Sonntag, Oktober 6

Franco Savastano kann aufatmen: Die thailändische Central-Group übernimmt die Warenhauskette Globus vollständig. Besonders brenzlig wurde es für ihn, als das Schwesterunternehmen KaDeWe in Berlin in Insolvenz ging.

Das Globus-Warenhausgeschäft gehört seit dieser Woche vollständig der thailändischen Central-Group. Viel dürfte sie nicht dafür bezahlt haben. Was ist wertvoller: Globus oder die teuerste Handtasche, die Sie verkaufen?

Franco Savastano: Die Verhandlungen gingen lange, und wir sind erleichtert, dass es zu einem Abschluss kam. Über den Preis kann ich nichts sagen, aber das operative Warenhausgeschäft fällt im Vergleich zu den Immobilien natürlich weniger ins Gewicht.

Vor einem Jahr fiel das ganze Kartenhaus von René Benko, der die Hälfte von Globus besass, in sich zusammen. Sie haben sich in all der Zeit nie dazu geäussert. Aber jetzt können Sie doch auspacken. Bitte schön . . .

Wir waren auch überrascht vom Ausmass der medialen Dynamik. Jeden Tag kam etwas raus. Central hat aber sehr früh die Botschaft herausgegeben, dass sie uns nicht hängenlassen. Das war sehr wichtig für uns.

Haben Sie persönlich immer daran geglaubt, dass Globus überlebt?

Ja, das habe ich. Aber wir wussten, dass es extrem schwierig wird. Wir mussten gleichzeitig unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und unsere Partner im Boot behalten. Wenn alles so negativ belastet ist, weiss man nie, wer noch mit einem zusammenarbeiten will.

Haben Sie René Benko im vergangenen Jahr einmal getroffen?

Nein.

Was hätten Sie ihm gesagt, wenn Sie ihn getroffen hätten?

Es wäre nicht fair, wenn ich jetzt sagen würde, dass alles Handeln von René Benko eine Katastrophe gewesen sei. Er hat auch etwas aufgebaut. Es ging halt um die Art und Weise, wie er es aufgebaut hat. Es ist einfach sehr schade, was passiert ist.

Ihr Haupthaus in Zürich gehört immer noch zur Hälfte zu René Benkos Signa. Beeinflusst das Ihr Geschäft?

Wir haben 2020 einen Mietvertrag mit einer langen Laufzeit abgeschlossen. Darum sind wir entspannt.

Man hörte im Zusammenhang mit Signa immer wieder von zu hohen Mieten. Zahlt Globus zu viel?

Hier in Zürich zahlen wir sicher sehr viel. Aber ich finde generell, dass im Detailhandel zu hohe Mieten bezahlt werden.

Konnten Sie die Miete noch nicht neu verhandeln?

Das wird sicher noch kommen.

Die hohen Mieten waren da, um den Wert der Signa-Liegenschaften nach oben zu treiben.

Das war das Geschäftsmodell. Durch die langfristigen Mietverträge und die hohen Mieten gab es höhere Immobilienwerte.

Haben Sie je daran gedacht, den Bettel hinzuschmeissen?

Nie. Das ist für mich eine Charakterfrage. Ich bin nicht nur CEO, wenn es gut läuft. Sondern auch, wenn es schwierig ist. Vergessen Sie nicht, dass wir davor auch die Corona-Krise hatten. Das war auch nicht einfach.

Es gab aber viele Abgänge bei Globus.

Es ist so, dass wir einige Abgänge in höheren Positionen hatten. Dafür hatte ich Verständnis. Wir konnten ja nicht rekrutieren . . .

Warum nicht?

Wie wollen Sie Leute fürs Topmanagement holen, wenn es so viel Unsicherheit rund um eine Firma gibt? Die warten alle erst einmal ab. Dafür haben wir viele Interne befördert. Das hat eine positive Dynamik ausgelöst im Unternehmen.

Welche anderen Kollateralschäden gab es?

Wir sind nicht beschädigt, aber wir spürten den Druck. Ein Beispiel: Unser oberstes Ziel war von Anfang an, genug Liquidität zu halten. Ich habe mit dem Finanzchef ein neues Regime aufgezogen. Alles ging über unseren Tisch. Jede Investition, jede Neuanstellung, jeder Einkauf. Das hat gut geklappt. Aber dann ging KaDeWe Konkurs . . .

Das Luxuswarenhaus KaDeWe in Berlin ist ein Schwesterunternehmen. Es ging im Januar in Insolvenz. War Globus davon betroffen?

Da wussten wir: Jetzt haben wir ein Problem. Wir haben rund tausend Lieferanten. Die wollten plötzlich alles nur noch gegen Vorauskasse liefern. Aber das ist unmöglich, wir müssen das Geld ja erst erwirtschaften.

Was passierte dann? Haben Sie Marken verloren?

Ich habe persönlich den Hörer in die Hand genommen und zusammen mit unserem Einkaufsteam vier, fünf Tage lang jeden grösseren Partner abtelefoniert. Ich habe ihnen mein Wort gegeben: «Wir bezahlen euch, aber vorab geht das nicht. Wenn es Probleme gibt, werde ich euch sofort informieren.»

Hat das etwas bewirkt?

Von unseren tausend Lieferanten haben nur 20 nicht mehr mitgemacht. 15 davon sind kleine Produzenten, die fast abhängig von uns waren. Die konnten das Risiko nicht eingehen. Dafür habe ich Verständnis.

Es scheint, als sei die Sache persönlich geworden.

