Der Knatsch zwischen der FIS und Swiss Ski wegen der WM 2027 bleibt im Ski-Weltcup ein Thema. Zudem ist klar: Der Kampf um die letzte Kristallkugel wird erst am letzten Tag der Saison entschieden.
Lara Gut-Behrami und Marco Odermatt könnten wie Michela Figini, Maria Walliser und Pirmin Zurbriggen die grossen Kristallkugeln gewinnen.
Heimrennen fühlten sich an, als würden für einen Sieg 200 statt 100 Punkte vergeben. Das sagte Lara Gut-Behrami in Crans-Montana. Von allem sei mehr da: mehr Vorfreude, aber auch grössere Erwartungen, mehr Trubel; Faktoren, die Energie fressen. «An den Heimrennen wird Skifahren beinahe zur Nebensache», sagte Gut-Behrami.
Auf das Weltcup-Wochenende im Wallis traf das noch in anderer Weise zu, als es die Tessinerin gemeint hat. Zwar wurden drei Weltcup-Rennen gefahren, Gut-Behrami war mit den Rängen 1, 3 und 6 zufrieden und sammelte 200 Punkte.
Das derzeitige Skifest in Crans-Montana aber wurde vorübergehend zur Nebensache, als am Freitagabend die Ski-WM 2027 am selben Ort ins Wanken geriet. Das Problem: Der Vertrag zwischen dem Weltverband FIS, Swiss Ski und dem Organisationskomitee ist knapp zwei Jahre nach der Vergabe immer noch nicht unterschrieben. Obwohl das in der Zeit vor der FIS-Präsidentschaft von Johan Eliasch jeweils am selben Tag erledigt worden war. Die letzten offenen Punkte drehen sich um Haftungsfragen; Swiss Ski sagt, die FIS habe während der Verhandlungen die Bedingungen geändert.
Die NZZ bat die FIS um eine Stellungnahme. Diese traf am Freitagabend schriftlich ein und brachte heftige Vorwürfe an Swiss Ski. Der Schweizer Verband habe im Bewerbungsprozess falsche Versprechungen bezüglich finanzieller Garantien gemacht. Falls er diese nun nicht mehr einhalten könne, sehe sich die FIS aus Gründen der Fairness gezwungen, die WM an einen anderen Ort zu vergeben.
Die Vorwürfe weist Swiss Ski von sich. Der Verband habe sich bezüglich finanzieller Garantien immer an das gehalten, was er im Bewerbungsprozess versprochen habe. Die Garantien von Bund, Kanton und Gemeinden seien ausserdem durch die demokratischen Prozesse gegangen, sagte der Bundesrat Guy Parmelin der Agentur Keystone-SDA.
Die Drohung einer Neuvergabe fand der CEO Commercial von Swiss Ski, Diego Züger, umso befremdlicher, als alle involvierten Parteien noch am Freitagnachmittag ein Meeting gehabt hätten. Man habe sich angenähert, sagte Züger. Von der FIS war an diesem Treffen Generalsekretär Michel Vion dabei.
Ein Austausch von Swiss Ski und der FIS fand an diesem Wochenende nicht mehr statt, der Schweizer Verband war bemüht, Gelassenheit und Zuversicht zu verbreiten. «Wir sind überzeugt, dass wir von unserer Seite her die Spielregeln immer eingehalten haben und dass der Vertrag unterschrieben wird, solange noch Schnee liegt», sagte Züger.
Acht Kristallkugeln für die Schweiz?
An den WM 2027 wird Lara Gut-Behrami kaum mehr professionell Ski fahren. Für sie geht es viel kurzfristiger um den ganz grossen Erfolg: Mit 32 Jahren könnte sie zur ältesten Gesamtweltcup-Siegerin der Geschichte werden. Zudem hat sie die Chance, als erst dritte Frau nach Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin in einer Saison vier Kristallkugeln zu gewinnen.
Bis es so weit ist, braucht Gut-Behrami Geduld. Im Normalfall wird die Entscheidung erst in Saalbach am Weltcup-Final fallen. Der zieht sich dieses Jahr über zwei Wochenenden hin. Shiffrin kündigte an, dass sie bereits davor, am 9. und 10. März in Åre, wieder starten wolle. Die ersten Skischwünge nach ihrer Knieverletzung hat sie hinter sich – wer weiss, ob die Amerikanerin nicht doch schon Ende Februar in Kvitfjell am Start steht?
Shiffrin liegt zehn Rennen vor Schluss 205 Punkte hinter Gut-Behrami; die Gesamtdritte Federica Brignone hat beinahe 300 Punkte Rückstand. Die Italienerin überzeugte aber in Crans-Montana und wird sich in den verbleibenden sechs Speed-Rennen nicht so leicht distanzieren lassen.
Der Kampf um die kleinen Kugeln wird gerade in den schnellen Disziplinen eng, in vier Super-G und zwei Abfahrten ist vieles möglich. Komfortabel ist Gut-Behramis Vorsprung mit 135 Punkten hingegen im Riesenslalom; bei zwei noch ausstehenden Rennen ist sie gegenüber Brignone im Vorteil.
Gut-Behrami und Odermatt wie Figini/Zurbriggen 1988?
Es ist 36 Jahre her, seit zum letzten Mal eine Schweizerin und ein Schweizer im selben Jahr den Gesamtweltcup gewannen. Das gelang gar zwei Winter hintereinander: 1986/87 triumphierten Pirmin Zurbriggen und Maria Walliser, 1987/88 Zurbriggen und Michela Figini.
Marco Odermatt hat den Beitrag zum Kristall-Doppel geleistet und die Gesamtwertung so gut wie gewonnen. Manuel Feller startet nur in den technischen Disziplinen und wird den Rückstand von 933 Punkten nicht mehr wettmachen können. Und Cyprien Sarrazin verzichtet wegen einer Muskelquetschung in der Wade wohl auf die Riesenslaloms in Übersee. Nächstes Wochenende könnte nach dem Riesenslalom in Palisades für Odermatt auch rechnerisch alles klar sein.
Schafft es Odermatt gar, als erster Mann seit 23 Jahren und Hermann Maier in einer Saison vier Kugeln zu gewinnen? Odermatt führt nebst der Gesamtwertung auch die Klassemente in der Abfahrt, im Super-G und im Riesenslalom an. Zwei der drei Disziplinenwertungen werden erst am 22. und 24. März entschieden, in den letzten Rennen der Saison. Im Super-G führt Odermatt 81 Punkte vor dem Österreicher Vincent Kriechmayr. Spannender wird es bei der Abfahrt: Hier kommt es zum Showdown zwischen Odermatt und Sarrazin, wobei der Schweizer ein Polster von 42 Punkten hat.
Offen ist die Lage ausgerechnet im Riesenslalom, wo Odermatt zwar alle sechs bisherigen Saisonrennen gewonnen hat und über komfortable 286 Punkte Vorsprung vor Filip Zubcic verfügt. Allerdings ist das Programm in dieser Disziplin vier Monate nach dem ersten Rennen und vier Wochen vor dem Saisonende erst gut zur Hälfte absolviert: Noch stehen fünf Riesenslaloms an.