Sonntag, April 20

Israels Verteidigungsministerium nutzt Cloud-Dienstleistungen von Google und Amazon, womöglich auch für Luftangriffe in Gaza. Empörte Mitarbeiter protestierten dagegen und wurden nun entlassen. Auch in anderen Tech-Konzernen führt der Gaza-Krieg zu internen Verwerfungen.

Darf Google im Krieg im Gazastreifen mitmischen? Dass der Konzern seine Cloud-Dienstleistungen auch der israelischen Regierung verkauft, führt zunehmend zu Spannungen in der Belegschaft. Nach Protesten einiger «Googler» an den Firmensitzen in Sunnyvale, New York und Seattle entliess der Konzern nun 28 Angestellte, die an den Demonstrationen teilgenommen oder diese mitorganisiert hatten.

Kooperation im Umfang von 1,2 Milliarden Dollar

Gegenstand der Spannungen ist das Projekt «Nimbus» – ein Abkommen im Umfang von 1,2 Milliarden Dollar zwischen der israelischen Regierung und zwei der weltgrössten Cloud-Computing-Anbieter, Google und Amazon Web Services. Die Kooperation besteht bereits seit Juli 2021 und ist seitdem immer wieder Gegenstand von Protesten.

Auslöser der jüngsten Demonstrationen war nun ein Bericht des Magazins «Time», gemäss dem Google seine Kooperation im Zuge des Gaza-Krieges jüngst ausgebaut hat. Gemäss internen Dokumenten hat nicht nur die israelische Regierung, sondern konkret auch das israelische Verteidigungsministerium, dem das Militär untersteht, einen eigenen Zugang zu Googles Cloud-Infrastruktur. Zudem habe Google das Verteidigungsministerium beim Ausbau seines Cloud-Zugriffs beraten und für diese Beratung einen reduzierten Betrag in Rechnung gestellt, weil es bereits den bestehenden «Nimbus»-Rahmenvertrag gebe.

Die Recherche legt auch nahe, dass es sein könnte, dass die besagte Cloud-Computing-Infrastruktur dabei hilft, dass künstlich intelligente Systeme des israelischen Militärs die Ziele für Israels Luftangriffe auf Gaza auswählen. Google-Mitarbeiter sagten gegenüber «Time», dass die Firma wenig Kontrolle darüber habe, für welche Zwecke ihre Kunden die Cloud-Infrastruktur konkret einsetzten.

Büro des Chefs von Google Cloud besetzt

Daraufhin protestierten am Dienstag Google-Mitarbeiter während zehn Stunden an den Firmensitzen von Google. Dabei wurde gemäss Google Eigentum beschädigt und wurden andere Mitarbeiter von ihrer Arbeit abgehalten. Die Demonstranten besetzten unter anderem das Büro des CEO der Google-Cloud-Sparte, Thomas Kurian, am Firmensitz in Sunnyvale. Vereinzelt zogen proisraelische Anhänger zu Gegendemonstrationen auf. Polizisten verhafteten neun Demonstranten am späten Abend, weil diese den Firmensitz nicht freiwillig räumen wollten.

Hinter den Protesten steht die Gruppe «No Tech for Apartheid», der mehrere Mitarbeiter von Google und Amazon angehören und die seit drei Jahren immer wieder gegen das Projekt «Nimbus» protestiert.

Die Proteste bei Google sind insofern besonders bemerkenswert, als dass der Konzern mehr als andere Tech-Firmen für seine offene Kultur bekannt ist. Mitarbeiter werden generell dazu ermuntert, Führungskräfte zu kritisieren und ihre ethnische Herkunft und sexuelle Identifikation offen auszuleben. Vielen Google-Mitarbeitern ist der Gedanke zuwider, dass ihr Arbeitgeber über KI beim präzisen Töten helfen könnte. Sie verweisen auf das jahrelange Firmenmotto «Don’t be evil» und den proklamierten Anspruch, Technologie für Gutes zu nutzen, was im Widerspruch zu einer Zusammenarbeit mit dem Militär stehe.

