Mittwoch, Januar 22

Die Private-Equity-Gesellschaft hilft Unternehmen, sich fitter für die Zukunft zu machen. Ein Fitnessprogramm benötigt auch das stagnierende Deutschland. Der Co-Leiter des Europa-Geschäfts von KKR findet, dass dafür eine Renaissance des Marktes nötig sei.

Das Kürzel KKR steht für die einstigen Gründer Kohlberg, Kravis und Roberts. Die Firma gehört zu den bekanntesten, grössten und mächtigsten Private-Equity-Gesellschaften der Welt. Allein in Europa verwaltet das amerikanische Unternehmen rund 100 Milliarden Dollar. Privatkapitalgeber steigen in Unternehmen ein und helfen ihnen, sich fit zu machen. Das Ziel ist, die Anteile nach fünf bis zehn Jahren wieder mit einem sehr hohen Gewinn zu verkaufen.

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Philipp Freise ist seit 2001 bei KKR tätig und inzwischen Co-Leiter des Europa-Geschäfts. Zuvor arbeitete er für McKinsey und war Mitgründer von Venturepark, dem nach eigener Aussage ersten europäischen Startup-Inkubator. Der 1973 geborene Deutsche begleitete seitdem federführend viele KKR-Investitionen, darunter jene bei Axel Springer, FGS Global, Getyourguide und Scout24 Switzerland.

Herr Freise, was sind in diesem Jahr die grössten Risiken für die Weltwirtschaft?

Der Rückgang der Inflation und der Zinsen war bisher nicht so gradlinig, wie manche erhofft haben. Das dürfte so bleiben. In den USA und Grossbritannien sind die Zinsen seit September sogar um fast einen Prozentpunkt gestiegen, obwohl die Zentralbanken auf Zinssenkungskurs sind. Die hohe Inflation birgt nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Risiken. Zu Recht wird sie als ein Grund für das Erstarken populistischer Parteien gesehen. Weitere Gefahren sind die geopolitischen Risiken und die hohe Staatsverschuldung vieler Länder.

In den USA ist Donald Trump in seine zweite Amtszeit gestartet. Ist er auch ein Risiko?

Für die Finanzmärkte und die Wirtschaft ist es immer gut, wenn Stabilität herrscht. Übergänge bergen Risiken, bieten aber auch Chancen. Trumps Programm – nämlich höhere Zölle, niedrigere Steuern und Deregulierung – ist ja hinlänglich bekannt. Ich würde seine Präsidentschaft nicht als eines der Hauptrisiken bezeichnen.

Mit Trump im Weissen Haus werden Konflikte künftig wahrscheinlich konfrontativer ausgetragen als bisher. Können Sie da noch in China investieren, den grossen geopolitischen Widersacher der USA?

Wir investieren in der ganzen Welt und weiterhin auch in China. Allerdings hat sich das Wirtschaftswachstum in China in den vergangenen Jahren abgeschwächt, was in unsere Überlegungen einfliesst, unabhängig von geopolitischen Faktoren. Sehr interessant finden wir derzeit Japan und Indien, dort herrscht gerade Aufbruchstimmung.

Auch in Europa zeichnen sich in Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Österreich politische Umbrüche ab. Tangiert die Entwicklung das Geschäft von KKR?

Die Turbulenzen betreffen nicht nur Europa, sondern auch Amerika und Asien. In Südkorea ist gerade ein bis vor kurzem amtierender Präsident verhaftet worden. Die hohe politische Unsicherheit ist ein globaler Trend. Unternehmen müssen sich jeweils an das herrschende Umfeld anpassen, und KKR steht Unternehmen dabei als Partner zur Seite.

Wirtschaftlich hinkt Europa zudem den USA weit hinterher.

Der Draghi-Report des früheren EZB-Präsidenten hat gezeigt, dass Europa im Vergleich mit den USA und China noch weiter zurückfällt. Wir sind abhängig von den grossen Technologie-Plattformen der USA und drohen auch im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) den Anschluss zu verlieren. Zudem ist unsere Infrastruktur alt, und wir haben immer noch keinen wirklichen europäischen Binnenmarkt. Wir brauchen in Deutschland und Europa dringend eine Renaissance des Marktes.

Deutschland steckt in der Rezession. Ist das Land wieder der kranke Mann Europas?

Nein. Deutschland erlebt aber eine schwere Strukturkrise und steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Wir haben jedoch weiterhin alles, was wir brauchen, um erfolgreich zu sein – beispielsweise grossartige Forschungsinstitute, tolle Universitäten und gut ausgebildete Fachkräfte. Wir müssen nur auf die sich sehr stark ändernden Rahmenbedingungen reagieren. Der frühere Bundespräsident Roman Herzog hat 1997 treffend gesagt, es müsse ein Ruck durch Deutschland gehen. Das gilt jetzt wieder – auch für Europa insgesamt.

Was empfehlen Sie?

