Erst spät sind die Resultate der pakistanischen Wahlen bekanntgeworden. Sie offenbaren: Der Frust der Bevölkerung über die Macht der Militärs sitzt tief.
Nach langem Warten ist am Sonntag endlich klar geworden: Die Wahlen in Pakistan enden mit einer Überraschung. Am Donnerstag hat Pakistan gewählt. Normalerweise ist der Ausgang der Wahlen noch am selben Abend bekannt, allenfalls am nächsten Tag. Diesmal liessen sich die Verantwortlichen Zeit. Erst am Sonntag tröpfelten die letzten Resultate ein. Das dürfte mit dem Ergebnis zu tun haben, das den in Pakistan mächtigen Militärs nicht gefallen dürfte.
Bereits vor dem Urnengang war klar, welchen Kandidaten die Generäle bevorzugen: Nawaz Sharif, bereits dreimal Premierminister Pakistans, erst vor wenigen Monaten zurückgekehrt aus dem Exil und von allen Korruptionsvorwürfen aus früheren Amtszeiten entlastet. Sharif und seine Muslimliga (PML-N) schnitten in den Wahlen allerdings weniger gut ab als erwartet.
Am Sonntag holten sie laut der Wahlkommission 75 der 265 zu vergebenden Sitze. Sharif erklärte sich zwar früh zum Wahlsieger, und tatsächlich könnte er mit der zweiten grossen Partei Pakistans, der PPP, eine Koalition bilden. Die Hinterzimmergespräche laufen derzeit – mit offenem Ausgang.
Unabhängige Kandidaten überraschen
Die Überraschung gelang aber der Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), der Partei des abgesetzten Premierministers Imran Khan. Stand Sonntag holte sie 97 Sitze. Die Generäle hatten der Partei zuvor verboten, für die Wahlen anzutreten, Imran Khan selber ist inhaftiert. Die Kandidaten traten als Unabhängige an, viele trauten sich kaum, Wahlkampf zu machen, aus Angst, ebenfalls inhaftiert zu werden.
Die PTI mobilisierte vor allem online und über Social Media, indem sie beispielsweise mithilfe von künstlicher Intelligenz Khans Stimme generierte und ihn so zu seinen Anhängern sprechen liess. Die PTI-Führung ist überzeugt, dass es in mehreren Wahllokalen zu Manipulationen kam und dass sie eigentlich noch mehr Sitze gewonnen hat. Sie hat sich ebenfalls zur Gewinnerin dieser Wahl ausgerufen. In mehreren Städten kam es zu Protesten von PTI-Anhängern.
Während der Wahl am Donnerstag war in Pakistan das mobile Internet abgeschaltet worden. Das Sicherheitsaufgebot vor den Wahllokalen war enorm. Viele Wähler hatten nicht das Gefühl, an freien Wahlen teilzunehmen. Die Durchführung der Wahlen wurde auch von internationalen Beobachtern kritisiert. Sowohl die USA als auch die EU teilten mit, dass den Hinweisen auf Wahlmanipulationen nachgegangen werden müsse.
Der pakistanische Armeechef gratulierte derweil am Wochenende dem Land zu einem erfolgreichen Urnengang. Er sagte, das Land müsse in ruhige Hände gelegt werden, um aus der Politik von Anarchie und Polarisierung herauszufinden.
Aufgestaute Frustration
Der grosse Zuspruch der Wähler für die Oppositionspartei PTI ist auch ein Ausdruck der Frustration: Seit der Unabhängigkeit Pakistans zieht das Militär im Hintergrund die Fäden – dreimal putschten die Generäle eine demokratisch gewählte Regierung von der Macht.
Bisher konnte kein pakistanischer Premierminister die fünfjährige Amtszeit beenden. Im vergangenen Jahr kam es immer wieder zu gewaltsamen Protesten, bei denen Imran Khans Anhänger auch Militäreinrichtungen angriffen. Es dauerte Tage, bis die Ausschreitungen eingedämmt waren.
Das Land befindet sich zudem seit Monaten in einer schweren Wirtschaftskrise, gegen die weder Khan als Premierminister noch die Interimsregierung nach Khans Absetzung ein Rezept fanden. Die Inflation ist hoch, die Währung schwach, die Bürokratie und der teure Sicherheitsapparat sind aufgebläht. Wer auch immer das Land in Zukunft führen wird, wird schwere finanzielle Einschnitte machen und auf Darlehen von internationalen Geldgebern hoffen müssen.
Hinzu kommt die sich verschlechternde Sicherheitslage. Im Westen Pakistans, an den Grenzen zu Afghanistan und Iran, kommt es vermehrt zu Anschlägen. Islamistische Terrorgruppen wie die pakistanischen Taliban oder der Islamische Staat verüben Attacken, und Separatisten greifen Polizisten und Soldaten an. Im Umfeld der Wahlen gab es mehrere Anschläge. Mindestens vierzig Personen verloren ihr Leben.
Noch ist nicht klar, wer Pakistan in Zukunft führen wird. Klar ist allerdings, dass der neue Premierminister über ein gespaltenes Land regieren wird. Sollte es Nawaz Sharif tatsächlich gelingen, eine Regierung zu bilden, dürfte Khans PTI in die Opposition gehen.
Was sie sich darunter vorstellt, hat sie in den vergangenen Monaten schon gezeigt: Ihre Anhänger dürften Proteste organisieren und Strassen blockieren. Das Land wird so nicht zur Ruhe kommen. Das sind keine guten Voraussetzungen, um harte Sparmassnahmen durchzusetzen.