Freitag, Oktober 18

Die Direktorin des Bundesamts für Polizei, Nicoletta della Valle, bekommt eine Abgangsentschädigung. Der Grund ist unklar, der Zeitpunkt brisant.

Einem üppigen Abschiedsapéro sollte nichts im Wege stehen. Nicoletta della Valle, abtretende Chefin des Bundesamts für Polizei (Fedpol), wird eine Abgangsentschädigung erhalten, die sich sehen lässt: total 340 000 Franken, bestehend aus einem Jahreslohn plus Ortszuschlag. Dies geht aus der offiziellen Vereinbarung zwischen della Valle und ihrem Chef, Bundesrat Beat Jans, hervor. Sein Departement musste das Papier offenlegen, nachdem der «Sonntags-Blick» mit Verweis auf das Öffentlichkeitsprinzip Einsicht verlangt hatte. Als der Bundesrat Ende April über den Rücktritt informierte, war von einer Entschädigung keine Rede.

Seltsam ist nicht die Verschwiegenheit, die in solchen Fällen normal ist. Zu reden gibt die Entschädigung aus anderen Gründen: Weshalb erhält die Fedpol-Chefin eine Abgangsentschädigung, obwohl sie offiziell in Frieden geht? Wieso beschliesst der Bundesrat auf Antrag von Jans sogar eine Zahlung in Höhe des gesetzlichen Maximums, obwohl es offenbar kein Zerwürfnis gibt, das eine Trennung unausweichlich erscheinen liesse?

In der Mitteilung Ende April war von einem Rücktritt die Rede, nicht von einer Trennung oder einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses, wie das in Streitfällen die Regel ist. Überdies lobte der Bundesrat della Valles Arbeit in den höchsten Tönen. Er liess es nicht beim üblichen Dank bewenden, sondern betonte auch ihr «unermüdliches Engagement» und ihren «herausragenden Beitrag zur Bekämpfung von Schwerstkriminalität». Der Zeitplan deutet ebenso wenig auf einen abrupten Abgang im Zorn hin. Della Valle wird den Bundesdienst Ende Januar 2025 verlassen, im Alter von dannzumal 63 Jahren.

Jans freut sich auf weitere Zusammenarbeit

Auch dann noch, als der «Sonntags-Blick» über die Entschädigung berichtete, beteuerte Bundesrat Jans die friedlichen Umstände. Er liess ausrichten, er freue sich auf die noch verbleibende Zusammenarbeit mit Nicoletta della Valle. Weshalb dann also die Zahlung zum Abgang? Welchen Sinn hat sie in einer solchen Konstellation?

Das Departement Jans wollte auf diese Fragen nicht konkret eingehen. Stattdessen gibt es lediglich eine allgemeine Antwort: Die Abgangsentschädigung entspreche dem rechtlich vorgesehenen Rahmen bei einvernehmlichen Auflösungen des Arbeitsverhältnisses. Frei übersetzt: Die Zahlung ist legal. Die Gründe bleiben trotzdem unklar.

Beim Bund sind Abgangsentschädigungen nicht nur dann möglich, wenn ein Angestellter unverschuldet die Kündigung erhält, sondern auch bei einer Trennung im gegenseitigen Einvernehmen. Dies gilt vor allem für Spitzenkader wie Staatssekretäre, Amtsdirektorinnen oder höhere Stabsoffiziere – wobei der Spielraum recht gross ist, haben in Einzelfällen doch auch «weitere höhere Kaderangehörige» die Chance, maximal einen Jahreslohn obendrauf zu erhalten.

Ständerat debattiert über Verbot

Aber nur weil eine Entschädigung rechtlich möglich ist, heisst das noch lange nicht, dass sie tatsächlich gewährt werden muss. Dass der Fall der Fedpol-Chefin gerade jetzt publik wird, ist politisch brisant. Ausgerechnet nächste Woche diskutiert der Ständerat ein generelles Verbot von Abgangsentschädigungen an Topkader der Verwaltung und der bundesnahen Betriebe wie SBB oder Post. Die Forderung geht auf den früheren Ständerat Thomas Minder zurück, den Urheber der Abzocker-Initiative, der «goldene Fallschirme» auch in der Privatwirtschaft vehement bekämpft hatte.

Im Bundeshaus ist Minder mit seiner Skepsis nicht allein. Die zuständigen Parlamentskommissionen haben bereits einmal im Grundsatz beschlossen, Abgangsentschädigungen beim Bund zu untersagen. Das war vor sechs Jahren. Als es dann aber um die konkrete Umsetzung des Verbots ging, fand sich keine Formulierung, die im Parlament mehrheitsfähig war.

Das ist ganz im Sinne des Bundesrats. Er hat stets argumentiert, Abgangsentschädigungen müssten zwar «massvoll» eingesetzt werden, könnten «situativ» aber angebracht sein. Damit fand er im Parlament eine Mehrheit, und daran dürfte sich auch nächste Woche nichts ändern. Die zuständige Kommission des Ständerats lehnt Minders Vorschlag mit sieben zu drei Stimmen ab. Unterstützt wird er von Vertretern der SVP und der FDP. Als Sprecherin der Kommission agiert die Mitte-Ständerätin Heidi Z’graggen, und sie ist auch nach Bekanntwerden der Zahlung an die Fedpol-Chefin gegen ein allgemeines Verbot, wie sie auf Nachfrage erklärt.

«Nur» ein halber Jahreslohn

Somit dürfte es weitergehen wie bisher. Seit 2014 bewegte sich die Zahl der Abgangsentschädigungen in der Bundesverwaltung zwischen 15 und 63 pro Jahr. Ausbezahlt wurden durchschnittlich 2,3 Millionen Franken pro Jahr.

Der jüngste Fall, der für Aufsehen sorgte, ereignete sich vor einem Jahr: Als Bundesrätin Karin Keller-Sutter das Finanzdepartement übernahm, wurde von Anfang an spekuliert, dass sie sich vom umstrittenen Chef der Zollverwaltung, Christian Bock, trennen dürfte. So war es dann auch, er erhielt zum Abschied ebenfalls einen Jahreslohn, aber deutlich weniger Lobesworte als die Fedpol-Chefin. Die Amtsleitung übernahm per sofort eine Interimschefin. Das ist der klassische Fall: Man beendet einen Konflikt mithilfe von Geld.

So war es auch in jenem berühmten Fall von 2008, in welchem der Bund erstmals öffentlich über Abgangsentschädigungen Rechenschaft ablegen musste. Dass die neu gewählte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf im Justizdepartement nicht mit den Vertrauten von Christoph Blocher zusammenarbeiten mochte – und diese wohl auch nicht mit ihr –, hat niemanden erstaunt. Unerwartet waren hingegen die Folgen: Ein Journalist von «La Liberté» verlangte Akteneinsicht, ging bis vor Bundesgericht und bekam recht.

Wirklich überraschend aber ist angesichts der heutigen Zahlungsfreudigkeit des Bundesrats der Umstand, dass sich einer der damals Geschassten mit «nur» einem halben Jahreslohn abfinden musste.

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