Montag, Oktober 7

Mit dem am Montag angekündigten Deal könnte der Richemont-Patron Johann Rupert sein Ziel endlich erreicht haben: eine globale Internetplattform für Luxusgüter. Das Online-Abenteuer hat ihn viel Geld gekostet.

Im Onlinehandel mit Luxusgütern kommt es zu einer Grossfusion. Wie am Montagmorgen bekanntwurde, übernimmt Mytheresa, die Münchner Onlineplattform für Luxusmode, die auf E-Commerce spezialisierte Richemont-Tochter Yoox Net-a-Porter (YNAP). Im Gegenzug wird der Genfer Luxusgüterkonzern Richemont künftig einen Drittel der Anteile von Mytheresa halten.

Mytheresa wird YNAP auf seine Plattform migrieren, aber die bestehenden Online-Shops eigenständig weiterführen. Es wird somit mit Mytheresa, Net-a-Porter und Mr Porter drei Websites geben, die die Mytheresa-Technologie nutzen werden.

Richemont übergibt Mytheresa seine Onlinetochter zusammen mit einem Cash-Bestand von 555 Millionen Euro und ohne Finanzschulden. Zusätzlich wird Richemont der Käuferin eine Kreditlinie von 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Die Transaktion soll im ersten Halbjahr 2025 abgeschlossen werden.

Auch Luxusgüter werden vermehrt online gekauft

Luxusmarken setzen zunehmend nicht nur auf teure, physische Standorte, sondern auch auf Online-Verkaufskanäle. Denn es hat sich gezeigt, dass die Hemmungen, Luxusgüter übers Internet zu kaufen, abnehmen. So verfügen heute fast alle bekannten Hersteller – die beiden Uhrenmarken Rolex und Patek Philippe sind notable Ausnahmen – über eigene Webshops.

Johann Rupert, der Patron der Genfer Richemont-Gruppe, hatte aber von Anfang an eine grössere Vision: Er wollte einen spezialisierten Onlinehändler für sämtliche Luxusmarken etablieren. Dieser sollte nicht nur Richemont-Marken wie Cartier, Van Cleef, IWC oder Chloé anbieten, sondern auch andere Luxuslabels wie Hermès, Louis Vuitton, Prada oder Gucci.

Richemont investierte schon früh in den Onlinehandel, zuerst ab 2003 über Net-a-Porter und dann über die italienische Plattform Yoox. Aber die Genfer kamen mit ihrer Online-Tochter nie richtig auf einen grünen Zweig, auch weil die anderen Luxusgüterkonzerne ihr Online-Geschäft nicht an eine Richemont-Plattform auslagern wollten und stattdessen ihren eigenen Weg gingen. Irgendwann war YNAP chronisch defizitär und die Technologie nicht mehr auf dem neusten Stand.

Auf die Aufwertungen der ersten Jahre, als es noch kaum Konkurrenz gab, folgte Abschreiber um Abschreiber. So musste Richemont seit der Vollübernahme von Net-a-Porter im Jahr 2010 bereits 2,5 Milliarden Euro an Wertminderungen hinnehmen. Und auch jetzt beim Verkauf an Mytheresa ist von einem Abschreiber von 1,3 Milliarden Euro die Rede.

Ein Gigant im Luxus-E-Commerce

Seit 2022 ist YNAP denn auch auf der Verkaufsliste von Rupert. Dabei sah es zunächst nach einer raschen Lösung aus: Schon im Sommer 2022 hiess es, der bis dahin sehr erfolgreiche Internet-Marktplatz Farfetch solle zum Grossaktionär von Richemonts Luxusgüterplattform YNAP werden – mit der Option, die Plattform dereinst sogar ganz zu übernehmen.

Dieser Deal platzte jedoch Ende 2023. Farfetch, hinter dem der portugiesische Unternehmer José Neves steckt, war praktisch insolvent. Das Unternehmen konnte sich durch einen Notverkauf an den südkoreanischen Onlinehändler Coupang gerade noch retten.

Seither lief bei Richemont die Suche nach einem neuen Eigner für YNAP. Diese gestaltete sich als gar nicht so einfach. Denn es sind herausfordernde Zeiten für den Luxusgütermarkt.

Zu den wenigen Luxus-E-Commerce-Unternehmen, die sich gut halten, gehört das aus einer Münchner Boutique hervorgegangene Portal Mytheresa. Der Onlinehändler, der seit 2021 an der New Yorker Börse kotiert ist, konnte im Geschäftsjahr 2023/24 um 10 Prozent wachsen.

Die Erfolgsgeheimnisse von Mytheresa sind einerseits ihre führende Technologie im E-Commerce und anderseits, dass die Top-Kunden auf dem Online-Marktplatz zu immer grösseren Einkäufen motiviert werden. So lag der durchschnittliche Bestellwert im abgelaufenen Geschäftsjahr (per Ende Juni) bei 703 Euro. Dafür setzt Mytheresa auch auf Erlebnisse in der realen Welt. So will Michael Kliger, der Chef von Mytheresa, vor allem durch exklusive Veranstaltungen Kunden an seinen Shop binden, wie er dem «Handelsblatt» unlängst anvertraute.

Ein riesiger Datenschatz

Mytheresa hat nun mit der YNAP-Übernahme die Chance, sich in der westlichen Welt als einziger markenunabhängiger Onlinehändler für Luxusgüter zu etablieren. Der Mytheresa-Chef Kliger schwärmte im Investoren-Call vor allem auch von der riesigen Kundendatenbank, die sich das Unternehmen mit diesem Kauf erschliesse. Zu Mytheresas rund 850 000 aktiven Kunden kommen laut Kliger mit YNAP weitere 3,6 Millionen Luxuskunden dazu.

Dass Mytheresa mit YNAP reüssiert, wäre durchaus auch im Sinne von Johann Rupert. Mit den 33 Prozent an Mytheresa und dem Anrecht auf einen Sitz im Verwaltungsrat wird Richemont auch weiterhin einen Fuss im zukunftsträchtigen digitalen Geschäft haben.

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