Mittwoch, Februar 5

Ahmad Yassin, Saleh al-Aruri und nun Ismail Haniya: Die Liste der getöteten Hamas-Führer ist lang. Auch in Iran hat der israelische Geheimdienst Mossad schon oft zugeschlagen. Die Anschläge sorgen regelmässig für grosses Aufsehen – doch was haben sie gebracht?

Die Tötung von Ismail Haniya in Teheran ist ein Coup. Die Ausschaltung des Politbüro-Chefs der Hamas mitten in der iranischen Hauptstadt ist ein Erfolg für Israel und eine Demütigung für Iran, dessen Geheimdienst schmählich versagt hat. Präzedenzlos ist die Tat aber nicht – vielmehr reiht sie sich ein in eine lange Reihe von israelischen Attentaten. Israel hat nicht nur mehrere Hamas-Führer mit gezielten Anschlägen getötet – der israelische Geheimdienst hat in den letzten Jahren auch in Iran wiederholt Attentate verübt.

Gezielte Tötungen gehören fest zum Repertoire des jüdischen Staats im Kampf gegen seine Feinde. In der Regel bekennt sich Israel aber nicht direkt zu den Attentaten. Dies hat seine Gründe: Rechtlich ist die Ermordung von Gegnern heikel, wenn sie im Ausland erfolgt. So stellt der Anschlag in Teheran eine klare Verletzung der iranischen Souveränität dar. Auch politisch sind gezielte Tötungen umstritten, und über ihren Nutzen wird seit langem diskutiert.

Einerseits demonstriert Israel damit seine Macht und zeigt seinen Feinden, dass sie sich nirgendwo sicher fühlen können. Andererseits zeigt die Erfahrung, dass die Tötung einzelner Parteiführer, Kommandanten oder Atomforscher nur bedingt geeignet ist, den Gegner dauerhaft zu schwächen. So hat die Hamas ihre getöteten Anführer meist rasch ersetzt. Die lange Liste von Anschlägen auf Hamas-Führer zeigt aber, dass aus Sicht Israels der Nutzen überwiegt.

Präparierte Telefone, Gift und Raketen

  • Einer der ersten Anschläge traf am 5. Januar 1996 den Hamas-Terroristen Yahya Ayyash, der für eine Reihe von blutigen Selbstmordattentaten in Israel verantwortlich war. Er wurde in Gaza durch ein mit Sprengstoff präpariertes Telefon getötet. Die Hamas reagierte mit einer weiteren Welle von Selbstmordanschlägen, die in israelischen Städten 59 Menschen das Leben kosteten.
  • Auf Anweisung des damaligen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu versuchten am 25. September 1997 mehrere Mossad-Agenten, den Hamas-Führer Khaled Meshal in Jordaniens Hauptstadt Amman zu vergiften. Die Agenten wurden aber gefasst. Auf Druck des jordanischen Königs sah sich Israel gezwungen, Gegengift zu schicken, so dass Meshal den Anschlag überlebte.
  • Der Misserfolg hielt Israel aber nicht davon ab, weiter auf gezielte Tötungen zu setzen. Am 22. März 2004 feuerte ein Helikopter eine Rakete auf den Hamas-Gründer Scheich Ahmad Yassin ab, als er nach dem Morgengebet eine Moschee in Gaza verliess. Auch zwei Leibwächter und neun Passanten wurden getötet. 200 000 Palästinenser begleiteten Yassins Sarg bei der Beerdigung.
  • Nur wenige Wochen später wurde auch Yassins Nachfolger an der Spitze der Hamas getötet. Abdelaziz al-Rantisi starb am 17. April 2004 mit seinem Sohn und einem Leibwächter, als eine Rakete eines israelischen Helikopters sein Auto in Gaza traf. Um weitere Mordanschläge auf ihre Führung zu vermeiden, hielt die Hamas den Namen von Rantisis Nachfolger geheim.
  • Für einen internationalen Skandal sorgte der Mord an dem Hamas-Vertreter Mahmud al-Mabuh in einem Hotelzimmer in Dubai am 19. Januar 2010. Peinlich wurde es für Israels Geheimdienst, als die Polizei der Vereinigten Arabischen Emirate die Fotos von 26 Verdächtigen veröffentlichte, die offenbar unter Verwendung von gefälschten ausländischen Pässen eingereist waren.
  • Am 2. Januar 2024 gelang es Israel, den Vizechef der Hamas, Saleh al-Aruri, bei einem Drohnenangriff zu töten. Der präzise Angriff traf eine Zusammenkunft von Hamas-Führern im Beiruter Vorort Dahiye – einer Hochburg der libanesischen Hizbullah-Miliz. Dort wurde am Dienstag auch der Hizbullah-Kommandant Fuad Shukr bei einem israelischen Vergeltungsschlag getötet.
  • Gleich acht Mal hat Israel seit 2002 versucht, Mohammed Deif, den Militärchef der Hamas im Gazastreifen, zu töten. Er wurde dabei zwar schwer verletzt und verlor im Krieg 2014 bei einem Angriff seine Frau und zwei seiner Kinder, doch überlebte er alle Attentatsversuche. Am 13. Juli 2024 nahm Israel bei einem Raketenangriff auf den Gazastreifen Deif erneut ins Visier. Israel geht davon aus, dass er dabei getötet wurde – offiziell bestätigt wurde dies allerdings bis heute nicht.

