Freitag, September 20

Der Anteil der klleineren US-Firmen mit wachsendem Gewinn ist so niedrig wie letztmals nach der Finanzkrise. Monetär bleibt die US-Konjunktur ebenfalls unter Druck, trotz der Zinssenkungen. Einen Lichtblick bieten dagegen manche Schwellenländer wie Indonesien.

Die Weltaktienmärkte und insbesondere Wallstreet werden in den nächsten Monaten im Wesentlichen von drei Faktoren bestimmt. Zuerst von der US-Notenbankpolitik, dann von den US-Wahlen und zuletzt durch die Geopolitik.

Nach den jüngsten US-Inflations- und Arbeitsmarktzahlen war klar, dass die US-Zentralbank die Zinsen senken wird. Der Entscheid vom 18. September war bereits weitgehend in den Kursen eingepreist. Nach den im Trend günstigen US-Inflationszahlen (Kernrate der letzten drei Monate annualisiert 2,06%) und den überraschend schwachen US-Arbeitsmarktzahlen musste ein Zinsrückgang erfolgen.

Die Tatsache, dass der US-Arbeitsmarkt eigentlich schwächer ist, als die offiziellen Zahlen suggerieren, wurde hier schon häufiger analysiert. Die Zahl der Beschäftigten stieg im August nur um 142’000 gegenüber geschätzt 165’000. Am wichtigsten aber war, dass die beiden letzten Monate um 86’000 Arbeitsplätze nach unten revidiert wurden und dass im Juli nach der Revision nur noch 89’000 neue Arbeitsplätze übrig blieben. Im Allgemeinen werden 100’000 bis 150’000 neue Arbeitsplätze als notwendig für die Aufrechterhaltung des Beschäftigungsstandes genannt. Mit den jüngsten Revisionen verschlechterte sich der US-Arbeitsmarkt erstmals unter eine kritische Grenze.

Aus monetärer Sicht bleiben die US-Konjunktur, aber auch die US-Inflationsrate belastet. Hintergrund ist der hier immer wieder aufgezeigte Zusammenhang zwischen der Entwicklung der US-Geldmenge und den Preisen. Da die US-Geldmenge M2 (ebenso wie M1) weiterhin weniger rasch wachsen als das US-Bruttoinlandsprodukt, wird die US-Inflationsrate voraussichtlich weiter fallen. Während die Geldmengenentwicklung einen Verzögerungseffekt von etwa einem Jahr auf die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts hat, hat man an der John- Hopkins-Universität in diesem Jahr errechnet, dass die Verzögerung gegenüber den Inflationsraten knapp zwei Jahre beträgt.

Damit dürfte auch der weitere Pfad der Zinssenkungen vorgezeichnet sein. Der natürliche US-Zins, bei dem die Notenbank die Konjunktur weder stimuliert noch dämpft, dürfte bei knapp der Hälfte des heutigen Zinsniveaus liegen, so dass die Zinsen voraussichtlich mehr gesenkt werden als die Märkte erwarten. Für die Anleihe-Märkte sowohl in den USA als auch international ist dies ein Hausse-Faktor. Ob die Aktienmärkte sowohl an Wallstreet als auch international positiv reagieren werden, ist eine andere Frage. In der Vergangenheit waren schnelle Zinssenkungen (wegen der sich eintrübenden Konjunktur) mit deutlich schlechteren Aktienmärkten verbunden als Phasen langsamer Zinssenkungen.

Die Frage nach der zukünftigen US-Konjunktur lässt sich gut anhand der Stimmung der National Federation of Independent Business beantworten. Hier sind die kleineren US-Unternehmen zusammengeschlossen. In dieser Organisation finden sich die Unternehmen, welche die grosse Mehrheit der US-Arbeitnehmer beschäftigen. Nach der letzten NFIB-Umfrage berichteten nur 37% der befragten Unternehmen, dass die Unternehmensgewinne in den letzten drei Monaten gestiegen seien. Dies ist der schlechteste Wert seit 2010.

