Sonntag, November 24

Rund um das Gastspiel eines israelischen Fussballklubs kommt es zu gewaltsamen Ausschreitungen in Amsterdam. Israels Präsident Yitzhak Herzog spricht von einem antisemitischen «Pogrom».

Vermeintlich propalästinensische Jugendliche haben aktiv Jagd auf israelische Fussballfans in Amsterdam gemacht. Das teilten Stadt und Polizei in einer gemeinsamen Erklärung am Freitagmittag mit. Die Unruhestifter seien «aktiv auf die Suche gegangen nach israelischen Fans, um sie anzugreifen und zu misshandeln».

«An mehreren Stellen in der Stadt wurden Fans belagert, misshandelt und mit Feuerwerkskörpern beworfen», sagte Bürgermeisterin Femke Halsema. Sie verurteilte dieses «antisemitische Verhalten». Dies sei «ein sehr dunkler Moment für die Stadt, für den ich mich zutiefst schäme», sagte Halsema.

Zu den Vorkommnissen war es am Donnerstagabend gekommen. Der niederländische Spitzenklub Ajax Amsterdam hatte im Spiel der Euro League den israelischen Verein Maccabi Tel Aviv empfangen. Die Vorzeichen für den Match standen eigentlich gut: Ajax Amsterdam ist seit je ein jüdisch geprägter Verein, das frühere Stadion lag im Osten der Stadt, wo einst ein Grossteil der jüdischen Bevölkerung Amsterdams lebte. Der Verein hat viele jüdische Fans. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Ajax mit Jaap van Praag einen jüdischen Präsidenten, in den grossen Mannschaften Ende der 1960er Jahre spielten mit Bennie Muller und Sjaak Swaart zwei Juden.

Ein Nachspiel, das Staatschefs beschäftigt

Das Spiel gewann Ajax nun souverän mit 5:0. Doch das Nachspiel beschäftigt die Staatschefs von Israel und den Niederlanden.

Mehrere Menschen berichteten von beängstigenden Momenten. Sie seien von maskierten jungen Männern verfolgt, geschlagen und getreten worden, hiess es. Israels Präsident Yitzhak Herzog fühlte sich an den Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 erinnert. «Wir sehen heute Morgen mit Entsetzen die schockierenden Bilder und Videos, von denen wir seit dem 7. Oktober gehofft hatten, sie nie wieder zu sehen: ein antisemitisches Pogrom, das derzeit gegen Fans von Maccabi Tel Aviv und israelische Bürger im Herzen von Amsterdam stattfindet», schrieb Herzog auf X.

Laut Angaben der Amsterdamer Polizei hatte es nach dem Spiel an mehreren Orten im Zentrum der niederländischen Metropole Unruhen gegeben. Die Behörden erläuterten aber nicht näher, von welcher Seite die Gewalt ausgegangen sei. Insgesamt seien 62 Personen vorläufig festgenommen worden, teilten sie mit. 5 Personen seien verletzt worden. Das israelische Aussenministerium meldete zunächst, es seien drei Personen als vermisst gemeldet worden. Später revidierte die Behörde: Die Betroffenen wurden erst nicht erreicht, ihre Handys könnten gestohlen worden sein oder aus technischen Gründen nicht funktionieren. Am Nachmittag hatte das Aussenministerium laut eigenen Angaben dann alle Maccabi-Fans erreicht.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bezeichnete die Vorfälle als «aussergewöhnliches und antisemitisches Ereignis». Das schrieb sein Büro am Freitagmorgen auf X. So habe Netanyahu mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Dick Schoof gesprochen und diesen aufgefordert, die Sicherheit für die jüdische Gemeinde in den Niederlanden zu erhöhen.

Netanyahu habe die Ereignisse in Amsterdam «mit grosser Sorge» verfolgt, hiess es, und angewiesen, dass die israelischen Streitkräfte (IDF) Flugzeuge schickten, um die israelischen Fans nach Hause zu fliegen. Dazu kommt es jedoch nicht. Später kommentierte ein IDF-Sprecher: «Gemäss der Anweisung der politischen Ebene wird die IDF-Mission nicht nach Amsterdam aufbrechen.»

Niederlande galten als tolerantes Vorzeigeland

Schoof wiederum schrieb auf X, er sei «entsetzt über die antisemitischen Angriffe auf israelische Bürger. Das ist völlig inakzeptabel.» Er habe Netanyahu versichert, «dass die Täter identifiziert und strafrechtlich verfolgt werden».

Lange galten die Niederlande als multikulturelles, tolerantes Vorzeigeland. Das links-grün regierte Amsterdam schreibt sich die Rechte von Minderheiten von jeher auf die Fahne, reagiert aber kopflos auf Spannungen, die zwischen Teilen der jüdischen Gemeinschaft und Teilen der muslimischen Communitys entstehen. Dabei lässt sich ein zunehmender Antisemitismus unter muslimischen, maghrebinisch und türkischstämmigen Jugendlichen beobachten. Oft im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt. Der Islamgegner und Chef der nationalistischen Freiheitspartei, Geert Wilders, hat sich entschieden auf die Seite Israels gestellt. «Wir sind zum Gaza Europas geworden», schrieb Wilders am Freitag auf X. «Muslime mit palästinensischen Flaggen jagen Juden. Das werde ich nicht akzeptieren. Niemals.»

Die niederländische Tageszeitung «De Telegraaf» berichtet, dass die Polizei die israelischen Fans nach dem Spiel ins Stadtzentrum eskortiert habe, die meisten seien mit Bussen in verschiedene Hotels gebracht worden. Einige, die dann ins Stadtzentrum gegangen seien, seien nach Mitternacht angegriffen worden. Nach Darstellung der Amsterdamer Polizei hatten die Jugendlichen gezielt auf die Israeli am Bahnhof gewartet. Laut derzeitigem Kenntnisstand handele es sich um «Jungs auf Motorrollern», die sich über Telegram-Gruppen abgesprochen hätten, schreibt «De Telegraaf» weiter. Dass Ex-Militärs und Mossad-Mitarbeiter unter den Anhängern von Maccabi Tel Aviv gewesen seien, habe die Angreifer motiviert. Israelische Fans sollen sich auch provozierend verhalten haben, berichteten Zeugen. Auf Videos im Internet ist zu sehen, dass sie palästinensische Flaggen von Häusern zerren und beleidigende Parolen rufen.

UEFA und Ajax verurteilen die Vorkommnisse

Die Europäische Fussball-Union UEFA verurteilte die «Gewalttaten aufs Schärfste». «Wir vertrauen darauf, dass die zuständigen Behörden so viele Verantwortliche wie möglich für diese Aktionen identifizieren und anklagen werden», heisst es in einer UEFA-Stellungnahme weiter. Auch Ajax Amsterdam verurteilt «diese Gewalt auf das Schärfste», wie der gastgebende Klub auf X mitteilte. Nach einem Spiel mit guter Atmosphäre habe man «mit Entsetzen erfahren, was gestern Abend im Zentrum von Amsterdam geschehen ist», heisst es weiter.

Am Freitagmittag teilte Israels neuer Aussenminister, Gideon Saar, mit, dass er kurzfristig in die Niederlande reise. Er wolle hochrangige Vertreter der niederländischen Regierung treffen, unter ihnen seinen Amtskollegen. Saar werde dabei die Bedeutung des Kampfes gegen Antisemitismus betonen.

Mit Agenturmaterial.

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