Künftig soll laut einem Konzept des deutschen Wirtschaftsministers nicht nur die Herstellung klimafreundlicher Produkte gefördert, sondern im Bereich der Grundstoffe auch die Nachfrage gestärkt werden. Ein Instrument dazu ist das öffentliche Beschaffungswesen.
Der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck peilt eine Welt an, in der ein Windrad nicht nur «grünen» Strom erzeugt, sondern zumindest anteilig auch aus «grünem» Stahl besteht und auf einem Fundament aus «grünem» Zement fusst. Und das E-Auto soll nicht nur CO2-frei fahren, sondern auch mit grünem Stahl hergestellt werden. Mit diesen Beispielen erklärte der Politiker der Grünen am Mittwoch das von seinem Ministerium erarbeitete Konzept der «grünen Leitmärkte».
Ansatz auf Nachfrageseite
Bekanntlich geht die Ampelregierung davon aus, dass die CO2-Bepreisung allein den Klimaschutz nicht oder zumindest nicht schnell genug schaffen wird. Deshalb ergänzt sie diese bereits bis jetzt mit verschiedenen Subventionsprogrammen auf der Angebotsseite. Das Konzept der Leitmärkte ist nun als weitere Ergänzung gedacht, die auf der Nachfrageseite ansetzt, also die Nachfrage nach solchen Produkten stärken soll.
Startpunkt des Vorstosses sind Definitionen für zunächst vier wichtige Grundstoffe: für klimafreundlichen Stahl, Zement und die beiden Basischemikalien Ammoniak und Ethylen. Dafür werden sektorspezifisch konkrete Schwellenwerte für die Emissionsintensität dieser Grundstoffe vorgeschlagen. Jede Definition sieht als Endziel eine Produktion mit fast keinen Emissionen, also zum Beispiel «near-zero-Baustahl», sowie vier Stufen A, B, C und D auf dem Weg dahin vor.
Das erinnert an die von Kühlschränken oder Lampen bekannten Energieeffizienzklassen. Bei Stahl oder Zement können Konsumenten und weiterverarbeitende Betriebe bis heute kaum herausfinden, wie hoch die CO2-Emissionen aus der Herstellung sind.
Aufbauend auf diesen Definitionen könnten Kennzeichnungssysteme oder Labels entwickelt werden. Private Initiativen könnten dabei einen wichtigen ersten Schritt bilden, schreibt das Ministerium. Habeck begrüsste denn auch den unlängst von der Wirtschaftsvereinigung Stahl vorgestellten Low Emission Steel Standard (LESS). Perspektivisch strebt er EU-weit einheitliche Definitionen an.
Vergaberecht als Hebel
Um aufbauend auf den Definitionen die Nachfrage nach solchen Produkten zu stärken, nennt das Konzept vor allem zwei Instrumente. Zum einen könnte die öffentliche Hand bei der Vergabe von Aufträgen beispielsweise für den Bau von Strassen, Brücken oder Gebäuden vorschreiben, dass der verwendete Zement und Stahl zu einem bestimmten Anteil klimaneutral oder klimafreundlich sein muss. Auf nationaler Ebene soll laut Habeck bei der anstehenden Novellierung des Vergaberechts die Möglichkeit für solche Vorgaben geschaffen werden.
Ein zweites Instrument, das laut Habeck aber auf europäischer Ebene umzusetzen wäre, könnten laut dem Konzept verbindliche Anforderungen an die Emissionsintensität von Grundstoffen und Produkten sowie Quoten für klimafreundliche Grundstoffe sein. Diese müssten bei der Verbringung im Binnenmarkt ansetzen, um auch für importierten Stahl oder Zement zu gelten. Eine der Grundlagen hierfür wäre laut Habeck die Öko-Design-Richtlinie der EU. Sein Ministerium will sich nach der Europawahl bei der nächsten EU-Kommission für das Konzept einsetzen.
Die genannten Industrien sind sehr CO2-intensiv. Klimafreundlichere Produktionsprozesse wie die Ablösung von mit Kokskohle befeuerten Hochöfen durch Wasserstoff-basierte Verfahren in der Stahlindustrie oder die CO2-Abscheidung bei der Zementherstellung sind aber derzeit noch teurer als herkömmliche Verfahren. Wird die Nutzung solcher Produkte über Quoten und Vergabevorschriften vorgeschrieben, werden die Nutzer bzw. Steuerzahler zunächst tendenziell mehr bezahlen müssen.
Steige allerdings die Nachfrage, könnten Kostensenkungspotenziale gehoben werden, erwartet das Wirtschaftsministerium. Zusammen mit der CO2-Bepreisung könnte das auch dazu beitragen, dass Subventionen mittel- und langfristig überflüssig werden.
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