Donnerstag, November 7

Amerikanische Abenteurer glaubten Anfang des Jahres, das lange verschollene Flugzeug der legendären Flugpionierin
Amelia Earhart am Meeresgrund entdeckt zu haben. Eine zweite Expedition zeigt jetzt: Es waren bloss Steine.

Anfang des Jahres war die Hoffnung gross, dass das Rätsel um die seit 1937 vermisste Flugpionierin Amelia Earhart endlich aufgeklärt werden könnte. Nach einer Expedition im Pazifik präsentierten Experten der amerikanischen Firma Deep Sea Vision (DSV) Sonarbilder, die ein «flugzeugförmiges Objekt» am Meeresgrund zeigten. Eine zweite Expedition brachte nun jedoch zutage, dass es sich bei dem Objekt überhaupt nicht um ein Flugzeug, sondern lediglich um einen Haufen Steine handelt.

«Nach elf Monaten hat das Warten endlich ein Ende», schrieben die Experten in einem Post auf Instagram. Gleichzeitig versprach das Team, die Suche fortzusetzen – man habe bereits weitere 7700 Quadratmeilen angepeilt.

Die tatsächliche Entdeckung des Flugzeugs wäre eine bemerkenswerte Leistung gewesen. Denn nach der verschollenen Maschine wird seit Jahrzehnten gesucht – in den Tiefen des weiten Pazifiks eine schier unmögliche Aufgabe, die dem Suchen einer Stecknadel im Heuhaufen gleicht.

Raffiniert geformte Felsen

Amelia Earhart – die erste Frau, die über den Atlantik flog – wollte 1937 die Welt umrunden. Fast hätte die Flugpionierin dies auch geschafft, doch dann verschwand ihr Flugzeug auf dem Teilstück vom heutigen Papua-Neuguinea zur Howlandinsel über dem Pazifik. Eine grossangelegte Suchaktion blieb erfolglos. Das Verschwinden der amerikanischen Pilotin vor 87 Jahren ist bis heute eines der grössten Rätsel in der Geschichte der Luftfahrt. In den vergangenen Jahrzehnten sind unzählige Theorien über ihr Schicksal aufgetaucht, die allesamt nicht wirklich eine Klärung betreffend die Fundstelle des Flugzeugs brachten.

Als das Team westlich von Earharts geplantem Landepunkt auf der Howlandinsel auf ein vermeintliches Flugzeugwrack im Pazifik stiess – in fast 4900 Metern Tiefe – war dies Anfang des Jahres eine kleine Sensation. Die Sonarbilder, die das Expertenteam damals auf Instagram veröffentlichte, vermittelten den Eindruck, es seien die Konturen eines Flugzeugs in etwa der richtigen Grösse zu sehen. Dass es sich nur um eine Felsformation handelte, konnten die Forschenden damals nicht erahnen.

Kalender nicht angepasst?

DSV, ein Unternehmen für Meeresrobotik, hat ihrer Suche eine der zahlreichen Theorien zugrunde gelegt, die sich um das vermisste Flugzeug und seine legendäre Pilotin ranken. So arbeitete das Team unter der Führung des ehemaligen US-Air-Force-Piloten Tony Romeo mit der sogenannten «Date-Line-Theorie». Sie wurde ursprünglich im Jahr 2010 von Liz Smith, einer ehemaligen Nasa-Mitarbeiterin und Amateurpilotin, aufgestellt. Smith glaubt, Earharts Verschwinden lasse sich darauf zurückführen, dass Earhart und ihr Navigator Fred Noonan einfach vergessen haben, den Kalender anzupassen, und das Datum nicht vom 3. Juli auf den 2. Juli zurückgestellt haben, als sie die internationale Datumsgrenze überflogen hatten. Smith vermutete, dass Noonan seine Himmelsnavigation daraufhin falsch berechnete. Dies führte zu einem Navigationsfehler von rund 60 Meilen (fast 97 Kilometern) in westlicher Richtung.

Tony Romeo, CEO von DSV, und sein Bruder Lloyd Romeo glaubten an diese Theorie und begannen, tiefer in die von Smith dargelegte Himmelsmathematik einzutauchen. Die Romeos kamen zu dem Schluss, dass es durchaus plausibel sein könnte, dass Earharts Navigator Fred Noonan nach 17 Stunden anstrengendem Flug einen solchen Fehler gemacht haben könnte. Deswegen fokussierten sie sich auf das Gebiet, das dadurch infrage kam und bisher noch nie untersucht worden war.

«Wie ein Zehnjähriger auf Schatzsuche»

Um Earharts Lockheed Electra zu finden, hatte das DSV-Team über neunzig Tage hinweg fast 13 500 Quadratkilometer Meeresgrund im Pazifik abgesucht. Dabei arbeiteten sie mit einem autonomen Unterwasserfahrzeug – Hugin 6000 genannt –, das das Team in einer Presseerklärung als seine «Geheimwaffe» bezeichnete. Insgesamt investierte Romeo elf Millionen Dollar in die Suche nach Earharts Flugzeug, eine Summe, die er durch den Verkauf seiner Gewerbeimmobilien aufgebracht hat, wie er dem «Wall Street Journal» damals sagte. «Das ist vielleicht das Aufregendste, was ich jemals in meinem Leben tun werde», sagte er dem amerikanischen Medium. «Ich fühle mich wie ein Zehnjähriger, der auf Schatzsuche geht.»

Dass sich das vermeintliche Flugzeug nun als Felsformation herausstellte, muss für Romeo eine herbe Enttäuschung gewesen sein. Der Abenteurer ist jedoch nicht der Erste, den die Suche nach Earhart und ihrem Flugzeug völlig in ihren Bann gezogen hat. Über die Jahre wurden bereits die verschiedensten Theorien gesponnen. Manche glaubten, Earhart sei ins Meer gestürzt, andere, dass sie von den Japanern entführt worden sei. Die Internationale Organisation zur Bergung historischer Flugzeuge (Tighar) hielt es für sehr wahrscheinlich, dass Earhart auf der Insel Nikumaroro, die einst Gardnerinsel hiess, notgelandet ist.

Auf dem Atoll zwischen Hawaii und Australien, das heute zum pazifischen Inselstaat Kiribati gehört und rund 650 Kilometer von der Howlandinsel, dem eigentlich von Earhart anvisierten Ziel, entfernt ist, könnten die Pilotin und ihr Navigator Fred Noonan eine Weile überlebt haben – so die Tighar-Theorie. Alte Funksprüche, die möglicherweise von Earhart stammten, deuten nach Ansicht der Organisation darauf hin. Ob die beiden dort letztlich verhungerten und von Kokosnussräubern, riesigen Landkrabben, verspeist wurden oder ein anderes Schicksal erlitten, bleibt jedoch Spekulation. Ein Knochenfund unterstützt diese Theorie.

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