Wir brauchen wieder mehr Innovationen, mehr Kreativität, mehr Markt und mehr Unternehmertum. In der Staatsschuldenkrise hat die Hälfte Europas die deutsche Medizin geschluckt, hat sich also fit gemacht, hat Strukturreformen angepackt und ist liberaler und wettbewerbsfähiger geworden. Andere Länder, zum Beispiel Frankreich, aber auch Deutschland, haben in den vergangenen fünfzehn Jahren weniger Reformen vorgenommen. Gerade Deutschland hat sich auf seinem Erfolg ausgeruht.

Was sind die drängendsten Massnahmen?

Wir benötigen einen signifikanten Bürokratieabbau und eine Deregulierung. Die USA schaffen es immer wieder, sich zu erneuern und aus kleinen Startups mit den Jahren neue Weltkonzerne zu produzieren. In Deutschland ist das in den vergangenen Jahrzehnten neben SAP nur wenigen gelungen. Zudem müssen wir wieder mehr in die Bildung und die Infrastruktur investieren. Die niedrige Verschuldung im Vergleich mit allen anderen G-7-Ländern ist ein grosser Vorteil und ein stabilisierender Faktor.

Heisst das, dass Sie die Schuldenbremse abschaffen oder reformieren wollen?

Nein, die Schuldenbremse muss bleiben. Wir brauchen aber Strukturreformen. Griechenland ist für Deutschland inzwischen ein leuchtendes Vorbild. Auch Spanien, Portugal und Irland haben grosse Fortschritte gemacht. Wir müssen jetzt unsere eigene Medizin einnehmen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, auch wenn die Medizin zuerst bitter schmeckt. Dazu gehören Investitionen in eine höhere Produktivität anstatt in den Ausbau des Sozialstaates. Das Vorbild sollte die Agenda 2010 der Regierung von Gerhard Schröder sein. Anstrengungslose Leistungen müssen wir reduzieren, etwa beim Bürgergeld.

Das wird angesichts der Zersplitterung der Parteienlandschaft schwierig.

Im Vergleich zu manchen anderen Ländern hat Deutschland den Vorteil, dass Koalitionen über viele Jahrzehnte geübt wurden. Mit der Zersplitterung sagen uns die Menschen, dass sie Veränderungen verlangen, aber nicht daran glauben, dass die bisherigen politischen Kräfte das wirklich umsetzen wollen. Die neue Regierung sollte den Mut für eine Agenda 2030 haben, die auch in der Öffentlichkeit unpopuläre Massnahmen umfasst.

Sie leben in London, wie schauen Ihre britischen Kollegen auf Deutschland?

Für die war Deutschland immer die Benchmark. Wir müssen jetzt aber aufpassen, dass wir diese Vorbildfunktion nicht verspielen. Deutschland muss in einem gemeinsamen Europa die Führung übernehmen, denn nur ein gemeinsamer politischer und wirtschaftlicher Raum kann sich zwischen den beiden grossen Blöcken USA und China behaupten. Deswegen sind auch die deutsch-französischen Beziehungen so enorm wichtig.

In Grossbritannien ist der Brexit immer noch sehr umstritten. War er aus Ihrer Sicht ein Fehler?

Ich habe ihn sehr bedauert. Der Brexit war ein Vorgeschmack auf das Erstarken der populistischen Kräfte, die wir inzwischen auch in Amerika und Europa sehen. Jetzt sollten sich die EU und Grossbritannien im beiderseitigen Interesse wieder annähern. Die Schweiz zum Beispiel kann dabei mit ihren bilateralen Verhandlungen ein Vorbild sein.

Sie haben vorhin SAP als leuchtendes Beispiel genannt. Sehen Sie heutzutage deutsche Firmen, die sich in diese Richtung entwickeln könnten, beispielsweise Aleph Alpha?

Wir sind beim Bremer Weltraumkonzern OHB investiert, dem Technologieführer für Satelliten. Zudem ist die Familienfirma auch im neuen Geschäftsfeld mit kleinen Raketen für Mini-Satelliten aktiv. Hier sehe ich grosses Potenzial in Europa. Bei Firmen, die auf künstliche Intelligenz (KI) spezialisiert sind, wie Aleph Alpha oder Mistral in Frankreich, bin ich etwas vorsichtiger. Diese Geschäftsmodelle benötigen enorme Investitionen. Wir sehen, dass Microsoft und andere Technologie-Giganten zweistellige Milliardensummen in KI investieren, was es sicherlich schwieriger macht, mit diesen Konzernen mitzuhalten.

Die genannte Firma, OHB, ist ein klassischer Mittelständler. Von vielen Familienunternehmen hört man hinter vorgehaltene Hand, dass sie am liebsten Deutschland verlassen würden.

