Mittwoch, Februar 12

Derzeit wird wegen Turbulenzen am Terminmarkt mehr Gold von London nach New York transportiert als in normalen Zeiten, gleichzeitig erreicht der Preis des Edelmetalls ein neues Höchst. The Market nennt die Gründe und offene Fragen.

Der Goldpreis ist in diesem Jahr bereits 9% gestiegen und hat bei 2898 $ pro Unze einen neuen Rekordstand erreicht, nachdem er bereits im vergangenen Jahr eine starke Performance von +26% gezeigt hatte.

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Die weltweite Goldnachfrage erreichte im vergangenen Jahr mit 4974 Tonnen – 1% mehr als im Vorjahr – bzw. 382 Mrd. $ ein neues Rekordniveau. 2024 war das erste Jahr seit 2020, in dem der Bestand kotierter Goldfonds (Exchange Traded Funds, ETF) weitgehend stabil blieb.

Laut dem Quartalsbericht des globalen Goldindustrieverbands World Gold Council (WGC) dürfte die Goldnachfrage 2025 einen neuen Höchststand erreichen. Nachdem die Zentralbanken in den letzten drei Jahren mit unerwartet hohen Käufen überrascht haben, verdichten sich die Hinweise darauf, dass sie ihre jährlichen Nettokäufe von über 1000 Tonnen fortsetzen werden.

Diesen strukturellen Trend hat The Market bereits letzte Woche beleuchtet.

Der rasante Preisanstieg hat jüngst eine neue, überraschende Dimension erhalten: «Mit den Zöllen gegen China und den vorerst ausgesetzten Massnahmen gegenüber Mexiko und Kanada kamen Bedenken auf, dass auch der Import von Silber und Gold in die USA von Zöllen betroffen sein könnte», sagt Hans Peter Schmidlin, Rohstoffanalyst und Investment Advisor der Basler Kantonalbank und der Bank Cler.

Trump-Präsidentschaft stellt Goldterminmarkt auf den Kopf

Finanzinvestoren, die in Gold investieren, nehmen häufig Long-Positionen in Futures an der US-Rohstoffterminbörse Comex ein. Die Gegenseite des Handels stellt meist eine Bullion-Bank, die auf Edelmetalle wie Gold oder Silber spezialisiert ist. In der Regel werden diese Futures nicht physisch erfüllt, sondern glattgestellt oder gerollt, sprich: verlängert. Sollte es dennoch zur physischen Lieferung kommen, muss sie in einem Comex-Tresor in New York geschehen.

Bullion-Banken wie HSBC oder JPMorgan auf der Short-Seite halten ihren physischen Bestand oft in London, weil dies gemäss Marktbeobachtern günstiger ist als in New York. Deshalb wird ein grosser Teil des an der US-Terminbörse Comex gehandelten Goldes und Silbers in London gelagert.

Es besteht die Befürchtung, dass Edelmetalle auf dem Weg von London nach New York künftig Zöllen unterliegen. «Derzeit gibt es eine dreissigtägige Aussetzung möglicher Zölle aus Kanada und Mexiko, während die Drohung von EU-Zöllen weiterhin besteht – ganz zu schweigen von China», betont Philip Newman, Geschäftsführer des Edelmetallberaters Metals Focus. Daher wird derzeit vermehrt Gold in die USA transportiert.

«Die Goldreserven in London sind deutlich zurückgegangen, weil die Lieferungen in die USA umgeleitet werden», sagt Joseph Cavatoni, Marktstratege beim World Gold Council.

Längere Wartezeiten bei physischen Auslieferungen nährten Spekulationen unter Goldbugs, dass in London nicht genügend physisches Gold verfügbar sein könnte. Nach Angaben der London Bullion Market Association (LBMA) gingen der Bestand in den Londoner Tresoren im Januar gegenüber dem Vormonat 1,74% auf 8535 Tonnen zurück.

Die Schwierigkeit liegt unter anderem darin, dass jeder Goldbarren einem bestimmten Besitzer zugeordnet ist. Wird die Auslieferung einer grösseren Menge verlangt, stellt das Goldverwalter wie die Bank of England vor logistische Herausforderungen.

