Sonntag, Oktober 6

Finanzdepartement und Nationalbank stehen vor einem Rätsel. Rund eine Milliarde Franken aus der Banknotenserie von 1976 sind wohl auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Das löst eine lukrative Verteilaktion aus.

Wer die Wohnung eines verstorbenen Angehörigen räumen muss, steht in vielen Fällen vor einer unangenehmen Aufgabe. Immerhin kann das Ganze mit einer gewissen Spannung verbunden sein. Vielleicht hat Onkel Alois ja noch Bargeld unter der Matratze oder hinter dem Küchenschrank versteckt. Meist wird diese Hoffnung jedoch enttäuscht. Aber auch wenn die alten Scheine für immer verschwunden bleiben, werden sie bald für einen Geldsegen sorgen.

Stichtag ist der 30. April 2025. Dann wird es nämlich 25 Jahre her sein, seit die Nationalbank die Werte der sechsten Banknotenserie zurückgerufen hat. Auf der Vorderseite der 1976 herausgegebenen Banknoten sind Persönlichkeiten wie der Mathematiker Leonhard Euler (10 Franken) oder der Architekt Francesco Borromini (100 Franken) abgebildet. Dem Zeitgeist entsprechend handelte es sich fünf Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts ausschliesslich um Männer.

Fast 80 Franken pro Einwohner

Wenn es um (verschwundenes) Geld geht, verstehen die Schweizer keinen Spass. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) führt deshalb eine tagesaktuelle Statistik, wie viele der alten Banknoten seit dem 1. Mai 2000 noch nicht eingetauscht worden sind. Die Zahlen bestätigen das Klischee, dass in der Schweiz erstaunlich viel Geld herumliegt. Die Nationalbank schätzt, dass Ende April 2025 noch rund 1 Milliarde Franken in Form von alten Banknoten fehlen wird.

25 Jahre nach dem Rückruf steht nun ein weiterer wichtiger Termin an. Am 30. April 2025 wird der Geldwert der bis dahin nicht zurückgegebenen Scheine zurückbezahlt. Wer wie viel erhält, ist gesetzlich geregelt: 10 Prozent verbleiben bei der SNB. Damit soll sie ihrer unbefristeten Umtauschpflicht nachkommen können. Vom Rest gehen 20 Prozent an den Schweizerischen Fonds für Hilfe bei nicht versicherbaren Elementarschäden. Der verbleibende Teil geht zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone. Die Verteilung auf die Kantone erfolgt proportional zur Wohnbevölkerung.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat im Voranschlag 2025 236 Millionen Franken für den Notenumtausch budgetiert. Die Kantone können mit gut 470 Millionen Franken rechnen. Umgerechnet auf jede Einwohnerin und jeden Einwohner sind das knapp 80 Franken. Die genaue Summe wird die Nationalbank erst am 30. April 2025 kennen.

Den unerwarteten Geldsegen haben die Bürger dem Parlament zu verdanken. Ursprünglich wollte der Bundesrat die verschwundenen Banknoten nicht zurückerstatten und das Geld ausschliesslich der SNB zukommen lassen. National- und Ständerat einigten sich schliesslich auf einen Kompromiss, von dem alle profitieren.

«Es ist nicht anzunehmen, dass die Kantone ein solches Angebot ausschlagen würden», erklärte der Bündner Ständerat Stefan Engler 2018 in der Ratsdebatte. Er sollte recht behalten. Geld kann man schliesslich immer brauchen und angesichts der sich abzeichnenden Defizite in den Kassen des Bundes und vieler Kantone derzeit erst recht.

Für den Bund sind die erwarteten 236 Millionen Franken angesichts eines Budgets von fast 86 Milliarden Franken ein Klacks. Auch grössere Kantone werden den kleinen Zustupf kaum merken. Für kleinere Kantone können die alten Banknoten die Rechnung jedoch ordentlich aufbessern. So etwa im Kanton Uri. Dieser leidet darunter, dass die am Gotthard produzierte Wasserkraft weniger abwirft als in den Vorjahren. Diese Einnahmenausfälle können jedoch unter anderem mit dem «im nächsten Jahr anstehenden Notenumtausch der Nationalbank kompensiert werden», schreibt der Regierungsrat in einer Mitteilung.

Der Banknotenumlauf ist übrigens nicht mehr durch Gold gedeckt. Diese Bestimmung wurde im Jahr 2004 aufgehoben. Vielmehr ist diese Position durch die Aktiven in der Bilanz der SNB gedeckt.

Doch eine Frage bleibt. Wo sind die Banknoten im Wert von fast einer Milliarde Franken geblieben? In der Vergangenheit wurden jeweils 150 bis 200 Millionen Franken nicht eingelöst, wenn die entsprechende Banknotenserie ungültig wurde. Selbst der ehemalige Finanzminister Ueli Maurer steht vor einem Rätsel.

Umtausch weiter möglich

«Viele Banknoten sind vielleicht als Souvenir von einer Reise in die Schweiz irgendwo im Ausland gelandet, und man will sie nicht zurückgeben. Andere Noten sind vielleicht verlorengegangen, zerstört oder beschädigt worden», erklärte Maurer 2019 im Nationalrat. Wie es aber zu der Milliardensumme gekommen war, konnte das Finanzdepartement nicht sagen. Auch die Schweizerische Nationalbank hat gemäss einem Sprecher «keine Kenntnisse, wo sich die ausgegebenen Banknoten befinden».

Wer nach dem 30. April 2025 einen Borromini oder einen Euler findet, muss sich nicht ärgern. Auch wenn das Geld schon verteilt ist, können die alten Geldscheine noch unbegrenzt umgetauscht werden. Das ist nicht selbstverständlich. Bis zur sechsten Banknotenserie verloren die alten Banknoten nach 20 Jahren ihre Gültigkeit. Das Parlament hat diese Regelung 2019 aufgehoben.

Bis zur nächsten Auszahlung wird noch einige Zeit vergehen. Im Jahr 2046 steht der Notenumtausch der achten Serie an. Auch sie wird vorwiegend von Männern geziert sowie von der Malerin und Plastikerin Sophie Taeuber-Arp. Die Geldscheine dieser Serie wurden per 30. April 2023 zurückgerufen. Die siebte Serie war eine Reserveserie und wurde nie herausgegeben.

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