Donnerstag, März 6

Die spanische Küche steht in Zürichs Trendgastronomie nicht sehr hoch im Kurs. Gerade deshalb ist ein Besuch dieses Lokals wohltuend.

Der Zürcher Milchbuck samt Tunnel und Traminsel mit gleichem Namen gilt weder städtebaulich noch gastronomisch als Höhenflug. Eingeklemmt zwischen gehobenen Wohnlagen des Kreises 6 und Zürich Nord, das manche schon fast zur Agglomeration zählen, mangelt es dem Gebiet rund um den Irchelpark und den Universitätscampus an eigener Identität.

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Die wenigen Restaurants in der Nähe sind gekommen wie das italienisch inspirierte «Anna», das ich vor Jahresfrist hier wärmstens empfahl, und gegangen wie der chinesische Familienbetrieb «Kwang Chow» nach fast vier Jahrzehnten. Geblieben ist aber in einer unscheinbaren Ecke das «Gonzalez», und zwar seit über dreissig Jahren. Der Name dieses spanischen Gasthauses erinnerte mich schon immer an Speedy Gonzales, als «schnellste Maus von Mexiko» ein Trickfilmheld meiner Kindheit, stammt aber von den Gründern: Emilio und Rosmarie González-Güntensberger, die uns beim letzten Besuch vor zehn Jahren noch empfingen, wirteten über zwei Jahrzehnte lang hier.

Seither erfuhr das Lokal diverse Pächterwechsel, kurz nach Beginn der Corona-Pandemie ging es gar in Liquidation. Doch wie Speedy Gonzales scheint es ein Dauerläufer zu sein, der über mehrere Leben verfügt. Seit bald fünf Jahren hat es neue Besitzer, und sein ursprünglicher Geist lebt weiter, samt den altbewährten Spezialitäten zu leicht gestiegenen Preisen: von den Fleischbällchen Albondigas (Fr. 31.50) über die Seezunge vom Grill (Fr. 58.50) bis zur Paella valenciana (Fr. 49.50).

Der Koch ist noch derselbe wie vor 25 Jahren, wie der freundliche Kellner mit portugiesischen Wurzeln erklärt, der selbst seit 16 Jahren hier arbeitet. Er ist auch für die frischen Bouquets zuständig, die stets zu den Markenzeichen des «Gonzalez» gehörten: Die Tische sind mit stattlichen Rosensträussen und anderen Schnittblumen geschmückt, floralen Botschaftern der Gastfreundlichkeit dieses Orts. Sie schlägt sich in der familiären Atmosphäre und im liebenswürdigen Service nieder, damals wie heute.

Das Lokal setzte von Anfang an auf solide Arbeit statt auf Blendwerk und stellt sich im Internet bescheiden als «das kleine Stück Spanien in Zürich» vor. Es leben knapp halb so viele Menschen mit spanischem Pass in dieser Stadt wie solche mit italienischem, aber immerhin stellen sie die viertgrösste Ausländergruppe. Ihre Kochtraditionen haben die Welt nicht annähernd so umfassend erobert wie die italienischen, in Zürich liegt gerade anderes im Trend. Und doch hält sich eine Reihe von Lokalen, fast alle einst von Galiciern aus der heute autonomen Region im Nordwesten Spaniens gegründet, seit Jahrzehnten in der schnelllebigen Gastrolandschaft.

Dass das «Gonzales» an diesem Donnerstagabend fast leer ist, dürfte an den Sportferien liegen. Sonst laufe es gut, versichert der Kellner, ganz besonders auch über Mittag. Der in den letzten Jahren dezent aufgefrischte, grosse Gastraum verbindet Festlichkeit mit einer Prise Theatralik, dank grossformatigen Schwarz-Weiss-Fotos und Vorhängen, rot wie die Capa des Torero. Sommers lockt eine Terrasse im Innenhof, zu dem ein Durchgang mit Strandszene und Hummer führt (als farbenfrohes Graffito, und winters werden dort in einem kleinen Raucher-Container die feilgebotenen Zigarren geschmaucht.

Zum Apéritif reicht uns die junge Serviceangestellte aus Mallorca Mandeln und Oliven, dazu ordern wir den Vegi-Klassiker Pimientos de Padrón (Fr. 25.50), ehe wir zum Fleisch wechseln. Der Begleiter preist sein mächtiges Kalbskotelett vom Grill (Fr. 61.50) in den höchsten Tönen, ein Mistkratzerli (Fr. 39.50) ist zart, saftig und nicht ganz so kross, aber der Gesamteindruck stimmt; und die als Beilage empfohlenen Patatas bravas (Fr. 9.50) sind Bratkartoffeln, so knusprig wie Pommes-Chips.

Picassos Bonmot, die Kunst wasche uns den Staub des Alltags von der Seele, ziert die Speise- und Dalís Konterfei die Weinkarte. Sie bietet fair kalkulierte Tropfen aus fast allen spanischen Anbauregionen, vom Offenausschank für unter 10 Franken pro Dezi bis zu kostspieligen Raritäten von der legendären Vega Sicilia.

Zum Schluss erweisen wir dem «Milchbuck» – der Flurname stand einst für einen Hügel mit saftigsten Kuhweiden – die Reverenz und ordern Desserts aus Milchprodukten: eine Crema Catalana (Fr. 15.50), deren Kruste eine Spur zu dunkel geraten ist, und einen rundum gelungenen «Cheesecake nach Lust des Chefs», der vielleicht nach Lust des Kellners auf der Rechnung (Fr. 12.50) um einen Franken günstiger erscheint als auf der Karte.

Restaurant Gonzalez, Schaffhauserstrasse 121, 8057 Zürich. Sonntags geschlossen. Telefon 044 361 11 10.

Für diese Kolumne wird unangemeldet und anonym getestet und am Ende die Rechnung stets beglichen. Der Fokus liegt auf Lokalen in Zürich und der Region, mit gelegentlichen Abstechern in andere Landesteile.

Die Sammlung aller NZZ-Restaurantkritiken der letzten fünf Jahre finden Sie hier.

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