Mittwoch, Oktober 2

Der Goldpreis befindet sich nach der kräftigen Rally in einer Phase der Konsolidierung. Die Perspektiven für das Edelmetall sind aber weiterhin glänzend. Noch wird das Potenzial vom Markt weit unterschätzt.

«Futures-Preise auf Gold erreichten ein neues Allzeithoch, gestützt durch geopolitische Spannungen, Hoffnungen auf eine Lockerung der Geldpolitik, Wirtschaftsprobleme in China, Goldkäufe der Zentralbanken und den Programmhandel … Der wichtigste Treiber sei die Geldpolitik der US-Notenbank gewesen, wobei steigende Hoffnungen auf Zinssenkungen in den USA den Anstieg des Goldpreises angeheizt hätten, so Analysten der Bank ING.»

Zitat aus dem «Wall Street Journal»

Im März 2020 feuerte das Federal Reserve unter Jerome Powell sein geldpolitisches Arsenal auf ein neues Virus ab, um die Wirtschaft während der Covid-Pandemie zu stützen. Dadurch blähte die US-Notenbank ihre Bilanz um 68% auf. Der Goldpreis reagierte darauf, indem er innerhalb von fünf Monaten 29% auf 2067 $ pro Unze stieg.

Dann kam die Notierung des Edelmetalls für die nächsten dreieinhalb Jahre unter Druck. Dies, trotz eines gigantischen US-Konjunkturpakets, das sich letztlich auf 6 Bio. $ belaufen sollte, einer offiziellen Preisinflation von 9%, der Invasion Russlands in der Ukraine, der höchsten Zinsen seit 2007, einer aufkeimenden Bankenkrise und explodierender Zinskosten des amerikanischen Staats.

Und dann plötzlich, innerhalb von nur sieben Wochen, preschte der Goldpreis kürzlich um mehr als 15% auf annähernd 2400 $ pro Unze vor.

Was sind die Gründe für die jüngsten Avancen?

Inzwischen hat zwar eine gewisse Konsolidierung stattgefunden. Der rasante Anstieg hat viele Marktteilnehmer aber überrascht. Als Ursache dafür werden verschiedene Faktoren genannt:

Die Kehrtwende des Fed: Zu Beginn des Jahres erwarteten Investoren, dass die US-Notenbank den Leitzins 2024 in sechs Schritten senken würde. Trotz der Beteuerungen von Fed-Präsident Jerome Powell, die Geldpolitik zu locker, können die Börsen jetzt froh sein, wenn sie nur schon eine Zinssenkung erhalten. Obschon man den Leichtsinn und die Verantwortungslosigkeit der Zentralbanker nie unterschätzen sollte, spielt dieser Faktor wahrscheinlich aber eine nicht allzu grosse Rolle, zumindest nicht kurz- bis mittelfristig.

Hartnäckige Preisinflation: Trotz all seiner Fehler ist der Index zu den Verbraucherpreisen (Consumer Price Index, CPI) das offizielle Bewertungsmass der US-Regierung zur Preisinflation. Eine jährliche Rate von 2% wird von den Behörden als akzeptabel, ja sogar als wünschenswert erachtet. Mitte 2022 war der CPI im Jahresvergleich 9% gestiegen, im Juni vergangenen Jahres aber ist die Veränderung auf 3% zurückgefallen. Die Börsen, die kein Problem damit haben, gute Nachrichten zu extrapolieren, freuten sich auf die Rückkehr einer lockeren Geldpolitik. Doch nun verhalten sich die Daten nicht kooperativ. Die Inflationsrate für März ist auf unerwartet hohen 3,5% zu liegen gekommen. Der CRB-Index zu den Rohstoffpreisen ist seit Jahresbeginn rund 13% gestiegen.

Goldkäufe der Zentralbanken: «Zentralbanken rund um den Globus (vor allem aber im Osten) bauen ihre Dollarreserven ab und kaufen Gold im Rekordtempo», schreibt Fred Hickey, Herausgeber des «The High-Tech Strategist». Weil die US-Regierung den Dollar als Waffe missbraucht, sehen sie sich dringend zum Handeln veranlasst. Massgeblich dazu beigetragen hat der Entscheid westlicher Behörden, russische Staatsvermögen im Wert von 300 Mrd. $ einzufrieren, nachdem Wladimir Putin im Februar 2022 mit russischen Truppen die Ukraine angriff.

Chinas Flucht in einen sicheren Hafen: Chinesische Anleger suchen mit Blick auf den Kollaps des heimischen Immobilien- und Aktienmarktes in Gold und Geldmarktfonds Zuflucht.

Krieg im Gazastreifen: Nach der Hamas-Attacke eröffneten israelische Streitkräfte am 29. Februar das Feuer auf eine Menschenmenge, die einen humanitären Hilfskonvoi bedrängte, und töteten dabei über hundert Palästinenser. Das war ein wichtiger Auslöser für die derzeitige Rally des Goldpreises. Die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts im Nahen Osten ist zweifellos ein bedeutender Faktor.