Absolut. Ich bin seit 40 Jahren in diesem Geschäft. Mit gewissen Lieferanten arbeite ich seit 20 Jahren zusammen. Ich habe für Globus meinen Ruf aufs Spiel gesetzt.

Hat Ihr Geschäft insgesamt gelitten unter der Situation?

65 Prozent unseres Geschäfts machen wir mit Stammkunden, die eine Kundenkarte haben. Bei ihnen habe ich keine grosse Veränderung gesehen. Sie haben tendenziell sogar noch mehr gekauft. Ich nehme aber an, dass es auch einen Kundentyp gab, der nicht mehr bei uns eingekauft hat, weil ihm die Signa-Situation zuwider war. Insgesamt war der Umsatz stabil.

Kein Wachstum, obwohl alles teurer geworden ist?

Sie wissen selbst, dass die Inflation angezogen hat. Vor allem das Wohnen ist teurer geworden. Das hat auch unsere Kunden getroffen.

Aber Globus hat doch eine Klientel, die das locker wegsteckt.

Ich weiss, worauf Sie hinauswollen: Globus ist nur noch Luxus.

Stimmt das etwa nicht?

Wir haben nur ein oder zwei Etagen in Zürich und Genf, die wirklich Luxus sind. Das sind rund fünf Prozent unserer Verkaufsfläche. Der Rest ist Premium.

Für die Leute ist Globus nur noch eins: Luxus.

Wir haben das Parterre in Zürich neu positioniert. Früher haben wir dort Schirme für 20 Franken das Stück verkauft. Heute führen wir dort Louis Vuitton. Nun heisst es: «Die machen nur noch auf Luxus.» Aber das stimmt nicht.

Haben Sie falsch kommuniziert?

Wir haben in letzter Zeit sehr viel verändert. Dazu waren wir gezwungen, denn uns fehlten die Neukunden. Und ihrem Geschmack mussten wir uns anpassen. Aber vielleicht ging einigen Stammkunden die Veränderung zu schnell.

Mit Veränderung meinen Sie: teure Marken.

Früher war Globus Produkt-getrieben, heute sind wir Marken-getrieben. Die Menschen lieben Marken. Im mittleren Segment, in dem wir früher tätig waren, sterben die Lieferanten aus. Denn das ist heute besetzt von Ketten aus Spanien und Schweden.

Sie meinen Zara und H&M.

Früher hatten wir auch Eigenmarken. Aber wir waren viel zu klein, um mithalten zu können. Also müssen wir eine Stufe höher. Dabei orientieren wir uns immer am Kunden. Und der will Marken. Warum sollen wir sie also nicht anbieten? Seit wir im Zürcher Erdgeschoss Louis Vuitton und andere Luxusmarken verkaufen, hat sich unsere Flächenproduktivität verdoppelt.

Die Luxusindustrie darbt, nachdem sie die Preise massiv erhöht hat. Das trifft jetzt auch Sie.

Die ganze Luxusindustrie hat die Preise erhöht. Bei uns war es jedoch nur moderat. Ja, es gibt Marken, die ihre Preise exorbitant erhöht haben. Die leiden jetzt sehr. Wir haben glücklicherweise keine dieser Marken.

Vor kurzem haben Sie zehn Prozent Rabatt auf all Ihre Lebensmittel gewährt. Doch selbst damit kostet eine Packung Pasta immer noch doppelt so viel wie im Coop.

Wenn Sie uns mit dem Coop vergleichen, verlieren wir sowieso. Wir unterscheiden uns von Coop. Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden etwas anbieten, das sie sonst nirgendwo finden. Ich könnte Ihnen zu jedem unserer Produkte eine Geschichte erzählen. Ausserdem war unsere Food-Abteilung Delicatessa immer schon so positioniert.

Wann schreiben Sie endlich schwarze Zahlen?

Ende 2026. Dafür brauchen wir das Geschäft am Zürcher Bellevue, das wir im November eröffnen. Und den Globus in Basel, der am 1. November 2025 aufgeht. Dann haben wir viel mehr Volumen bei ähnlich hohen Fixkosten.

Die thailändische Central Group, der Sie nun vollständig gehören, ist während der ganzen Benko-Krise ein Phantom geblieben. Wer ist Central?

Es ist eine relativ grosse Familie, die die Öffentlichkeit nicht sucht. Aber sie sind nahe am Geschäft und verstehen es gut. Wir haben einen intensiven Austausch.

Die Thais gelten als hierarchisch.

Seit vier Jahren habe ich intensiv mit ihnen zu tun. Wenn sie in die Schweiz kommen, fahren wir miteinander Zug. Ich muss keine Limousinen organisieren oder so. Und wenn sie durchs Haus laufen, reden sie mit den Mitarbeitern. Sie haben keinerlei Dünkel. Wir tun eventuell etwas devot, wenn sie kommen, aber das liegt nicht an ihnen.

Bei Globus wurde Home-Office gestrichen. War das der Entscheid der Thais – oder Ihrer?

Es war mein Entscheid. Wir haben knapp 200 Mitarbeiter, die in den Büros arbeiten. Die restlichen 2500 arbeiten in den Läden. Vielleicht bin ich Old School, aber wir dürfen nicht vergessen: Wir verdienen das Geld mit unseren Leuten im Verkauf. Die neue Direktive ist: Einen Tag Home-Office pro Woche, aber nicht am Montag oder Freitag. Ich bin absolut der Meinung: Die Zeiten von Home-Office sind vorbei.

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