Montag, Oktober 21

Kleine modulare Reaktoren sollen künftig helfen, den riesigen Strombedarf der Tech-Giganten zu decken. Noch ist aber weltweit kein einziger dieser Reaktoren auf dem Markt. Deshalb sind die Investitionen der Unternehmen so wichtig.

Drei amerikanische Tech-Konzerne haben in den vergangenen Tagen ein klares Votum für die Kernenergie abgegeben: Microsoft will einen Kernreaktor des Kraftwerks Three Mile Island reaktivieren. Google möchte ab 2030 kleine modulare Kernreaktoren nutzen, um seine Rechenzentren mit Strom zu versorgen, und hat darum sieben solcher Reaktoren bei dem amerikanischen Startup Kairos bestellt. Und Amazon investiert 500 Millionen Dollar in das Unternehmen X-Energy, das ebenfalls in der Zukunft kleine modulare Reaktoren bauen will.

Besonders die Investitionen in die Mini-Reaktoren lassen aufhorchen. Bis anhin liegt China in dem Rennen um diesen Reaktortyp vorne. Dass amerikanische Tech-Konzerne viel Geld in Forschung und Entwicklung pumpen, kann auch Europa einmal nützlich sein, das noch weiter hinterherhinkt als die USA. Solange es noch keine europäischen Reaktoren dieses Typs gibt, könnte man sie dann in den USA bestellen statt in China.

Allerdings: Ob die neue Technologie eines Tages kommerziell konkurrenzfähig sein wird und dann vielleicht einen wertvollen Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasemissionen leisten kann, ist ungewiss. Umso wertvoller ist der Versuch von Google und Amazon, es herauszufinden.

Die Reaktoren sollen günstiger sein und sich schneller bauen lassen

Kleine modulare Reaktoren – «Small Modular Reactors» genannt, kurz SMR – sind deutlich schmächtiger gebaut als herkömmliche Reaktoren. Pro Stück haben sie höchstens eine Leistung von 300 Megawatt, gewöhnliche Reaktoren speisen mindestens doppelt so viel Strom ins Netz ein. Die Investitionskosten sind bei den SMR dadurch aber niedriger, und sie lassen sich schneller bauen.

Ausserdem haben SMR den Vorteil, dass sich ihre Bestandteile fabrikmässig herstellen lassen. Die Serienfertigung soll helfen, die Kosten zu senken. Die modulare Bauweise eröffnet zudem die Chance, massgeschneiderte Anlagen zu konstruieren und nach Bedarf aufzustocken.

Google und Amazon investieren in SMR, weil ihr Strombedarf immer mehr wächst. Die Datenzentren und die KI-Rechenzentren brauchen enorm viel Energie. Die Tech-Unternehmen wollen sich nicht darauf verlassen, dass sie auf dem Markt genug Strom zu akzeptablen Preisen einkaufen können. Ausserdem ist SMR-Strom nahezu CO2-frei, was die Klimaambitionen der Konzerne befriedigt.

Die Tech-Konzerne blasen zur Aufholjagd

Dass die amerikanischen Tech-Riesen so viel Geld in SMR stecken, ist ein Signal zum Aufbruch. In den vergangenen Jahren ist China bei der Kernenergie davongezogen. Ende 2025 oder Anfang 2026 soll der erste chinesische SMR ans Netz gehen. Google und Amazon können jetzt dabei mithelfen, dass der Westen bei der neuen Technologie noch einigermassen mithält.

Es handelt sich freilich um eine Wette auf die Zukunft mit vielen Unbekannten. Noch ist ungewiss, wie teuer SMR sein werden. Es gibt weltweit zwar mehr als 80 Konzepte für die Mini-Reaktoren, aber erst sehr wenige existierende Exemplare. Noch ist kein Modell auf dem Markt. Der Nachweis, dass sich SMR erfolgreich kommerzialisieren lassen, steht noch aus.

Die Probleme bei SMR ähneln denjenigen herkömmlicher Reaktoren. Kritiker der SMR-Technologie äussern Sicherheitsbedenken – von einzelnen kleinen Reaktoren geht allerdings ein etwas geringeres Risiko aus als von den grossen Reaktoren, einfach weil weniger spaltbares Material enthalten ist. Die Problematik der Müllentsorgung ist jedoch vergleichbar. Zudem bleibt auch bei SMR die Versorgung mit Brennstoff anspruchsvoll. Es gibt zwar ausreichend Vorkommen von Uran, aber der Abbau und die Lieferketten müssen sichergestellt werden.

Die Investitionen von Google und Amazon sind wichtig und begrüssenswert. Euphorie ist jedoch fehl am Platz. Dazu sind die Fragezeichen hinter der SMR-Technologie schlicht noch zu gross und zu zahlreich.

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