«Die physische Auslieferung von Gold ist auch essenziell, damit Händler Arbitragegewinne aus Long-Futures und Short-Positionen im physischen Markt realisieren können. Dazu muss das Gold physisch nach New York geliefert werden, was zu Abflüssen aus den Londoner Tresoren führt», fügt Carsten Menke, Edelmetallexperte bei der Bank Julius Bär, an.

Auslieferungen und Leihsätze steigen

Die Lieferzahlen der Comex sprechen eine deutliche Sprache: Im Januar stieg die Anzahl Lieferungen im Vergleich zum Vorjahresmonat von 6222 auf 22’538, damit haben sie sich mehr als verdreieinhalbfacht. In Unzen nahm das Volumen von 622ʼ200 auf 2ʼ253ʼ800 zu.

Anfang Februar setzte sich dieser Trend fort: Es wurden bereits 55’127 Lieferungen verzeichnet, während es im gesamten Februar des Vorjahres nur 20’754 waren.

Auch der einmonatige Leihsatz in London ist auf 3,5% gestiegen – ein deutlicher Anstieg von dem vorherigen Niveau nahe null. Er zeigt, welche Rendite Besitzer von Goldbarren in Londoner Tresoren erzielen können, wenn sie sie kurzfristig verleihen. Er deutet darauf hin, dass der Anteil des Goldbestands in London, der tatsächlich für den Verkauf am Markt verfügbar ist, trotz allem begrenzt ist.

«In den letzten Wochen stand der Goldmarkt vor beispiellosen Herausforderungen, die durch erhebliche Liquiditätsungleichgewichte zwischen London und New York geprägt waren», sagt Robin Kolvenbach, Co-CEO der Schweizer Affinerie Argor-Heraeus, die Gold in Barren giesst. Diese Situation habe zu einer erhöhten Anzahl physischer Transaktionen, Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, insbesondere in London, und historisch hohen Zinsen geführt.

Warum die Schweiz als Golddrehscheibe fungiert

«Es gibt keinen Mangel an Gold», betont Giovanni Staunovo, Rohstoffanalyst bei der Grossbank UBS. Vielmehr sei eine Herausforderung, dass an der Comex nicht klassische 12,5-Kilo-Barren (400 Feinunzen) akzeptiert werden. Sie müssen erst in die Schweiz geschickt und dort in 100-Unzen- oder 1-Kilo-Barren umgewandelt werden, bevor sie nach New York geflogen werden. «Dies führt zu einer weiteren Dislokation, da die ‹richtigen› Barren für die Comex derzeit nur begrenzt verfügbar sind.»

Daten des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) zeigen, dass die Goldimporte aus Grossbritannien in die Schweiz sich bereits im November und Dezember verzigfacht haben. Gleichzeitig sind auch die Exporte aus der Schweiz in die USA bis auf das Zehnfache gestiegen.

«Argor-Heraeus hat im Dezember und im Januar signifikante Mengen an Goldkilobarren für Kunden hergestellt, die der Denomination für die Comex entsprechen», bestätigt Kolvenbach. Die markant erhöhte Nachfrage nach diesem Produkttyp halte an und liege deutlich über dem langjährigen Durchschnitt.

Und was ist mit Silber?

Und Silber, dessen Markt viel enger ist? Der Preis ist 2025 um 3% auf 32.23 $ pro Unze gestiegen, liegt damit aber immer noch unter dem Niveau vom Oktober, während die Androhung von Zöllen gegen Mexiko, den weltweit grössten Silberproduzenten, weiterhin im Raum steht.

Und wenn Futures-Käufer wegen möglicher Zölle auf Silber in London die physische Lieferung des Metalls verlangen, geraten die Short-Positionen an der Comex unter Druck.

Während die Short-Positionen bei Gold-Futures bereits im letzten Jahr abgebaut wurden und sich nun auf einem relativ niedrigen Niveau befinden, sind die Short-Positionen bei Silber im letzten Jahr gestiegen und bewegen sich im Durchschnitt der letzten fünfzehn Jahre.

