Mittwoch, Juni 11

Der Streit zwischen Donald Trump und Elon Musk ist wie aus dem Narzissmus-Lehrbuch. Beziehungen sind da, um die eigene Grösse zu spiegeln. Der erratische Unternehmer war dafür prädestiniert.

Als Friedrich Merz vergangene Woche bei Donald Trump im Weissen Haus war, hat Trump in Anwesenheit des deutschen Kanzlers erstmals öffentlich gegen Elon Musk gestichelt. Seither können sich die amerikanischen Trump-Hasser einem deutschen Gefühl hingeben: Schadenfreude. Ein Wort, das ins Englische übernommen wurde.

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Der Talkmaster Stephen Colbert habe «in Schadenfreude» geschwelgt, schrieb die «New York Times», als er in seiner Late-Night-Show den Flame-War zwischen den «berühmtesten besten Freunden der Welt» kommentiert habe. Auch aus diversen Beiträgen der Zeitung, die seit Donnerstag erschienen sind, hört man einen wohligen Seufzer heraus – der Erleichterung und des boshaften Vergnügens. Endlich endet diese unheimliche Beziehung, die die Macht der beiden Männer bloss noch steigerte.

Das linksliberale «New York Magazine» riet den Demokraten, sie sollten sich aus der Fehde heraushalten «und sie geniessen». Das konservative Boulevardblatt «New York Post» titelte in Anspielung auf Trumps «Big Beautiful Bill», das neue Steuergesetz, das die Eskalation auslöste: «Big, beautiful breakup».

Denn die Medien haben ja schon längst darauf gewartet, und mit ihnen der Rest der Welt. Das Ende war dem Anfang eingeschrieben. Wer es prophezeite, gab nicht bloss seinem Wunschdenken Ausdruck, weil er die Männer vielleicht nicht mochte: Dass diese Freundschaft scheitern musste, liegt auch in der Persönlichkeit der beiden begründet. Sie sind beide zu sehr Alphamänner, die längerfristig niemand Gleichwertigen neben sich dulden. Die Anziehung kippte in Abstossung.

Die Familie Trump adoptierte Musk

Wie meistens bei Trump lag auch der Beziehung zu Musk ein Deal zugrunde. Ein Job in Washington und direkten Zugang zum Präsidenten gegen eine Wahlkampfspende des Tech-Milliardärs. Musk wurde zu Trumps persönlichem Berater und sollte den Staatsapparat verschlanken. Oft ist deshalb jetzt vom Ende einer Zweckehe die Rede. Doch das greift zu kurz. Dafür gingen die emotionalen Wogen des Paars bei der öffentlich vollzogenen Trennung zu hoch.

Nach Trumps Wahlsieg sah es während Wochen so aus, als sei dies der Beginn einer innigen Männerfreundschaft, wie man sie zwischen zwei so reichen und mächtigen Männern selten gesehen hat. Musk wich kaum noch von Trumps Seite. Dass ihn die Medien «First Buddy» nannten, gefiel ihm. Er war Dauergast in Trumps Privatresidenz Mar-a-Lago, begleitete ihn an Kampfsportshows am Samstagabend und sonntags zum Golf. Trumps Enkelin Kai nannte Musk schon «Onkel Elon».

Musk posierte auf Familienfotos, während die First Lady Melania darauf fehlte. Die Medien spotteten, ob nicht Musk die Pflichten der First Lady übernehmen könne. Diese hat sich noch nie für diese Rolle interessiert. Maureen Dowd, die Star-Kolumnistin der «New York Times», schlug vor, Elon in Elonia umzutaufen.

Freundschaft mit Preisschild

Zwar hat Musk den Streit begonnen, und vielleicht hätte Trump weiterhin nicht schlecht über den einstigen First Buddy geredet. Beide haben durch einen endgültigen Bruch wirtschaftlich und politisch viel zu verlieren. Dass das Zerwürfnis so schnell und heftig kam, bestätigt aber vor allem ein Verhaltensmuster von Trump.

Bei der übersteigerten Selbstliebe hat es wenig Platz für andere. Jemand wird zuerst in den inneren Kreis aufgenommen. Dann braucht es eine Irritation, und schon wird er fallengelassen. Ein erratischer Mann wie Musk, der von sich selber genauso gross denkt, war dafür prädestiniert.

Nun soll man vorsichtig sein mit Ferndiagnosen. In den USA ist dies eine klare Vorgabe, die psychologische Berufsverbände herausgeben. Sie sahen sich bereits vor acht Jahren dazu veranlasst, als Trump zum ersten Mal Präsident wurde und ihm oft eine narzisstische Störung unterstellt wurde.

Doch selbst einer der bedeutendsten Narzissmus-Experten machte später eine Ausnahme. Der Psychoanalytiker Otto Kernberg sah in Trump Aspekte seiner Forschung bestätigt, dass nämlich zu lieben unfähig sei, wer ständig für die eigene Grossartigkeit bewundert werden müsse. Dies zeigt sich an der Aggressivität und Empfindlichkeit, wenn der Narzisst kritisiert wird, an seinen Lügen. Er ist unfähig, sich in andere einzufühlen. Stattdessen schlägt er wild um sich, wenn er sich bedroht fühlt.

