Mittwoch, Februar 5
Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


Gastrokritik

Am Sonntag auszuschlafen und erst am Nachmittag ins Restaurant zu gehen, ist in Spanien kein Problem, in Deutschland wie in der Schweiz aber unüblich. Das «Irori» in der Pfalz wagt sich an eine Neuinterpretation des klassischen Sunday Roast.

Manches wirkt so logisch, dass man sich fragt, warum nicht schon andere darauf gekommen sind. Der Late Lunch zum Beispiel, den die Gastronomen Kerstin Bauer und Max Goldberg anbieten. Gemeinsam führen sie das Restaurant Irori in Neustadt-Diedesfeld, im Zentrum der deutschen Region Pfalz, und gemeinsam machen sie einiges anders, als dies in anderen Restaurants der Fall ist.

Sonntags zum Beispiel gibt es kein gewöhnliches Mittagessen, das in Deutschland wie in der Schweiz ja per Definition meist um 12 Uhr zu beginnen hat, sondern eine spät, also um 14 Uhr startende Variante. Welche den doppelten Vorzug hat, dass man ausschlafen kann und sich das Abendessen spart.

Japanische Anspielungen, regionale Zutaten

Das Neun-Gänge-Menu startete mit den sogenannten Sakizuke, den japanischen Einstimmungen, die auf die Begeisterung des Küchenchefs für die japanische Küche entstanden sind. Max Goldberg, der zuvor beispielsweise im Mannheimer Zwei-Sterne-Restaurant Opus V arbeitete, war schon mehrfach auf Entdeckungsreise im Fernen Osten, hütet sich indes vor simplen Kopien der Kollegen in Tokio oder Osaka; stattdessen wird eingelegt und fermentiert.

Der Sauerteigchip mit Peperoni, zart-scharf und herrlich knusprig, gehörte ebenso zu den sehr überzeugenden Einleitungen des Menus wie die eingelegte Essiggurke mit Speck (tolle Kontraste) und das Chawanmushi mit Hecht und Aal, eine fluffig-fette, aber auch enorm dichte Kleinigkeit. Dazu einen Champagner zu wählen, bietet sich an, denn die Weinkarte ist reich an Auswahl und höchst individuell zusammengestellt.

Eine Vielzahl von Zutaten

Schnell merkte ich, dass die Gänge hier fast immer aus einer Vielzahl von Ingredienzien bestehen – fast zu vielen, um sie zu notieren. Die zweijährige Eussertaler Lachsforelle wurde mit einer Crème aus Buddhas Hand (eine Zitronensorte aus lokaler Produktion) sowie einer Vinaigrette von Gurke und Jalapeño abgeschmeckt und war, weil der Fisch von säuerlichen und scharfen Akzenten umspielt wurde, klar den einen Stern wert, den das Restaurant vor wenigen Wochen erhalten hat.

Kaviar aus der Rhön mit Rettich, Ponzu und Tamago gelang fast ebenso gut – auch wenn das japanische Omelett etwas in die geschmackliche Defensive geriet. Die mit Brioche gefüllte Wachtel aus den Vogesen war, nicht zuletzt der oxidierten Pilze wegen, einer der besten Gänge. Aber auch der Pfälzer Spargel mit Lardo, grilliertem Romanasalat und fränkischen Haselnüssen war klug zusammengestellt und liess dem Gemüse Platz. Ein nicht im schriftlichen Menu angegebener Zwischengang aus Spinat, Weisswein, Blätterteig und Seitlingen wirkte zunächst unspektakulär, war aber subtil gewürzt.

Ob man im «Irori» überhaupt Rotwein trinken muss, kann man diskutieren. Der Chardonnay von Johannes Aufricht, eines aufstrebenden Bodenseewinzers, hätte auch zum Fleischgang Nummer zwei gepasst. Mit dem Lamm allerdings, einem schwer zu beissenden Stück, konnte ich wenig anfangen, obwohl die Artischocken vom letzten Jahr stimmig als Beilage platziert wurden.

Um den Käse kümmert sich der wenige Kilometer entfernt beheimatete Affineur Hanns Stähle – und der Mann weiss, was er tut. Selbiges weiss auch die Patisserie des Hauses, die in einem bezüglich Süsse nicht überschiessenden, angenehm fruchtigen und frischen Dessert Feigenblätter, Kaffirlimette, Fenchelblüten und eingelegte Erdbeeren kombinierte.

Ein guter Abschluss zur rechten Zeit

Inzwischen war es fast 18 Uhr. Anderswo gingen die Menschen nun wohl zum Abendessen, hier endete das Menu, wie es begonnen hatte, mit einer japanischen Anspielung. Zu den Mizumono, dem kulinarischen Ausklang, gehörte herrliche, säuerlich-fruchtig umrahmte Brioche feuilleté. Für eine Besichtigung des nahe gelegenen Hambacher Schlosses war es nun zu spät, aber wer nur für ein paar Stunden oder einen Tag in die Pfalz reist, ist ja selbst schuld.

Auf einen Blick

Adresse

Restaurant Irori
Weinstrasse 507
67434 Neustadt-Diedesfeld
Deutschland

Kosten

Das Menu kostet 140 Euro.

Bewertung

Küche: 8/10
Gastkultur: 8.5/10

Anmerkung: Die Bewertungen orientieren sich an der denkbaren Höchstnote von 10 Punkten. Die Note für die Küche betrifft ausschliesslich die Qualität der Speisen, jene für Gastkultur umfasst sämtliche übrigen Aspekte eines Restaurantbesuchs.

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