenlampe und Kaubonbons. Am Freitagnachmittag bestätigte auch Sinwars bisheriger Stellvertreter, Khalil al-Haya, den Tod von Yahya Sinwar.

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