Die neusten Entwicklungen

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat Ende Mai Neuwahlen ausgerufen. Am Donnerstag wählen die Britinnen und Briten ein neues Unterhaus. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die neusten Entwicklungen

  • In Grossbritannien ist die Parlamentswahl angelaufen. Die Wahllokale haben seit 7 Uhr (Ortszeit) geöffnet. Wahlberechtigt sind mehr als 46 Millionen Menschen.
  • Nach vierzehn Jahren konservativer Regierungen unter den Tories deuten die Umfragen darauf hin, dass die Labour-Partei wieder stärkste Kraft wird. Das Meinungsforschungsinstitut Yougov hat errechnet, dass die Partei von Keir Starmer die grösste Mehrheit für eine Partei seit dem Jahr 1832 erringen könnte. Den Konservativen drohten demnach happige Verluste. Zum Bericht | Zum Podcast

Die Hintergründe

Nach vierzehn Jahren Regierung der Konservativen Partei wünschen sich viele Britinnen und Briten einen Regierungswechsel. Die Umfragen deuten darauf hin, dass die Labour-Partei des bisherigen Oppositionsführers Keir Starmer erstmals seit 2010 wieder an die Macht kommen könnte. Allerdings löst auch die Aussicht auf eine Labour-Regierung im Land keinen Enthusiasmus aus.

Wie läuft die Wahl ab?

Die Wahlurnen sind seit 8 Uhr Schweizer Zeit geöffnet. Sie schliessen um 23 Uhr. Danach werden die ersten Hochrechnungen erwartet. Ausgezählt werden die Stimmen im Laufe der Nacht, die Resultate aus den letzten Wahlkreisen werden am Freitagmorgen erwartet.

Der Urnengang findet gemäss dem Mehrheitswahlrecht statt. In jedem der 650 Wahlkreise in England, Schottland, Wales und Nordirland zieht nur jene Person ins Unterhaus ein, die von allen Kandidaten am meisten Stimmen erhalten hat. Während ein Proporzwahlrecht auch kleineren Parteien eine ihrem Wähleranteil entsprechende Vertretung im Unterhaus sichern würde, begünstigt das Mehrheitswahlrecht die Konservativen und Labour als grosse Traditionsparteien. Je nach Region und lokaler Ausgangslage werden aber auch die Liberaldemokraten, die Scottish National Party, die Rechtspartei Reform UK oder vereinzelt die Grünen Sitze gewinnen.

Wann und wie wird die Regierung gebildet?

Um eine Regierung bilden zu können, muss eine Partei im Unterhaus eine Mehrheit aller Sitze (also 326 von 650 Mandaten) auf sich vereinen. Überschreitet eine Gruppierung diese Schwelle, erhält deren Parteichef eine Audienz bei König Charles III., wo er offiziell mit der Bildung einer Regierung in dessen Namen beauftragt wird. Der neue Premierminister ernennt sein Kabinett, und die Regierung nimmt ihre Arbeit unmittelbar auf. Eine Bestätigung durch das Unterhaus ist nicht erforderlich.

Kommt keine Partei auf 326 Sitze, spricht man von einem «Hung Parliament». In diesem Szenario muss der Chef der stärksten Partei entweder eine Koalition mit einer anderen Gruppierung eingehen oder zumindest deren informelle Unterstützung finden. Solche formellen und informellen Koalitionen gelten aber als instabil und unbeliebt. 2010 musste David Cameron eine Koalition mit den Liberaldemokraten eingehen. 2017 war Theresa May auf die Unterstützung der Democratic Unionist Party (DUP) aus Nordirland angewiesen.

Warum findet die Wahl gerade jetzt statt?

Die letzte Unterhauswahl ging im Dezember 2019 über die Bühne, als Boris Johnson den Konservativen eine deutliche Mehrheit sicherte. Da eine Legislatur maximal fünf Jahre dauert, hätte die nächste Wahl spätestens im Januar 2025 durchgeführt werden müssen. Premierminister Rishi Sunak entschied sich aber Ende Mai, die Neuwahl auf den 4. Juli anzusetzen. Er hatte gehofft, die Labour-Partei mit dem überraschenden Wahltermin zu überrumpeln und dank den leicht besseren Wirtschaftsdaten den Rückstand in den Umfragen auf Labour aufzuholen.

Wie ist die Ausgangslage?

Die Meinungsumfragen deuten auf einen klaren Sieg der Labour-Partei hin. Etliche Beobachter rechneten im Vorfeld damit, dass Labour ihr Rekordergebnis von 418 von 650 Sitzen aus dem Jahr 1997 übertreffe. Den Konservativen droht derweil eine happige Niederlage. Sie werden nicht nur von Labour bedrängt, sondern in ihren Stammlanden im Süden und Westen des Landes auch von den zentristischen Liberaldemokraten. Zudem erwächst ihnen Konkurrenz der neuen Rechtspartei Reform UK des Brexit-Vorkämpfers Nigel Farage.

Was würde sich mit einer Labour-Regierung ändern?

Der Labour-Chef Starmer hat in Aussicht gestellt, das umstrittene und bisher nicht umgesetzte Programm zur Ausschaffung von Asylsuchenden nach Rwanda zu beenden. Er will zusätzliches Geld in den Nationalen Gesundheitsdienst investieren, um die Wartelisten abzubauen, und das bürokratische Planungswesen reformieren, um Wachstum zu generieren.

Insgesamt aber liess die Labour-Partei im Wahlkampf viele Fragen nach ihren Regierungsplänen offen. Starmer hat versprochen, die Haushaltsregeln zur Begrenzung der Staatsschulden einzuhalten und auf Steuererhöhungen für arbeitstätige Briten zu verzichten. Damit bleibt unklar, woher er das Geld für die nötigen Investitionen in die marode Infrastruktur nehmen würde.

Welche Zukunft hat die Konservative Partei?

Im Falle einer Wahlniederlage dürfte Rishi Sunak seinen Rücktritt als Chef der Konservativen Partei einreichen. Bereits in den letzten Tagen brachten sich verschiedene potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger in Stellung. Der Partei droht ein Richtungskampf zwischen dem zentristischen und dem rechtsnationalen Flügel.

Befeuert wird die Auseinandersetzung von Nigel Farage, der die Tory-Partei nach seinen eigenen Aussagen zerstören will. Er könnte versuchen, den rechten Tory-Flügel mit der Rechtspartei Reform UK zusammenzuführen oder die Konservative Partei zu kapern.

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