«Es ist durchaus möglich, dass es zu einer Short-Covering-Rally kommt, wenn sich die Short-Positionen durch die Zölle tatsächlich 10, 15 oder 20% verteuern», sagt UBS-Analyst Staunovo.

Anscheinend gibt es derzeit Investoren mit ungedeckten Leerverkäufen, die Zweifel an der Verfügbarkeit von physischem Silber vermeiden wollen. Da sie an der Terminbörse Spuren hinterlassen, wenden sie sich wahrscheinlich an den Sponsor des grössten Silber-ETF (SLV), um Material aus seinen Beständen zu erhalten.

«Silber ist massiv unterbewertet im Vergleich zu Gold. Deshalb beobachten wir die physische Verknappung von Gold mit grosser Spannung», sagt Urs Gmür, Manager des Metals Exploration Fund bei Active Niche Funds. Sollte der Funke von Gold auf Silber überspringen, könnte die Rally erst richtig beginnen – der historische Höchststand von 50 $ je Unze (1980 und 2011) wäre schnell erreicht.

Daten der LBMA deuten darauf hin, dass auch der Silbermarkt in Bewegung ist: Im Januar sank der Bestand in den Londoner Tresoren 8,6% auf 23’528 Tonnen. Gleichzeitig verzeichneten die New Yorker Tresore der Comex einen sprunghaften Anstieg der Bestände.

Silber, das das fünfte Jahr in Folge ein Angebotsdefizit aufweist, würde bei Einführung von Zöllen noch schneller steigen als Gold, argumentiert Gmür. Der Nominalwert aller offenen Silber-Futures sei im Verhältnis zur Jahresproduktion höher als bei jeder anderen Rohstoffklasse.

Die entscheidende Frage: Wer sind die Goldkäufer?

Die gängige Interpretation ist, dass das in London gelagerte Gold in Zukunft zollpflichtig werden könnte – dabei ist der Prägungsort der Goldbarren und nicht der Lagerungsort ausschlaggebend. Aus diesem Grund werden die Futures nicht gerollt, sondern physisch gekauft.

Für Gmür ist damit aber die entscheidende Frage noch nicht beantwortet: «Wer hat zwischen dem 1. Januar und dem 3. Februar physisches Gold im Wert von 18 Mrd. $ erworben?»

Darüber kann man nur spekulieren. Privatanleger scheiden aus. Übrig bleiben Bullion-Banken, das US-Finanzministerium, internationale Organisationen wie die Weltbank oder vermögende, gut informierte Anleger.

Der Käufer von physischem Gold verfolgt langfristige Ziele. Es geht weniger um den kurzfristigen Gewinn als um Sicherheit: kein Gegenparteirisiko, hohe Wertdichte und leichte Transportierbarkeit. «Die massiven Goldkäufe haben deshalb wenig mit positiven Preisaussichten zu tun – dafür gibt es Futures oder ETF», argumentiert Gmür.

Spekulationen über eine Neubewertung der US-Goldreserven

In den letzten Tagen berichtete die «Financial Times» über eine neue, eigentlich undenkbare Erklärung: Einige Hedge-Funds-Kollegen von US-Finanzminister Scott Bessent spekulieren auf eine Neubewertung der US-Goldreserven.

Diese werden in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung derzeit mit nur 42 $ pro Unze bewertet. Experten schätzen, dass eine Neubewertung zum Marktpreis von 2800 $ pro Unze über ein Rückkaufabkommen rund 800 Mrd. $ in die Staatskassen spülen könnte – und damit die Notwendigkeit, neue Staatsanleihen auszugeben, verringern würde.

In der vergangenen Woche kündigte Bessent an, «die Aktivseite der Bilanz zu monetarisieren» und gleichzeitig die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen zu senken. Eine Neubewertung zu Marktpreisen würde die Bilanz automatisch verbessern – ein Effekt, der durch steigende Goldpreise, die die US-Regierung unter anderem mit Zöllen ebenfalls beeinflussen kann, noch verstärkt wird.

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