Diese Zahl zeigt, dass entgegen den zuletzt durchschnittlich um mehr als 20% gestiegenen Gewinnen der Magnificent-7-Wachstumsunternehmen die Masse der Unternehmen rückläufige Gewinne ausweist. Die von den staatlichen Stellen veröffentlichten Gewinne sind Durchschnittszahlen, welche durch die grossen Unternehmen mit ihren teils hohen Aktienrückkäufen nach oben verzerrt werden. Die Grafik der durch die Gewinne bestimmten Stimmung der NFIB-Unternehmen macht deutlich, dass wir uns bei den kleineren Unternehmen, die die grosse Mehrheit der US-Arbeitnehmer beschäftigen, im schlechtesten Gewinntrend seit der Finanzkrise 2008 befinden.

Es ist davon auszugehen, dass die letzten Monatsinflationszahlen von 0,2% Wachstum gegenüber Vormonat und 2,5% gegenüber Vorjahr im Trend weiter rückläufig sein werden. So erfreulich dies ist, so lässt dies nichts Gutes für die US-Unternehmensgewinne und für den US-Realzins erwarten. Bei rückläufiger Teuerungsrate steigt der Realzins, wenn die Notenbank den Zinssenkungstrend nicht beschleunigt.

Wie sehr rückläufige Inflation Gewinne und Realzins beeinflussen, zeigt die Entwicklung in China. Dort bremst der hohe Realzins die Konjunktur deutlich. In den USA steuert der Realzins auf 2% und damit auf eine Grössenordnung zu, die vor der Finanzkrise erreicht wurde. Am günstigsten ist der Realzins in Japan, wo er weiter deutlich negativ ist. In Europa liegt der Realzins etwas unter dem US-Niveau, ist aber keineswegs so günstig wie in Japan.

Sieg von Harris und höhere Steuern noch nicht eingepreist

Neben dem monetären Faktor dürfte die kommende US-Wahl ein wichtiger Kursbestimmungsfaktor für die Börsen sein. Die (wohl einzige) öffentliche TV-Wahldebatte zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten zeigte eine sehr gut vorbereitete Kamala Harris und einen zu siegessicheren Donald Trump. Während Trump vor der Debatte bei den wichtigen Wettergebnissen führte, liegt jetzt Harris mit 51% vor Trump mit 47%. Dieses Ergebnis dürfte auch durch die keineswegs als neutral befundenen Fragestellungen der beiden Interviewer erreicht worden sein.

Eine Wahlsiegerin Harris dürfte von den Börsen noch nicht eingepreist sein. Die ohnehin keineswegs sicher erscheinenden Prognosen für Gewinnsteigerungen bei US-Unternehmen im zweiten Halbjahr (die noch immer belastet sind durch einen Zinsanstieg der Unternehmenskredite mit einem durchschnittlichen Zins von zuletzt 9,5% gegenüber 9,4% im Vormonat) könnten im nächsten Jahr allein durch die Unternehmenssteuererhöhung rein rechnerisch um neun Prozent fallen.

Die US-Konjunkturzahlen geben keine klaren Hinweise für die weitere Entwicklung. Zwar steigen Konsumentenvertrauen und Konsumausgaben der Amerikaner leicht an, möglich ist dies nur durch die rekordtiefe US-Sparquote. Fallen die Konsumausgaben wieder zurück auf die reale Einkommenssteigerung (+1%), ist es um die US-Konjunktur schlecht bestellt. Diesen Hinweis gab auch das letzte von der Regierung publizierte «Beige Book», das die Lage der US-Wirtschaft beschreibt. Nach Beobachtung einiger Analysten war dies der schlechteste Konjunkturbericht seit der Finanzkrise.

Aussicht auf Trendwende bei Nebenwerten und Value-Aktien

Bei der Markttechnik scheint sich die bessere Entwicklung der defensiven Aktien gegenüber Zyklikern (Autos, Luxus) fortzusetzen. Besonders zinssensitive Aktien wie Immobilientitel und Versorger steigen aufgrund der erwarteten Zinssenkungen. Grosser Optimismus bei Bonds könnte allerdings zu einer markttechnischen Pause im Kursanstieg bei Anleihen führen, was temporär negative Auswirkungen auf die Aktienmärkte bei zinssensitiven Aktien haben könnte («Sell on the news»).

