Donnerstag, November 28

Erstmals fliesst wieder mehr Geld in konventionelle als in nachhaltige Anlagen. Dennoch kippen immer mehr Banken die konventionellen Fonds ganz aus dem Sortiment.

Wer sein Geld nachhaltig anlegen will, hat die Qual der Wahl: Soll ich einen Fonds namens Climate Solutions Portfolio kaufen? Oder doch eher den Climate Transition Fund? Wobei: Climate Action Equity Fund klingt noch besser – Action signalisiert Entschlossenheit, was beim Klima dringend notwendig ist.

Auch bei der Farbe Grün überbieten sich die Anbieter mit kreativen Versprechungen: Green Stars, Green Tigers, Alpha Green, Green New Deal oder Green Planet heissen nur einige der Produkte. Inflationär wird ebenso der Begriff Net Zero verwendet, etwa in Kombination mit der Jahreszahl 2050 oder als Net Zero Ambition. Geradezu schlicht erscheint im Vergleich der Fondsname Positive Change: Wer ist schon gegen einen positiven Wandel?

Das Angebot ist riesig: Nicht weniger als 2325 nachhaltige Fonds stehen den Schweizer Kunden zur Auswahl. Zu diesem Ergebnis kommt die Hochschule Luzern in der IFZ Sustainable Investments Studie 2024, welche diese Woche veröffentlicht wird. Was das Jahrbuch ebenfalls zeigt: Die Nachfrage der Kunden ist ins Stocken geraten.

«Nach dem stürmischen Wachstum war eine gewisse Marktberuhigung zu erwarten», sagt der Studienautor Brian Mattmann. «Immerhin positioniert sich bereits ein Viertel aller Anlagen klar als nachhaltig.» Konnten diese Fonds von 2018 bis 2023 sagenhafte 550 Milliarden Franken anziehen, so sind die Neugelder in den letzten zwölf Monaten auf magere 23 Milliarden geschrumpft.

Bei der Rendite im Rückstand

Erstmals ist der Geldzufluss sogar leicht geringer als bei den konventionellen Fonds. Mattmann beobachtet neben Sättigungstendenzen auch eine Diskussion zur gegenwärtigen Entwicklung der Performance: «Seit Anfang 2022 liegt die Rendite etablierter Nachhaltigkeitsindizes hinter dem Gesamtmarkt zurück. Speziell Aktien aus den Bereichen fossiler Energie und Rüstung haben, nicht zuletzt durch den Ukraine-Krieg, starke Kursgewinne erzielt.»

Zuvor war es genau umgekehrt: Vor allem nach der Covid-Pandemie schnitten Nachhaltigkeitsstrategien oft besser ab. Sie profitierten unter anderem vom Boom im Technologiesektor, der in vielen dieser Fonds übervertreten ist. Auf lange Frist sollten sich diese Schwankungen ausgleichen, so dass beide Kategorien eine vergleichbare Rendite erzielen, erklärt Brian Mattmann.

Er betont zudem, dass innerhalb des Nachhaltigkeitssegments grosse Unterschiede bestehen: «Das stagnierende Interesse betrifft besonders Themenfonds mit Fokus etwa auf die Umwelt, das Klima oder die Energie.» Manche dieser Fonds sind mit dem ambitionierten Versprechen angetreten, sie könnten die Umwelt verbessern, was nicht belegbar ist. Hingegen verzeichnen passiv verwaltete Indexanlagen im Bereich Nachhaltigkeit weiterhin einen Zuwachs.

Positiv entwickelt sich ebenso die Nachfrage bei den Kleinkunden in den Retail-Banken, also primär den Kantonalbanken und Raiffeisen. Hier kommen die nachhaltigen Fonds auf einen deutlich höheren Marktanteil von 56 Prozent. Einen Grund sieht Mattmann in der Selbstregulierung der Banken. Seit Anfang dieses Jahres haben sie sich verpflichtet, bei sämtlichen Anlageberatungen die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden zu erfassen. «Die Einführung dieser obligatorischen Abfrage dürfte dazu geführt haben, dass Banken entsprechende Anlagen im Vertrieb verstärkt priorisieren und dadurch ein höherer Anteil der Gelder in nachhaltige Produkte fliesst.»

