Donnerstag, April 17

Der SVP-Nationalrat Gregor Rutz kritisiert, die Schweiz lasse abgewiesene Wirtschaftsflüchtlinge, die keinen Schutz nötig hätten, hierbleiben, und fordert eine Verschärfung.

Herr Rutz, Sie wollen das Ausländergesetz verschärfen und mehr vorläufig aufgenommene Asylsuchende zurückschicken. Was hat die SVP gegen Flüchtlinge?

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Die vorläufige Aufnahme ist keine Aufenthaltsbewilligung – dies wissen viele Leute nicht. Vorläufig Aufgenommene haben ein abgelehntes Asylgesuch und wurden rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen. Doch die meisten Rückführungen scheitern, weil sie als «unzumutbar» gelten.

Beispielsweise, weil die Menschen aus Bürgerkriegsländern oder aus Staaten kommen, in denen die Menschenrechte systematisch verletzt werden, etwa aus Afghanistan oder aus der Türkei. Wollen Sie diesen keinen Schutz geben?

Man darf keine Menschen in den Krieg zurückschicken, das ist unbestritten, und das bleibt so. Das Problem ist, dass auch Leute hierbleiben dürfen, bei denen weder Krieg noch Gewalt oder eine medizinische Notlage vorliegen.

Warum dürfen sie dann hierbleiben?

Das Kriterium der Unzumutbarkeit ist im Gesetz nicht klar geregelt und gibt den Behörden enormen Freiraum für Interpretationen. So werden etwa Leute nicht zurückgeschickt, weil sie zu Hause kein stabiles Netz und kein Geld haben oder weil sie als psychisch unstabil gelten.

Wollen Sie damit sagen, dass der Bund Wirtschaftsflüchtlinge hierbehält?

Ja, darauf läuft es hinaus. Die Mehrheit der Menschen, die weltweit vor Kriegen oder Naturkatastrophen flüchten, bleibt im eigenen Land oder geht ins Nachbarland. Über mehrere Kontinente flüchtet man nur, wenn man weiss, dass man dort bleiben kann. Diese Signale sendet Bundesrat Beat Jans aus. Zum Beispiel an die Afghaninnen, welchen der Bund automatisch den Flüchtlingsstatus gegeben hat.

Der Grund ist, dass die Taliban die Grundrechte von Frauen einschränken.

Erstens braucht es trotzdem eine Einzelfallprüfung. Zweitens kann man die Standards der Schweiz nicht auf die ganze Welt übertragen. Es ist nicht Sinn des Asylrechts, alle hierzubehalten, die aus Ländern kommen, in denen die Lebensqualität tiefer ist oder die andere Traditionen haben.

Also sollte man die Tradition, Frauen zu unterdrücken, respektieren?

Natürlich nicht. Es wurde auch keine Frau nach Afghanistan zurückgeschickt. Aber wir können nicht alle Menschen in die Schweiz holen, die aus Ländern kommen, welche die Gleichstellung nicht respektieren. Diese Frauen holen dann ihre Männer in die Schweiz – und dann haben wir das Problem hier. Die öffentliche Sicherheit ist zunehmend gefährdet – schauen Sie nur die Kriminalitätsrate der Afghanen an. Im März hat das Staatssekretariat für Migration seine Aus- und Wegweisungspraxis endlich angepasst und schickt männliche Afghanen wieder zurück, weil die Sicherheitslage im Land sich deutlich verändert hat. Das war überfällig.

Ihr Vorwurf ist erstaunlich. Warum sollten die Behörden ein Interesse daran haben, Flüchtlinge ohne guten Grund hierbleiben zu lassen? Die Asylzentren in den Kantonen und Gemeinden sind überlastet. Und der kritisierte Bundesrat Jans hat den Auftrag, die Asylkosten zu reduzieren.

Die zuständigen Behördenmitglieder scheinen mir weit weg von der Realität. Tatsache ist, dass wir bereits heute eine sehr legere Praxis im Asylwesen haben. Daher darf eine Rückreise nur noch dann als unzumutbar gelten, wenn jemand wegen Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt oder medizinischer Notlage im Herkunftsstaat konkret gefährdet ist. Eine punktuelle, aber wirkungsvolle Anpassung im Gesetz.

Linke Politikerinnen wie Greta Gysin von den Grünen kritisieren unter anderem, dass die Schweiz mit Ihrer Verschärfung Kinder ins Herkunftsland zurückschicken müsste, obwohl sie dort keine Familie haben.

Wenn ein Kind allein da ist, kann man es nicht zurückschicken. Das betrifft aber nicht die Unzumutbarkeit, sondern die Unzulässigkeit. Sie müssen aber auch beachten, dass diese Tatsache ausgenutzt wird. So werden Kinder von ihren Eltern teilweise gezielt vorausgeschickt, damit die Eltern nachreisen können. Oder die Eltern sind sogar bereits illegal im Land. Mir geht es aber um Erwachsene.

Ein grosser Hebel gegen die irreguläre Migration ist das Dublin-System. Die Schweiz hat laut dem Bund zwischen 2009 und heute 40 000 Personen an andere Dublin-Staaten überstellt und nur 12 000 zurücknehmen müssen. Die EU will den Grenzschutz verstärken und hat den Asyl- und Migrationspakt verabschiedet. Doch die SVP ist dagegen. Ein Widerspruch?

Nein – das EU-Asylsystem ist widersprüchlich. Gemäss dem Dubliner Abkommen können Asylbewerber nur in jenem Land ein Gesuch stellen, in welchem sie zuerst eingereist sind. Das heisst: Die Schweiz kann nur auf dem Luftweg als Erstasylland erreicht werden. Daher hätte die Zahl der Gesuche massiv zurückgehen müssen. Dass dies nicht geschehen ist, zeigt, dass die EU-Asylpolitik total versagt hat.

Unter anderem, weil die Länder am Mittelmeer völlig überlastet sind und die Asylsuchenden weiterziehen lassen. Ist es nicht ungerecht, dass Italien oder Griechenland die Hauptlast tragen?

Nein, wir zahlen bereits heute Millionen an den Schutz der Aussengrenzen, der nicht funktioniert. Und jetzt soll mit dem Asyl- und Migrationspakt auch noch ein «Solidaritätsmechanismus» etabliert werden. Dies bedeutet: Die Asylsuchenden werden gleichmässig auf die europäischen Länder verteilt. Das würde die Schweiz noch mehr belasten.

Würde sich ein Ausscheren nicht rächen? Das Vereinigte Königreich war nach dem Brexit mit Tausenden illegal einreisenden Asylsuchenden konfrontiert, die in Booten über den Ärmelkanal kamen.

Die Schweiz muss ihre Hausaufgaben machen. Grenzen schützen, illegale Aufgriffe ahnden, Ausweisungen durchsetzen und Kriminalität konsequent bekämpfen. Dann haben wir Geld und Raum für diejenigen Menschen, die wirklich Schutz und Hilfe nötig haben.

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