Mittwoch, Februar 12

Die Konzernspitze erlebt den wichtigsten Umbau seit Jahren. Mit einer Ausnahme: Patron Alfred N. Schindler macht immer weiter.

Wer Aufzug fährt, sieht wenig vom Motor des Aufzugs – höchstens das Seil. Genau so wenig sieht ein Aussenstehender normalerweise vom Innenleben bei Schindler, einem der weltgrössten Aufzugshersteller. Doch in diesen Tagen ist das anders: Bei dem verschwiegenen Konzern aus Ebikon findet der wichtigste Personalwechsel statt seit dem Rückzug von Patron Alfred Niklaus Schindler aus dem Tagesgeschäft.

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Es tritt ab: Silvio Napoli, seit 2017 Schindlers Nachfolger als Verwaltungsratspräsident und zuletzt in Personalunion auch CEO. Dreissig Jahre verbrachte Napoli bei dem Unternehmen. Jetzt hat er keine Zeit mehr: Eigentlich wollte sich Napoli Ende März von beiden Ämtern zurückziehen. Doch dann gab er die CEO-Rolle überraschend bereits Anfang Februar ab.

Die Botschaft: Schindler ist wieder in der Spur

Offenbar, weil er ein neues Ziel hat: «Ich habe entschieden, dass für mich die richtige Zeit gekommen ist, ein neues Kapitel in meinem beruflichen Leben aufzuschlagen», erklärte Napoli am Mittwoch anlässlich des Jahresabschlusses für 2024. Die Verschwiegenheit, die Schindler auszeichnet, verbietet es, dass der Italiener mit Details über seinen künftigen Werdegang hausieren geht.

Es gibt andere Dinge, die im Vordergrund stehen sollen. Zum Beispiel, dass Napoli einen rekordhohen Reingewinn von 1,01 Milliarden Franken hinterlässt – ein Plus von 8 Prozent zum Vorjahr. Auch das Betriebsergebnis (Ebit) stieg 2024 klar an, obwohl der Umsatz leicht auf 11,2 Milliarden Franken geschrumpft ist. Die Dividende wird erhöht.

Die Botschaft: Schindler ist wieder in der Spur und kann mit Effizienz punkten, selbst wenn die Baubranche harte Zeiten durchlebt. Vor drei Jahren, als Napoli zum Präsidentenamt auch die Rolle des Chefs übernahm, sah das anders aus. Damals absolvierte der Konzern nach seinen Worten eine Notlandung; es habe eines der schlimmsten Jahre der Firmengeschichte gedroht.

Schindler stellte zu viele unterschiedliche Aufzüge auf zu teure Art her. Darunter litt auch der Börsenkurs. So wurde es Napolis Kernaufgabe, die Kosten zu trimmen und eine modulare Produktplattform einzuführen. Sie erfüllt den Kunden keine extravaganten Sonderwünsche, sondern bietet Vielfalt durch die Kombination von Standardelementen. In Europa ist die Plattform bereits lanciert, im Rest der Welt folgt sie schrittweise. Die unrentablen Altverträge verschwinden allmählich aus dem Orderbuch.

Alfred N. Schindlers Wegbegleiter tritt ab

Dass diese Umstellung weitergeht, ist nun die Aufgabe von Paolo Compagna. Er ist seit 15 Jahren bei Schindler und war zuletzt für drei Jahre als Chief Operating Officer (COO) für die operative Umsetzung zuständig. Statt am 1. April, wie im Dezember angekündigt, trat er die CEO-Rolle nun schon am 1. Februar an – und verspricht der Finanzgemeinde vor allem Kontinuität. Die fundamentalen Fragen seien geklärt, Schindler brauche keine neue Strategie, erklärte er am Mittwoch.

Das dürfte Compagna auch mit Alfred N. Schindler erörtert haben. Der Patron und Ehrenvorsitzende führt die Erbengemeinschaft der Familie Schindler an, die fast 70 Prozent der Stimmrechte kontrolliert. Wie oft er in den vergangenen Wochen mit Schindler gesprochen habe, möchte Compagna nicht preisgeben.

«Herr Schindler ist sehr daran interessiert, was im Unternehmen passiert und wer der neue CEO ist. In den vergangenen drei Jahren stand ich als Mitglied der Konzernleitung und als COO in regelmässigem Austausch», sagt er im Gespräch.

Alfred N. Schindler, Jahrgang 1949, wird bald der letzte Vertreter seiner Generation im Verwaltungsrat sein. Neben ihm sitzt derzeit noch Luc Bonnard, Jahrgang 1946. Der Cousin stammt aus dem zweiten Zweig der Familie und spielte zu Alfred N. Schindlers operativen Zeiten eine grosse Rolle im Konzern. Doch an der Generalversammlung Ende März wird sich Bonnard nicht zur Wiederwahl stellen, wie das Unternehmen nun mitteilte.

Hingegen möchte Alfred N. Schindler bleiben – wieder einmal wird für den 75-Jährigen eine Ausnahme von der Altersbegrenzung gemacht. Derweil wird nach einem neuen langfristigen Präsidenten gesucht. Für Napoli übernimmt für maximal zwei Jahre Josef Ming, derzeit Berater bei Bain & Company, mit einem 40-Prozent-Pensum. Das klingt nach einer Übergangslösung: Napolis Abgang als CEO war absehbar, Compagna wurde entsprechend aufgebaut. Aber dass Napoli auch den Verwaltungsrat verlässt, traf den Konzern unvorbereitet.

Keine Lichtblicke in China und Deutschland

Compagna muss sich mit einem Weltmarkt herumschlagen, in dem es immer schwieriger wird, neue Lifte zu verkaufen. Insbesondere in China, dem mit Abstand wichtigstem Land für die Branche. «Der Markt für Neuanlagen in China dürfte vorerst weiter schrumpfen, bevor er sich in einer neuen Realität einpendelt», sagt der CEO. «Die Wachstumsraten der Vergangenheit werden wir wahrscheinlich so schnell nicht mehr sehen.»

Auch in Deutschland erwartet Compagna zumindest für 2025 keine Besserung – mittelfristig aber sehr wohl: «Die Frage ist nicht ob, sondern wann die Nachfrage anzieht. Der Bedarf an Wohnungen ist sehr gross.» Da trifft es sich gut, dass Schindler neben dem Neugeschäft immer stärker auf die Modernisierung von Fahrstühlen und Dienstleistungen setzt. Hier sind die Aussichten überall positiv. Das Segment macht inzwischen mehr als 60 Prozent vom Umsatz aus und gilt als besonders rentabel.

Bei der Profitabilität gibt es Luft nach oben: Der etwas grössere Wettbewerber Otis aus den USA erreicht höhere Margen, beim Ebit rund 16 Prozent. Schindler schaffte im vergangenen Jahr 11,3 Prozent. 2025 sollen es 12 Prozent werden.

Otis macht einen grösseren Anteil des Umsatzes in den Vereinigten Staaten – ein Markt, wo Schindler nun auch Rückenwind habe, wie Compagna sagte. Mögliche Zölle unter Präsident Donald Trump bereiten ihm wenig Sorgen, weil Schindler in allen Weltregionen mit Produktionsstätten vertreten ist. Die derzeit absehbaren Risiken liessen sich gut handhaben, so der CEO. Die Zuversicht hat Schindler bereits zurück, scheint es.

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