Fragwürdige Bürokratie

Im Gegensatz zur bürokratischen Regulierung in Europa habe die Schweiz eine liberalere Lösung gewählt, lobt der Finanzwissenschafter. «Der hiesige Ansatz bietet Banken mehr Flexibilität in der Umsetzung, das kommt Kunden und Beratern zugute.» Einige Banken gehen sogar so weit, dass sie alle konventionellen Produkte aus dem hauseigenen Sortiment gestrichen haben. Zu den Anbietern, die nur noch nachhaltige hauseigene Fonds verwalten, gehören laut der Studie Raiffeisen sowie die Kantonalbanken von Aargau, Zug, Thurgau, Graubünden, Glarus und Neuenburg.

Die Bank Raiffeisen erklärt auf Anfrage, die Fokussierung auf die Nachhaltigkeit stosse bei den Kunden auf eine positive Resonanz. Für gebührenbewusste Anleger stehe überdies ein Sortiment an Index-nahen nachhaltigen Fonds zur Verfügung. Wer dennoch eine konventionelle Strategie bevorzuge, könne diese mittels Drittfonds oder im Rahmen des Vermögensverwaltungsmandats Index Global umsetzen, welches einen Mindestbetrag von 50 000 Franken erfordert.

Auf der anderen Seite des Spektrums steht beispielsweise die Regionalbank Valiant. Laut der Studie fliessen nur 3 Prozent der neu angelegten Gelder in deren nachhaltigen Fonds. Die Bank betont auf Anfrage, die von der Valiant verwalteten Anlagelösungen ohne explizite Nachhaltigkeitsausprägung würden ebenfalls ein Mindestmass an ESG-Kriterien (ESG steht für Umwelt, Soziales und Governance) erfüllen. Zudem sei es bedarfsgerecht, wenn die Kunden weiterhin zwischen den beiden Varianten wählen könnten.

In der Mitte dieser beiden Pole steht die Grossbank UBS. Sie lässt sich nicht direkt mit den im Heimmarkt tätigen Retail-Banken vergleichen, da bei ihr auch internationale Gelder einfliessen. Gemäss der Analyse der Hochschule Luzern kommen die nachhaltigen Fonds bei der UBS auf einen Anteil von rund 40 Prozent.

ESG als «Unwort»

Die Frage, wie stark die Banken ihre Kundengelder in nachhaltige Strategien lenken sollen, ist in jüngster Zeit vermehrt zu einem Politikum geworden – insbesondere in den USA. So beklagte sich Larry Fink, der Chef der weltgrössten Investmentgesellschaft Blackrock, die Abkürzung ESG sei zu einem politischen Kampfbegriff geworden. Das «Wall Street Journal» bezeichnete ESG kürzlich als «das neuste Unwort in der amerikanischen Geschäftswelt».

Vor diesem Hintergrund erklärt Brian Mattmann, die Nachhaltigkeitsstrategie einer Bank dürfe von den Kunden keinesfalls als bevormundend wahrgenommen werden. «Diese Anlagen haben einen erhöhten Erklärungsbedarf, womit die Anforderungen an die Beratung hoch sind. Der Kunde folgt der Empfehlung seiner Bank typischerweise dann, wenn er das nötige Vertrauen mitbringt.» Nach seiner Einschätzung hat die Schweizer Bankenbranche diesen Balanceakt recht gut gemeistert. Durch den hohen Anteil nachhaltiger Fonds seien die Anbieter aber besonders stark gefordert, ihre Kundschaft umfassend über diese Produkte aufzuklären.

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