Es ist die Hausaufgabe der Politik, das durch bessere Rahmenbedingungen zu verhindern. Wir haben die Themen eingangs angesprochen. Wenn das geschieht, wird es eine grosse Bereitschaft des deutschen Mittelstandes geben, auch wieder in Deutschland zu investieren. Sollte es aber nochmals vier Jahre in die falsche Richtung laufen, wäre das ein grosser Schaden für Deutschland, sowohl wirtschaftlich als auch politisch.

Früher galten Private-Equity-Investoren wie KKR als Heuschrecken, heutzutage sind sie sogar bei vielen Betriebsräten sehr angesehen. Woher kam der Umschwung?

Ich zitiere gerne den früheren Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen: «Was wir denken, das sagen wir auch. Was wir sagen, das machen wir auch. Und was wir machen, das sind wir auch.» So bildet man Vertrauen. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir bei KKR langfristig denken – ähnlich wie viele Familienunternehmen. Im Gegensatz zu vielen börsennotierten Firmen, die oft stark quartalsgetrieben agieren, konzentrieren wir uns auf nachhaltige Wertschöpfung. Unser bewährter Partnerschaftsansatz zeigt, dass wir Unternehmen nicht nur stabilisieren, sondern ihnen auch dabei helfen, sich für die Zukunft besser aufzustellen.

Früher ging das Fitmachen sehr stark mit Entlassungen einher.

Heutzutage geht es vor allem um die Frage, wie man die besten Fachkräfte ins Unternehmen bekommt. Die niedrigen Geburtenraten sind eines der grössten Probleme Deutschlands. Wir haben inzwischen einen starken Fachkräftemangel, daher liegt der Fokus darauf, Talente zu fördern und Unternehmen so aufzustellen, dass sie auch langfristig erfolgreich bleiben.

In welchen Branchen oder bei welchen Themen sehen Sie interessante Investitionsmöglichkeiten?

Wir haben eine alternde Bevölkerung. Deswegen sind Gesundheit und Dienstleistungen allgemein wichtige Bereiche. KKR hat beispielsweise in IVI-RMA Global investiert, eine führende Fertilitätsklinikgruppe, die Menschen auf ihrem Weg zur Familiengründung unterstützt. Auch Altersvorsorge ist ein grosses und spannendes Thema. Darüber hinaus gibt es auch im Freizeitbereich gute Investitionsmöglichkeiten. So haben wir im vergangenen Jahr knapp siebzig Prozent von Superstruct Entertainment übernommen, dem Betreiber des Wacken-Festivals und anderer führender Live-Entertainment-Events.

2024 war in Deutschland ein sehr schwaches Jahr für Börsengänge und ein mässiges Jahr für Private Equity. Sehen Sie Besserung in diesem Jahr?

Wir gehen davon aus, dass 2025 besser wird. Man darf nicht vergessen, dass es bis 2021/22 auch Übertreibungen im Markt gab, die erst einmal verdaut werden müssen. Entscheidend wird sein, dass wir einige erfolgreiche Börsengänge sehen, damit sich die abwartende Haltung vieler Unternehmen verflüchtigt. Auch für Private-Equity-Geschäfte bin ich zuversichtlich.

Ihre Kunden sind hauptsächlich institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensionskassen und Stiftungen. Gibt es inzwischen auch Produkte, in die Privatanleger investieren können, und ab welchem Betrag ist das möglich?

Sie können in unsere Produkte über Intermediäre, beispielsweise Banken, investieren. Das gilt auch für Privatanleger. Die Mindestanlagesumme beträgt 25 000 Euro. Unser Ziel ist es, Privatanlegern und institutionellen Investoren die gleichen hochwertigen Anlagelösungen bereitzustellen. Dafür bieten wir Privatanlegern Produkte in allen unseren Anlageklassen an – von Private Equity über Immobilien bis hin zu Infrastruktur und Krediten.

KKR war auch beim Medienkonzern Axel Springer SE investiert. Vergangenes Jahr hat sich das Unternehmen aufgespalten, und KKR hat das Rubrikengeschäft übernommen, während die Zeitungen wieder voll in Familienhand von Friede Springer und Mathias Döpfner sind. Warum ist das Rubrikengeschäft so interessant für Sie?

Im Zentrum steht hier vor allem das Stellenportal Stepstone. Es trägt entscheidend dazu bei, dass Firmen neue Fachkräfte finden und akquirieren. Die Bedeutung von solchen Jobbörsen wurde lange Zeit verkannt. Übrigens erwarten wir, wie geplant, die letzten Genehmigungen der Behörden für die Aufspaltung im zweiten Quartal zu erhalten.

Am KKR-Geschäft mit den Rubriken wird Springer dann noch einen Minderheitsanteil von rund fünfzehn Prozent haben?

Es wird ein bisschen weniger sein, voraussichtlich knapp zehn Prozent.

Sie können dem Frankfurter Wirtschaftskorrespondenten Michael Rasch auf den Plattformen X, Linkedin und Xing folgen.

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