Donnerstag, Dezember 26

Monatelang hatte María Consuelo Porras versucht, Präsident Arévalo den Einzug ins Amt zu verwehren, obwohl er mit grossem Vorsprung gewählt worden war. Sie bleibt die wichtigste Kontrahentin.

Kommt sie, oder kommt sie nicht? – Das war die Frage, die ganz Guatemala bewegte. Sie kam, und die Rede ist von María Consuelo Porras, der Generalstaatsanwältin des Landes. Die Frau, die in ihrer Funktion de facto den Kurs der guatemaltekischen Justiz verantwortet, hatte vom neuen Präsidenten des Lands, Bernardo Arévalo, eine Vorladung zur Kabinettssitzung am Montag, dem 29. Januar, erhalten. Sie sollte der Regierung Bericht erstatten über wichtige Justiz-Fälle, bei welchen sie eine zweifelhafte Rolle spielt. Doch Porras verweigerte sich einer echten Aussprache und verliess die Kabinettssitzung schon wieder nach wenigen Minuten.

Porras gilt als Architektin des Umbaus des guatemaltekischen Rechtswesens von einer einigermassen unabhängigen Justiz zu einer willfährigen Organisation im Dienste des sogenannten Pakts der Korrupten. Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Politikern, Justizbeamten, Geschäftsleuten und Armeeangehörigen, welche den Staat für ihre persönlichen Interessen ausbeuten und sich gegenseitig den Rücken frei halten.

All das hat System unter Porras. Ihre Aussage, dass alle, welche angeklagt seien, ja ihre Unschuld nachweisen könnten, stellt den Rechtsgrundsatz auf den Kopf, wonach die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils gilt.

Die Liste der Opfer von Porras ist lang: Mindestens 86 ehemalige Justizangestellte, Anwälte, aber auch Journalisten wie der international ausgezeichnete Investigativ-Journalist und Gründer der regierungskritischen Tageszeitung «El Periódico», José Rubén Zamora, wurden aufgrund fadenscheiniger Anklagen inhaftiert oder flohen im letzten Augenblick aus dem Land.

Unterstützung aus den USA

Der Kampf gegen die Korruption und für Rechtsstaatlichkeit ist das erklärte Hauptziel von Präsident Arévalo, für welches er im August die Stimmen von fast zwei Dritteln der Wählenden erhalten hat. Er möchte nun, ohne Zeit zu verlieren, mit einer Justizreform gegen den Pakt der Korrupten ankämpfen. Dabei steht ihm aber Porras im Wege, denn ihre Amtszeit läuft erst 2026 aus.

Die wichtigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Porras stehen nahezu alle auf der von den USA geführten schwarzen Liste von Personen, die in Guatemala korrupt und antidemokratisch agieren. Sie sind mit Einreiseverboten belegt und dürfen in den USA auch nicht geschäftlich aktiv werden. Das Sanktionsinstrument zeigt zwar Wirkung, reicht aber bei weitem nicht aus, um die fragile Demokratie in Guatemala zu schützen und die korrupten Netzwerke zu zerstören.

«Dafür braucht es eine funktionierende unabhängige Justiz und internationale Unterstützung», meint Virginia Laparra. Die 44-jährige ehemalige Staatsanwältin weiss wie kaum eine andere, wovon sie spricht. Sie hat die Sonderabteilung gegen die Straflosigkeit (Feci) in Guatemalas zweitgrösster Stadt Quetzaltenango geleitet und war damals de facto die dritthöchste Justizangestellte des Landes.

Laparra war zwischen Februar 2022 und Anfang Januar dieses Jahres in einer Isolationszelle in der Haftanstalt auf dem Militärstützpunkt «Mariscal Zavala» inhaftiert. Nun steht sie unter Hausarrest und muss sich regelmässig bei der Polizei melden. «Ich wurde kriminalisiert, weil ich das gemacht habe, was meine Aufgaben war. Ich habe ein Ermittlungsverfahren gegen den korrupten Richter Lesther Castellanos eingeleitet.»

Castellanos, der zum korrupten Netzwerk von Porras zählt, leitete daraufhin ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs gegen Laparra ein – ohne jedes juristische Fundament. Trotzdem wurde die streitbare Juristin zu vier Jahren Haft verurteilt – ursprünglich auf Bewährung. Doch die zuständige Richterin wandelte die Bewährungsstrafe in eine Haftstrafe um, wegen angeblicher Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Das Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte verlangte ihre Freilassung und wies auf die Verfolgung weiterer Mitarbeiter der Justiz hin.

«Uns war ab 2018 klar, dass wir aufpassen müssen», erklärt Virginia Laparra in ihrem Haus in Quetzaltenango, «dass wir im Fokus derjenigen stehen, die in den letzten fünf Jahren das Justizsystem gekapert und instrumentalisiert haben – im Interesse einflussreicher Familien und Netzwerke.»

«Der Fall Laparra hat Symbolcharakter, weil damit die Botschaft einhergeht: Das kann auch euch passieren, wenn ihr euch gegen bestimmte Interessen wendet», erklärt ihre ehemalige Anwältin Claudia González. González wurde ebenfalls kriminalisiert, sass 81 Tage in Haft. Sie hatte früher für die Uno-Kommission gegen Straflosigkeit gearbeitet – sozusagen eine Vorgängerin der Sonderstaatsanwaltschaft Feci –, die bis zu ihrem Hinauswurf durch Präsident Jimmy Morales im September 2019 Fortschritte im Kampf gegen die korrupten Strukturen in Guatemala gemacht hatte.

Das ist für Laparra auch der zentrale Grund, weshalb man an ihr und anderen Justizangestellten ein Exempel statuiert hat: «Sie wollten uns eine Lektion erteilen, so dass wir nie wieder gegen die ermitteln, die in Guatemala de facto unantastbar sind», glaubt die Juristin.

Absetzung mit einem neuen Gesetz?

Dazu sollte sich Porras am 29. Januar vor dem Kabinett verantworten. Präsident Arévalo sucht nach Wegen, um die Generalstaatsanwältin loszuwerden. Doch trotz den Protesten gegen sie in den letzten Monaten macht sie keinerlei Anstalten, zurückzutreten. Entlassen kann er sie nach gegenwärtiger Rechtslage nur, wenn sie von einem Gericht verurteilt werden würde. Dies ist aber unwahrscheinlich, da die zuständigen Richter mit Porras verbandelt sind. In Diskussion ist deshalb ein spezielles neues Gesetz, das die Absetzung ermöglichen würde.

Virginia Laparra würde das begrüssen und nur zu gern an der anstehenden Justizreform mitarbeiten. Dazu muss sie allerdings erst einmal in einem transparenten Verfahren freigesprochen werden. Das kann in Guatemala allerdings dauern.

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