Als Tony Schwartz, Trumps Ghostwriter bei «Art of the Deal», Trump später zu kritisieren wagte, beschimpfte ihn dieser als undankbar und einen Verräter. «Ich wünsche Ihnen ein schönes Leben», sollen Trumps wütende letzte Worte gewesen sein. Er nehme das nicht persönlich, schrieb Schwartz 2016. «Denn in Wahrheit meinte er es nicht persönlich. Menschen sind unwichtig in Trumps Welt, Wegwerfware.» Er interessiere sich nur so lange für sie, wie sie ihm nützten.

Auch Anthony Scaramucci, von Trump zum Kommunikationschef während seiner ersten Amtszeit gewählt, hat den Prozess vom Freund zum Feind durchlaufen. Nach nur zehn Tagen wurde er von Trump entlassen mit den Worten, Scaramucci sei ein totaler Versager. Die Erfahrung sei ein Albtraum gewesen, sagte Scaramucci vergangene Woche im Schweizer Fernsehen: ein Fehler schon nur, für Trump zu arbeiten. Allerdings ging es nicht nur um Meinungsverschiedenheiten. Scaramucci war auch ausfällig gegenüber Mitarbeitern und intrigant.

Die «Girls» sind dabei, sich zu fetzen

Weil Trump und Musk ähnlich beschaffen sind, kam es zur öffentlichen Eskalation. Die beiden Männer haben sich gegenseitig idealisiert, um sich selbst zu erhöhen und die eigene Beliebtheit zu steigern. Und sind jetzt masslos voneinander enttäuscht. Enttäuscht zu sein, gehört zu ihrem Lebensgefühl. Sie benutzen dies als Druckmittel.

Vielleicht sind sie auch enttäuscht über die eigene Fehleinschätzung, sich so in jemandem getäuscht zu haben – und wollen dies nicht wahrhaben. Ein Narzisst ist unfähig, die eigenen Unzulänglichkeiten zu erkennen. Bevor er an sich selbst zweifelt, beginnt er den andern zu verachten und zu entwerten.

Musk nannte Trump undankbar. Trump erklärte Musk für verrückt. Worauf Musk auftrumpfte: Er werde in vierzig Jahren noch da sein, wenn Trump längst verloschen sei.

«The girls are fighting, aren’t they?», sagte die demokratische Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Journalistinnen spotteten: Obwohl sie sich für wahrhaftige Männer hielten, liebten sie offenbar den «catfight», das Gezanke zwischen Frauen.

«Rosenkrieg» trifft es dennoch besser, ein Wort, mit dem das mutmassliche Ende dieser Beziehung nun ebenfalls gerne betitelt wird. Zwei Menschen, die sich tief verbunden waren, sind sich nicht mehr gut und wollen sich schaden. Dabei fing sich Trump schneller wieder nach der öffentlichen Schlammschlacht.

Er habe kein Interesse, sich mit Musk zu versöhnen oder nur schon mit ihm zu sprechen, sagte er am Wochenende in einem Interview mit NBC News. Er drohte dem Unternehmer mit «ernsthaften Konsequenzen», sollte dieser nun die Demokraten unterstützen: «Wenn er das tut, muss er den Preis dafür bezahlen.» Was er damit meinte, sagte er nicht.

Musk löscht Post zu Epstein-Files

Trump klingt gekränkt und trotzig, er wirkt aber souveräner im Vergleich zu Musks «shit posting», der Kaskade von wütenden und drohenden Posts auf X. Inzwischen löschte er die Behauptung, Trumps Name werde in Unterlagen zum Fall des Sexualstraftäters Jeremy Epstein genannt. Am Sonntag teilte er sogar wieder einen Post von Trump, in dem Trump Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom beschimpfte und für die Strassenproteste in Los Angeles verantwortlich machte.

Trump, obwohl er genauso zu Impulsivität neigt, bekommt sich besser in den Griff, wenn es darauf ankommt. Er weiss Menschen besser zu steuern, ihre Gefühle zu bespielen und zu benutzen.

Man soll keine Ferndiagnosen stellen. Trump tut es jedoch selber. Musk leide am «Trump derangement syndrome», sagte er in Anwesenheit von Friedrich Merz vor den Medien. Der Begriff wird abwertend für Trump-Gegner verwendet, die sich obsessiv mit Trump beschäftigen.

Psychologisch geschickt griff Trump Musk damit auf persönlicher Ebene an. Er sagte weiter: Musk sei feindselig geworden wie so viele vor ihm, weil er sich nicht mehr im Glanz des Weissen Hauses sonnen könne. Musk ist jetzt wie alle anderen. Zumindest nach dem Willen Trumps.

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