Freitag, Oktober 4

Nachdem sich die Stimmbevölkerung im Kanton gegen die Idee gestellt hat, plant der Stadtzürcher Sozialvorsteher nun den Alleingang. Die SVP ist empört.

Keine zwei Wochen hat sich Raphael Golta Zeit gelassen. Am vorletzten Sonntag hat der Kanton Zürich mit 54 Prozent klar Nein gesagt zu einer Änderung im Stipendienwesen: Vorläufig aufgenommene Ausländer sollen weiterhin fünf Jahre warten müssen, bis sie sich um staatliche Ausbildungsbeiträge bewerben dürfen. So lautete das klare Verdikt der kantonalen Stimmbevölkerung.

Doch der Stadtzürcher Sozialvorsteher hält wenig von diesem Volksentscheid. Wie Golta den Tamedia-Zeitungen in einem Interview erzählt, prüft er nun auf eigene Faust eine städtische Lösung.

Die Stadt Zürich hat die angestrebte Änderung im Bildungsgesetz mit knapp 65 Prozent angenommen. Golta sieht das als Auftrag. «Ich will die städtischen Stipendien auch für vorläufig Aufgenommene zugänglich machen», sagt der SP-Mann. Das deutliche Ja in der Stadt sei die politische Legitimation dafür. «Wir hätten eine kantonale Lösung bevorzugt, aber die kommt jetzt halt nicht.» Schon heute unterhält die Stadt ein eigenes Stipendiensystem, welches das kantonale ergänzt. Dieses will Golta nun ausbauen.

Referendum ist wahrscheinlich

In der Stadt Zürich gibt es rund 750 vorläufig Aufgenommene, also Asylbewerber, die einen negativen Entscheid erhalten haben, die aber nicht ausgeschafft werden können. Golta schätzt, dass am Ende rund fünfzig Personen für die städtischen Stipendien infrage kommen. «Wir rechnen mit jährlichen Ausgaben von 500 000 bis 800 000 Franken», sagt er im Interview. Gemessen am Gesamtbudget von 8 Millionen Franken im städtischen Stipendienbereich sei das ein «sehr kleiner Anteil».

Dass er mit seinem Vorgehen einen kantonalen Volksentscheid unterläuft, sieht der Sozialdemokrat nicht als problematisch. Das Flüchtlingswesen sei im Kanton Zürich in weiten Teilen kommunal geregelt. Es sei nicht ungewöhnlich, dass eine untergeordnete Ebene eigene Massnahmen ergreife – «wenn sie sie selber bezahlt».

Golta arbeitet nun an einer Änderung der Stipendienverordnung. Im ersten Halbjahr 2025 soll sie ins Stadtparlament kommen. Ein Referendum ist möglich – und sehr wahrscheinlich.

Die SVP, die sich schon auf kantonaler Ebene gegen eine Änderung gewehrt hat, wird dies wohl auch in der Stadt tun. Die SVP-Co-Präsidentin Susanne Brunner sagt auf Anfrage: «Wir werden prüfen, ob wir Goltas Pläne auf politischen wie auch juristischem Wege stoppen können.» Es stelle sich die Frage, ob das Vorgehen des Sozialvorstehers rechtlich überhaupt haltbar sei.

Golta wolle sich über einen demokratischen Volksentscheid hinwegsetzen, kritisiert Brunner. «Das ist höchst undemokratisch.» Die Stadt Zürich sei Teil des Kantons Zürich, sie könne sich nicht über kantonale Gesetze oder Volksentscheide stellen. «Würden sich alle Gemeinden so verhalten wie die Stadt, würde im Kanton Zürich anarchisches Chaos herrschen.»

Anrollender Wahlkampf

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Raphael Golta mit eigenwilligen sozialpolitischen Aktionen ins Gespräch bringt. Zuvor schlug er schon eine «Basishilfe» für Sans-Papiers vor sowie eine Heizkostenzulage und ÖV-Gutscheine für Einkommensschwache. Eine linke Zeitung attestierte ihm gar, «die aufregendste Sozialpolitik der Schweiz» zu betreiben.

Goltas neuster Streich könnte auch mit dem anrollenden Wahlkampf in der Stadt Zürich zu tun haben. Dem SP-Mann werden Ambitionen auf die Nachfolge der Langzeit-Stadtpräsidentin Corine Mauch nachgesagt – sollte sie denn im Frühjahr 2026 zurücktreten.

Darauf angesprochen meint Golta: «Mit dieser Frage beschäftige ich mich derzeit nicht.» Er sei Exekutivpolitiker aus Leidenschaft und wolle in Zukunft weiter mitgestalten. «In welcher Funktion, werde ich zu gegebener Zeit entscheiden.»

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