Relativ gut könnten bisher nicht favorisierte Aktienkategorien wie Value-Aktien und kleinere Titel abschneiden. Kleinere Aktiengesellschaften sind meist mehr verschuldet und profitieren deshalb überdurchschnittlich von den Zinssenkungen. Dass die Anleger dies antizipieren, zeigt das zuletzt überdurchschnittliche Abschneiden des Nebenwerteindex Russell 2000 in den USA und des deutschen MDax (immer noch 3% unter Jahresanfang).

In den vergangenen zwölf Monaten war der Russell 2000 rund 7 bis 8% schlechter als der S&P 500 und der Nasdaq Composite. Auch nur begrenzte Umdisponierungen von Investments in den grossen Indizes wie dem S&P 500 (steht genau am Hoch und könnte ein Doppelhoch ausbilden) reichen aus, um die marktengeren kleineren Aktien in Bewegung zu bringen.

Enttäuschende Konjunkturlage in China trifft Europa härter

Man fragt sich auch, wie weit die geopolitische Auseinandersetzung mit China und die Auswirkung schon bestehender (teilweise auch von Biden eingesetzter) Zölle sein wird. Auch bedingt durch den Ukraine-Krieg haben sich die Beziehungen zwischen den USA und China weiter deutlich verschlechtert.

Die jüngsten China-Konjunkturzahlen zeigen erneut, wie sehr China als internationale Konjunktur-Lokomotive (die in den letzten Jahren die Hälfte des Weltwirtschaftswachstums beisteuerte) inzwischen ausfällt. Sowohl die Industrieproduktion (nur noch +4,5%) als auch die Einzelhandelskonjunktur (Umsätze zuletzt nur noch +2,1%) lagen unter den Erwartungen. Angesichts praktisch fehlender Inflation in China (Produzentenpreise sogar weiterhin rückläufig) drückt dies unverändert die Gewinne und lässt die für die weitere Konjunkturentwicklung wichtigen Investitionen voraussichtlich schwach bleiben.

Noch mehr als die US-Konjunktur wird die europäische Wirtschaftsentwicklung durch die China-Schwäche belastet und hier wiederum am meisten Deutschland. In China haben die Ausländer im letzten Jahr erstmals mit grösseren Kapitalabzügen reagiert.

Indonesiens Börse charttechnisch und fundamental aussichtsreich

Indonesien könnte eine der interessantesten Auslandsbörsen werden. Charttechnisch erreichte der Indonesien- Aktienindex ein neues Allzeithoch und zeigt damit weltweit das beste Index-Chartbild. Das neben Indien grösste Bevölkerungswachstum in Asien, die relativ niedrige Verschuldung des Landes und eine relativ geringe Aktienpositionierung der Ausländer bei deutlich unterdurchschnittlichem Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 13 sprechen für diesen Markt.

Relativ gut handelbar sind die grossen Banken. Auch Index-Zertifikate sollten sich mit dem indonesischen Aktienindex positiv entwickeln.

ETF auf den indonesischen Aktienmarkt, ausgewählt von The Market:

  • HSBC MSCI Indonesia UCITS ETF USD, ISIN: IE00B46G8275. Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich um den einzigen für uns auffindbaren ETF auf diesen Markt, der den Index vollständig repliziert (anstatt Finanzinstrumente wie Swaps dafür einzusetzen). Kosten: 0,5% jährlichen Gebühren («Total Expense Ratio»).

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der «Finanzwoche», dem seit 1974 erscheinenden Investmentbulletin von Jens Ehrhardt.

Jens Ehrhardt

Jens Ehrhardt ist Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsvorsitzender von DJE Kapital. Nach fünfjähriger Partnerschaft in der seinerzeit grössten deutschen Wertpapier-Vermögensverwaltungs-Gesellschaft promovierte er 1974 über «Kursbestimmungsfaktoren am Aktienmarkt». Im selben Jahr legte er den Grundstein für den Aufbau seiner Firmengruppe, die er von Beginn an leitet. Ehrhardt verantwortet neben seiner Rolle als Vorstandsvorsitzender noch die Bereiche Risikomanagement und Unternehmens-/Anlagestrategie.

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