Freitag, Januar 10

Der Zementkonzern Holcim spaltet sich auf. Der Strippenzieher Jenisch soll den neuen Bauriesen in den USA als CEO und Aufseher zugleich führen. Keiner könne das besser, glaubt er.

Wenn etwas gutkommen soll, legt Jan Jenisch gern selbst Hand an. Erst recht beim grössten Projekt seiner Karriere. Derzeit plant Jenisch als Verwaltungsratspräsident des Zementriesen Holcim die Abspaltung von dessen Geschäft in Nordamerika. Wenn dieser Bauplan fertig ist, wird Jenisch auch die Ausführung übernehmen. Und sich dabei selbst auf die Finger schauen.

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Wer etwas anfängt, soll es zu Ende bringen

Denn Jenisch soll sowohl Verwaltungsratspräsident als auch CEO des neuen Unternehmens werden, wie Holcim am Freitag mitteilte. Dass er sich als Geschäftsführer zurück in operative Untiefen wagt, mag überraschen: Schliesslich hatte Jenisch die CEO-Rolle bei Holcim im Frühjahr 2024 abgegeben. Sein Nachfolger Miljan Gutovic bleibt Chef der verbliebenen Holcim, wenn der Spin-off vermutlich im Frühsommer 2025 vollzogen sein wird.

Doch Jenisch will selbst wieder etwas aufbauen. Er ist erst 58 Jahre alt und bekannt für seine zupackende, zuweilen hemdsärmelige Art. Wenn er etwas angefangen hat und es selbst zu Ende bringen kann, dürfte das dem Deutschen nur recht sein.

Hingegen erstaunt weniger, dass Jenisch das Aufsichtsgremium führen und damit den Erfolg der Aufspaltung überwachen soll, die er entscheidend vorangetrieben hat. Es geht um viel: Mit einem Umsatz von mehr als 11 Milliarden Dollar wird der neue Konzern eine führende Rolle in der Baubranche der USA spielen.

Die Führung von Geschäftsleitung und Verwaltungsrat im Doppelmandat wird in der Schweiz oft kritisch gesehen, weil sich viel Macht bei einer Person konzentriert. Jenisch hingegen ist überzeugt, dass Erfolg die Besetzung der Posten bestimmen sollte, nicht eine starre Regel. Darin bestärkt ihn, dass Holcim in seiner Zeit als CEO sowohl operativ als auch an der Börse stark zugelegt hatte – genau wie zuvor der Bauchemiekonzern Sika, den er von 2012 bis 2017 führte.

Weniger kritische Fragen in den USA

Immerhin wird sich Jenisch in den USA weniger für diese Machtfülle rechtfertigen müssen. Doppelmandate sind dort üblicher und stärker akzeptiert als im deutschsprachigen Raum. Das gibt Jenisch viel Freiraum in einem Markt, von dessen Wachstumspotenzial er tief überzeugt ist.

Der Spin-off, dessen Name noch nicht bekannt ist, soll den Umsatz bis 2030 auf mehr als 20 Milliarden Dollar fast verdoppeln. Der Modernisierungsbedarf bei Immobilien und der Infrastruktur in den USA ist gross. Um die Nachfrage bestmöglich zu bedienen, diversifiziert Holcim und hat Hersteller von anderem Baumaterial zugekauft, zum Beispiel für Dachprodukte.

Dabei zählt Holcim fest auf Unterstützung aus dem Weissen Haus. Präsident Joe Biden hat grosse Förderprogramme aufgelegt, an denen sein Nachfolger Donald Trump in wichtigen Teilen festhalten dürfte – so zumindest die verbreitete Erwartung. Auch der wachsende Protektionismus veranlasst immer mehr ausländische Firmen, in den USA Produktionsstandorte zu errichten.

Die neue Firma wird nicht nur in den USA, sondern auch an der Schweizer Börse kotiert sein. Das erleichtert hiesigen institutionellen Anlegern das Investment. Hingegen wird Holcim keine Beteiligung an dem neuen Unternehmen halten. Neben Jenisch stellte der Konzern nun auch die übrigen neun designierten Mitglieder für den Verwaltungsrat des Spin-off vor. Sie stammen hauptsächlich von nordamerikanischen Unternehmen und verfügen über grosse Erfahrung im dortigen Markt.

Ein neuer Präsident für die alte Holcim

Derweil wird Jenisch zumindest den Verwaltungsratsvorsitz der bald primär europäischen Holcim abgeben. Schliesslich werden beide Konzerne Wettbewerber sein, auch wenn sie am Anfang nicht in die jeweiligen Länder des anderen expandieren wollen. Der Nachfolger wurde schon auserkoren: Vorgeschlagen wird der Däne Kim Fausing, der seit 2020 im Aufsichtsgremium sitzt.

Derzeit ist Fausing Chef von Danfoss, einem Hersteller von Ventilen und Motoren in der Gebäudetechnik. Das passt zu den Ambitionen der «europäischen» Holcim, die ebenfalls stärker über das Kerngeschäft Zement hinauswächst und höherwertige Bauprodukte anbietet. Die Bank Vontobel bezeichnete Fausing als eine ideale Lösung für die künftige Entwicklung von Holcim.

Über die Berufung Fausings zum Verwaltungsratspräsidenten wird die Generalversammlung im Mai entscheiden – genau wie über alle anderen Pläne rund um die Trennung. Ob Fausing dann die Chefrolle bei Danfoss behält, muss sich zeigen. Die dänische Firma ist mit einem Jahresumsatz von umgerechnet 10 Milliarden Franken kein Leichtgewicht, das sich nebenbei führen liesse. Ausserdem hat der 60 Jahre alte Fausing den Chefposten bereits seit sieben Jahren inne. In dieser Zeit hat das Unternehmen den Umsatz um 80 Prozent gesteigert.

Mehr Freiraum für den Holcim-Chef Gutovic

Bei Holcim wird der Erlös hingegen bald absacken – schliesslich spaltet der Konzern mit Nordamerika rund 40 Prozent seines Geschäfts ab. Im Gegenzug erhält der seit Mai amtierende CEO Miljan Gutovic etwas mehr Luft zum Atmen, wenn der dominante Jenisch ausscheidet. Gutovics Fokus liegt weniger auf der schieren Grösse als mehr auf der Profitabilität der Firma. Im dritten Quartal 2024 erreichte Holcims Betriebsmarge (Ebit) einen Rekordwert von 23,5 Prozent.

Dennoch gelten die Wachstumsaussichten für Nordamerika als etwas stärker als jene für die Gesellschaften der verbleibenden Holcim. Auch das dürfte Jenisch bewegen, über den Grossen Teich zu wechseln. In welcher amerikanischen Stadt die abgespaltene Firma ihre operative Zentrale haben wird, steht noch nicht fest. Möglich ist, dass der Sitz in der Schweiz bleibt, was einem offiziellen Status als amerikanisches Unternehmen nicht im Weg steht. Aber Jan Jenisch wird wohl dort sein wollen, wo die Musik spielt.

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