Sicherer als US-Staatsanleihen

«Gold», sagt Jim Grant, Herausgeber des «Grant’s Interest Rate Observer», «ist nicht so sehr eine Absicherung gegen Inflation als vielmehr eine Investition in monetäres Chaos». Chaos ist die unglückliche Konsequenz, wenn Geld aus dünner Luft geschaffen wird, beim verzweifelten Versuch von Regierungen, mehr auszugeben als sie einnehmen. Ausgaben für Krieg und Luxus sowie die Zustimmung der Bevölkerung, mit dieser Politik weiterzumachen, sind der Ursprung aller Experimente mit Fiat-Geld – in der Vergangenheit und Gegenwart.

Die Flutwelle extravaganter Staatsausgaben als Reaktion auf die Covid-Pandemie begann unter der Trump-Regierung und setzte sich unter dem jetzigen Präsidenten Joe Biden fort. Dass beide Männer, die das Rentenalter längst erreicht haben, bei den US-Präsidentschaftswahlen darum wetteifern, die amerikanischen Staatsfinanzen weiter auszupressen, ist den «Goldkäfern» nicht entgangen. Sparsamkeit steht nicht auf dem Wahlzettel.

Seit dem Beginn der Covid-Krise haben Anleger, die ihr Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten setzten, mit US-Anleihen einen Kaufkraftverlust von 52% hinnehmen müssen. Wer hingegen in Gold investierte, hat inflationsbereinigt 23% gewonnen, obschon das Edelmetall keinen einzigen Cent Zins zahlt.

Fazit: Gold muss nicht mehr mit amerikanischen Staatsanleihen um den Status eines sicheren Hafens konkurrieren.

Unbeliebt und unterschätzt

Eine weitere bemerkenswerte Entwicklung: Während die Leute in Asien entschlossen Gold kaufen, sind die westlichen Anleger zu sehr vom Hype um das Thema generative künstliche Intelligenz abgelenkt, um die aufziehenden Sturmwolken zu bemerken, die das Element mit der Ordnungszahl 79 im Periodensystem in neue Höhen treiben werden.

Laut Hickey hielten Investoren «1278 Tonnen Gold im amerikanischen Gold-ETF GLD, als der Goldpreis im Herbst 2020 den damaligen Höchststand erreichte … Heute hält der GLD-ETF nur noch 827 Tonnen (450 Tonnen oder 35% weniger als 2020). Der zweitgrösste Gold-ETF (IAU) verzeichnete ähnliche Abflüsse.»

Trotz der jüngsten Rally ist von wilder Spekulation im Edelmetallsektor also weiterhin wenig zu sehen. Goldminenaktien, die an den Goldpreis gekoppelt sind, hinken hinterher, während Silber, das «Gold des armen Mannes», erst langsam in Schwung kommt. Trotz der vorteilhaften Eigenschaften als Instrument zur Diversifikation und als Versicherungspolice im Portfolio wird Gold unterschätzt und ist unterbewertet.

Nach Angaben der Research-Abteilung von Bank of America empfehlen 71% der Anlageberater eine Portfolioallokation von lediglich 1% oder weniger in Gold. Eine kürzlich von JPMorgan durchgeführte Umfrage zeigt, dass die Kunden der US-Grossbank im Durchschnitt einen Preis von nur 2170 $ pro Unze Gold zur Jahresmitte erwarten.

Ein altes Trader-Sprichwort besagt: «Wette nie mit Leerverkäufen gegen einen langweiligen Markt». Im Fall von Gold gilt zudem: Verpasse niemals einen Zug, der den Bahnhof verlässt, wenn viele Sitze noch leer sind.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus «The Coffee Can Portfolio», einem Investmentbulletin, das der Verfasser in loser Folge publiziert. Für professionelle Investoren wird das Portfolio nun auch als Fonds aufgelegt.

Kevin Duffy

Kevin Duffy ist ein schlachterprobter Contrarian-Investor. Seine Ansicht zu den Märkten und praktische Ideen für Investments teilt er in seinem sporadisch erscheinenden Newsletter «The Coffee Can Portfolio» sowie auf dem Blog «Notable and Quotable». Duffy ist Mitbegründer des 2002 lancierten Hedge Funds Bearing Asset Management. Er war ein scharfer Kritiker der Vorgänge, die zur Kreditblase von 2007 führten, und hatte erfolgreich gegen Aktien von Firmen wie Countrywide Financial und Bear Stearns gewettet. Zuvor war Duffy Mitbegründer von Lighthouse Capital Management und leitete dort von 1988 bis 1999 das Research-Team. Während seiner Karriere befasste er sich eingehend mit den Exzessen der Japan- und Technologieblasen der späten Achtziger- und Neunzigerjahre. Duffy ist Anhänger der österreichischen Wirtschaftsschule. Seine erste Aktie kaufte er im Alter von dreizehn Jahren.
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