Mittwoch, Oktober 9


Reise-Tipps

In dieser französischen Stadt fliesst die Loire schon einmal rückwärts, und statt Schiffe werden heute fahrbare Elefanten gebaut. Doch es gibt ein reales Leben im Surrealen.

Nach ein, zwei Tagen in Nantes kann es sein, dass man vieles zu hinterfragen beginnt. Warum sollte ein Fluss nur in eine Richtung fliessen? Warum sollte man keinen zwölf Meter hohen, mechanischen Elefanten aus Holz und Stahl bauen und ihn über eine Insel stolzieren lassen? Und warum trinkt man nicht jeden Abend im verstaubt-glamourösen «La Cigale» einen Kir Muscadet mit Himbeergeschmack und hört der britischen Familie am Nebentisch zu, wie sie schon ihre nächste Reise (Kenya, wahrscheinlich) plant?

Nantes, die sechstgrösste Stadt Frankreichs, ist ein Ort der Neuerfindung, des passionierten «Warum nicht?». Ihre Geschichte trägt die Stadt trotzdem wie ein Matrosentattoo auf der verwitterten Haut. Vom Sklavenhandel im 18. Jahrhundert und vom daraus resultierenden Reichtum zeugen afrikanische Gesichter an Häuserfassaden, eine Gedenkstätte und die Passage Pommeraye, deren neoklassizistischer Prunk einen beinahe erschlägt (von der dürftigen Ladenauswahl kann nicht dasselbe gesagt werden).

An die 1987 weggezogene Schiffbauindustrie erinnern gigantische Kräne im Stadtteil Île de Nantes, wobei die meisten davon gerade damit beschäftigt sind, gläserne Wohnhäuser und das neue Spital in die Höhe zu ziehen. Mit viel Investition hat sich Nantes in den letzten vierzig Jahren als familienfreundliche Kulturhochburg und Tor zur Bretagne positioniert. Das zieht immer mehr Touristen an. Und Pariser, die während der Pandemie in Scharen kamen. Dass viele von ihnen geblieben sind, kann man ihnen zumindest als Besucherin nicht übelnehmen.

Eine Surrealität jagt die nächste

In Nantes findet man alle Annehmlichkeiten des städtischen Lebens: Vintage-Shopping (im «Treize»), Matcha-Latte (im «Canyon»), Sauerteigbrot (von der «Painbar») und guten (Natur-)Wein (im neueröffneten «Le Mirza»). Doch hierhin kommt man, weil man überrascht werden will.

Das Surreale scheint in der Geburtsstadt Jules Vernes mit dem manchmal beissenden Seewind eingeflogen zu kommen. Man tut gut daran, ihm nachzugeben: Den mechanischen Elefanten zu reiten, der auch die zynischsten Zeitgenossen zum Staunen verleitet.

Ein Wochenende in Nantes

Samstag: 15.00 | Check-in

Das Océania Hôtel de France in einer einstigen Stadtvilla ist etwas kitschig eingerichtet, aber perfekt gelegen.

20.30 | Abendessen

Im «Sépia» lässt man sich von der lokalen Küche Lucie Berthier Gembaras sanft umhauen.

Sonntag: 10.00 | Kunst

Jeden Sommer findet das öffentliche Kunstfestival Le Voyage à Nantes statt – manche Werke bleiben für immer.

15.00 | Ins Grüne

Bei schönem Wetter (das gibt es!) im Jardin Extraordinaire oder am Ufer der Erdre.

In ein Boot zu steigen auf dem Fluss Loire, der dank den Gezeiten des sechzig Kilometer entfernten Atlantiks manchmal seine Richtung ändert. Und schliesslich das zuckersüsse Rigolette nantaise anzunehmen, das einem der Besitzer des gleichnamigen Geschäfts an der Rue de Verdun energisch zum Probieren anbietet. Harte Schale, weicher Kern, Mandarinengeschmack. Warum nicht?

Diese Reise wurde von Le Voyage à Nantes unterstützt.

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