Donnerstag, Februar 13

Die amerikanischen Marken des Stellantis-Konzerns blenden ungefragt Werbung auf dem Display ein. Aber nur wenn das Fahrzeug steht. Der Ärger bei den Kunden ist gross. Aber ist das neue Geschäftsmodell aufzuhalten?

Wer dieser Tage in den USA mit seinem Jeep an einer roten Ampel anhielt, staunte nicht schlecht. Auf dem Infotainment-Bildschirm erschien statt der Navigation oder anderer Inhalte ein grossflächiges Inserat, das für eine Ausweitung der Werksgarantie für das Auto warb.

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Mit der neuen Werbung ärgern sich derzeit nicht nur Fahrer von Autos der Marke Jeep herum, sondern sie tritt auch bei Fahrzeugen von Dodge, Chrysler und Ram auf. Sie gehören alle zum Stellantis-Konzern, der weltweit tätig ist und in Europa vor allem mit den Marken Peugeot, Citroën, Fiat und Opel präsent ist.

In den USA beklagen sich vor allem Jeep-Fahrer über die bei jedem Halt im Navi grossflächig eingeblendete Werbung. Wer sie nicht sehen will, muss sie jeweils von Hand wegklicken. Damit wird die von den Marketing-Abteilungen der Autohersteller oft gepriesene User-Experience (Benutzererfahrung) geschmälert, und dies aus zwei Gründen:

Die von den Autobauern gern beworbene «nahtlose Fahrerfahrung» mit integrierten Dienstleistungen wird beim Anhalten durch unerwünschte Werbung unterbrochen. Zudem fühlen sich die Autofahrer in ihrem privaten Raum, der oft eine Erweiterung des eigenen Wohnzimmers darstellt, von aussen gestört.

Infotainment wird schon länger für Werbung genutzt

Unerwartete Unterbrecherwerbung im Auto ist allerdings nicht neu und tritt auch in der Schweiz auf, insbesondere durch die Abschaltung von UKW-Sendern. Wer DAB+ empfängt, sieht gelegentlich auf dem Infotainment-Screen Werbung, die beim Radiosender gebucht und dann beim Hörer im Auto eingeblendet wird. Und dies ist bereits seit einigen Jahren der Fall. Bereits 2021 berichtete das «Mobimag» von solchen Fällen in der Schweiz. Das digitale Radionetz erlaubt es, solche Daten ins Auto zu übertragen. Und für Apps wie Spotify gibt es eine Gratisvariante mit gesprochener Unterbrecherwerbung.

Dies geschieht jedoch unabhängig von der Fahrzeugmarke und nur bei DAB-Radiosendern, die solche Werbung zulassen. Wegschalten lässt sich das Inserat nur durch den Wechsel der Radiostation. Aber eine vorgängige Einwilligung holen die Radiosender nicht ein. Dies tun auch TV-Sender nicht im Vornherein, diese Art der Werbung hat sich über Jahrzehnte eingebürgert und erreicht seit einigen Jahren auch den DAB-Radiobereich.

Bei Stellantis reagiert man auf die Proteste der Fahrer mit dem Hinweis, dass die Werbung infolge der Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Digitalradio-Angebot von Sirius XM geschaltet wird. Man könne die Inserate ja von Hand wegklicken. Zudem arbeite man daran, die Frequenz der Werbeeinblendungen zu reduzieren. Insbesondere das Vertrauen der Jeep-Fahrer in die Automarke dürfte jedoch bereits Schaden genommen haben.

Die Besorgnis um die Verwendung von Fahrzeugdaten wächst

Die Aufregung um unerwartete Werbung im Auto ist nachvollziehbar. Im Zuge der Digitalisierung probiert die Autoindustrie immer neue Geschäftsmodelle bei den Autofahrern aus. Nach dem Muster von sogenannten In-App-Käufen werden immer mehr Bereiche des Fahrerlebnisses mit zusätzlichen Kosten gekoppelt.

BMW etwa bietet die Funktion einer Sitzheizung seit einigen Jahren per Extra-Abonnement an. Wer nicht zahlt, kann die bereits im Sitz eingebaute Funktion nicht nutzen. Auch zusätzliche Leistung lässt sich gegen Entgelt im bereits gekauften Auto freischalten, so etwa bei Mercedes.

In diese Richtung könnte sich auch das Thema Werbung an Bord entwickeln. Noch gibt es die Funktion nicht in der Autoindustrie, aber die Bereitstellung eines Werbeblockers läge nahe. Mit einem eigens von ihm entwickelten System kann der Autobauer garantiert Geld verdienen: Entweder bezahlt der Inserent die ausgestrahlte Werbung, oder der Kunde bezahlt für den Werbeblocker.

Bei Elektroautos werden die Margen immer schmaler. Darum kommt es für die Autoindustrie darauf an, immer neue Angebote für die Autofahrer zu erfinden. Die gesammelten Daten sind das dafür eingesetzte Kapital, und es wächst mit jedem gefahrenen Kilometer der Kunden. Denn die gesammelten Daten können die Autokonzerne gewinnbringend weiterverkaufen.

Dies jedoch erfordert das Einverständnis der Automobilisten. Mit dem Kauf oder der Nutzung des Wagens willigt der Kunde in die Datenweitergabe ein. Nur wer sich die Mühe macht, das Kleingedruckte in den Kauf- und Nutzungsvereinbarungen zu lesen, stösst auf die entsprechenden Bestimmungen.

Augen auf beim Kleingedruckten

Doch die Konsequenzen sind klar: Wer nicht einwilligt, hat keinen Nutzen. Wer seine Daten nicht weitergibt, hat keine Berechtigung für gewisse Funktionen, etwa die Nutzung des Navigationssystems. Doch mit der Zustimmung erhält der Autohersteller einen wichtigen Schatz aus Benutzerdaten, wie dies beim Smartphone und beim Konsum von Social Media heute ganz normal erscheint.

Die Nutzung der Daten dehnt sich immer weiter aus. Wer regelmässig vor einem Restaurant parkiert, wird zur Zielgruppe für Gastro-Werbung. Wer sein Auto oft in der Nähe eines Kinos abstellt, gehört für den Werbetreibenden zur Zielgruppe der Cineasten und damit zur Zielperson fürs Bezahlfernsehen.

Dies geschieht fast unmerklich, denn die Zustimmung hat der Autofahrer bereits ohne sein Wissen erteilt. Es gibt jedoch auch schwarze Schafe bei der Akquise und Vermarktung von Kundendaten. Anfang 2025 verbot die Federal Trade Commission (FTC), die US-Kartellkommission, dem amerikanischen Autokonzern General Motors für fünf Jahre die Weitergabe der Kundendaten in Autos seiner Marken.

Es handelte sich dabei um geolokalisierte Informationen und Daten zum Fahrverhalten der Kunden. Solche Daten lassen sich gewinnbringend an Versicherungen weiterverkaufen, die gezielt bestimmte Autofahrer-Typen mit Angeboten kontaktieren wollen.

GM hatte im genannten Fall die Kunden nicht um ihr Einverständnis für die Datenweitergabe ersucht. Gemäss der FTC-Leiterin Lina Khan war dies der erste Fall, in dem ein Autohersteller für Datenmissbrauch mit Sanktionen belegt worden ist. Für die Autohersteller ist damit klar, dass Datenmissbrauch Konsequenzen hat. Für die Autofahrer heisst dies, dass sie ihre Nutzungsvereinbarungen genau durchlesen sollten.

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