Offenbar steht bei Google jedoch eine Zeitenwende an. Der CEO Sundar Pichai schrieb am Donnerstag in einer E-Mail an die Belegschaft, aus der das «Wall Street Journal» zitierte, dass Googles offene Kultur durchaus wichtig sei – aber ebenso sei es wichtig, sich an die Richtlinien am Arbeitsplatz zu halten. Google sei nicht der Ort, «um über polarisierende Themen zu streiten oder Politik zu diskutieren». Mit Blick auf die gegenwärtigen Entwicklungen in der KI schrieb Pichai, die jetzige Zeit sei für Google zu wichtig, als dass die Firma sich ablenken lassen könne.

2018 gab Google dem Druck der Mitarbeiter beim Projekt «Maven» nach

Proteste gegen Googles Unterstützung für die israelische Regierung lodern seit einiger Zeit immer wieder auf: Nach Unterzeichnung der Kooperation zum Projekt «Nimbus» im Jahr 2021 protestierten Hunderte Mitarbeiter in einem offenen Brief dagegen. Nach Ausbruch des jüngsten Gaza-Krieges versammelten sich Mitte Dezember 2023 mehrere hundert Demonstranten vor Googles Büroräumen in San Francisco und forderten mit Plakaten das Ende von Projekt «Nimbus». Und Google kündigte einem Mitarbeiter, weil dieser im März bei einer Technologiekonferenz in New York den Vortrag eines israelischen Google-Managers mit Protestrufen unterbrochen hatte.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass Kooperationen zwischen Google und dem Militär zu Spannungen mit der Belegschaft führen. 2018 war bekanntgeworden, dass der Konzern das Projekt «Maven» des amerikanischen Militärs unterstützte; dessen Ziel war es, die Drohnentechnologie des Pentagons zu verbessern und mithilfe künstlicher Intelligenz unter anderem Terroristen gezielter mit Drohnen töten zu können. Knapp 4000 Googler forderten den CEO Sundar Pichai damals dazu auf, die Kooperation zu beenden; rund ein Dutzend Mitarbeiter kündigte aus Empörung über die Zusammenarbeit.

Damals gab die Konzernspitze dem Druck schliesslich nach und verlängerte den – durchaus lukrativen – Vertrag mit dem Pentagon nicht. Doch seit 2018 hat sich viel geändert. Diesmal scheint die Konzernspitze gewillt, dem Druck der Belegschaft standzuhalten. In einer konzernweit verschickten E-Mail, aus der das «Wall Street Journal» zitierte, schrieb der für globale Sicherheit zuständige Google-Manager Chris Rackow, die Proteste seien «inakzeptabel, extrem störend» und hätten «Mitarbeitern das Gefühl vermittelt, sie seien bedroht». «Wenn du zu den wenigen gehörst, die denken, wir würden ein derartiges Verhalten, das unsere Firmenrichtlinien verletzt, ignorieren, dann denke noch einmal genau nach.»

Die Gruppe «No Tech for Apartheid» wiederum kritisierte die Entlassungen bei Google als «abscheuliche Form von Vergeltung». Google-Mitarbeiter hätten das Recht, friedlich gegen die Umstände und Bedingungen ihrer Arbeit zu protestieren, hiess es.

Google wiederum hielt am Donnerstag in einer Stellungnahme fest, dass der Vertrag des Projekts «Nimbus» «keine heiklen, streng vertraulichen oder militärischen Inhalte umfasst, welche für Waffen oder die Arbeit von Geheimdiensten» relevant seien.

Auch bei anderen Technologiekonzernen löst der Krieg in Gaza interne Spannungen aus. Rund 400 Angestellte von Apple forderten den CEO Tim Cook und das Management jüngst in einem offenen Brief dazu auf, endlich öffentlich Stellung zum Gaza-Krieg zu nehmen und das Leiden der Palästinenser zu verurteilen. Microsoft wie auch Meta hätten Beiträge von Mitarbeitern in internen Chatforen entfernt, die sich um den Gaza-Krieg drehten, berichtet die «New York Times».

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