Israels verdeckter Kampf gegen Irans Atomprogramm

Auch in Iran selbst gab es in den letzten Jahren eine Reihe von Anschlägen, hinter denen der israelische Auslandgeheimdienst Mossad vermutet wurde. So starben seit 2010 vier iranische Atomforscher – die meisten durch Sprengsätze in ihren Autos. Am 27. November 2020 wurde zudem der Leiter des Atomprogramms Mohsen Fakhrizadeh in der Nähe von Teheran getötet. Der spektakuläre Angriff auf seinen Konvoi wurde vermutlich mit einem ferngesteuerten Maschinengewehr verübt, ganz geklärt wurden die Umstände aber nicht.

Die Anschläge, die wohl zum Teil mithilfe von Anhängern der iranischen Exilopposition verübt wurden, sollten das iranische Atomprogramm aufhalten. Israel und westliche Staaten verdächtigten Iran, unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Atomenergie nach einer Atombombe zu streben. Allerdings gibt es keinen Beweis, dass Teheran heute noch ein militärisches Atomprogramm unterhält. Entsprechend unklar blieb, ob die Anschläge ihren Zweck erfüllten.

Nachdem Teheran in Reaktion auf den Bruch des Atomabkommens durch Donald Trump 2018 die Urananreicherung wieder hochgefahren hatte, gab es eine Reihe von Sabotageakten und Sprengstoffangriffen auf Atomanlagen, die Israel zugeschrieben wurden. Auch starben zwei weitere Forscher, nachdem sie Zeichen von Vergiftung aufgewiesen hatten. Trotzdem ist Iran heute in der Lage, binnen einer Woche genug hochangereichertes Uran für den Bau einer Bombe zu produzieren.

Vom Schattenkrieg zur Eskalation in Syrien

Die israelische Luftwaffe fliegt seit Jahren auch regelmässig Angriffe auf iranische Ziele in Syrien. Seit 2017 gab es Hunderte Schläge gegen Waffenlager, Konvois und Stützpunkte der Revolutionswächter und verbündeter Milizen. Über die Jahre wurden in diesem Schattenkrieg Hunderte Soldaten und Milizionäre getötet. Da Israel sich in der Regel nicht offen zu den Angriffen bekannte, vermied auch Iran eine Reaktion, um eine verlustreiche Eskalation zu vermeiden.

Dies änderte sich jedoch mit dem israelischen Raketenangriff auf das iranische Konsulat in Damaskus. Bei dem provokativen Angriff auf die diplomatische Einrichtung wurden am 1. April General Mohammed Reza Zahedi und andere Vertreter der Revolutionswächter sowie verbündeter Milizen getötet. Zwei Wochen später übte Teheran erstmals direkt Vergeltung gegen Israel, als es einen beispiellosen Raketen- und Drohnenangriff auf den jüdischen Staat lancierte.

Mithilfe arabischer und westlicher Verbündeter konnten fast alle Geschosse im Vorfeld abgefangen werden. Nur wenige Raketen erreichten ihr Ziel auf israelischen Militärflughäfen. Auf Drängen der USA verzichtete Israel auf einen grossen Vergeltungsangriff und beschränkte sich auf den Beschuss einer Militäranlage bei Isfahan. Mit der Tötung von Haniya in Teheran hat Israel nun erneut seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, Ziele in Iran zu treffen. Welchen Nutzen der Anschlag hat, bleibt aber wieder einmal abzuwarten.

Exit mobile version