Ein zu hoher Cholesterinwert gilt als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten. Doch nicht jede Art von Cholesterin ist schlecht – tatsächlich? Ein Beitrag in der Rubrik «Hauptsache, gesund».
Kürzlich staunte ich nicht schlecht über eine Schlagzeile, auf die ich im Internet bei einer Recherche zufällig stiess. Hohe Spiegel des «guten Cholesterins» erhöhten möglicherweise das Demenzrisiko, hiess es da sinngemäss. Musste ich meinen didaktischen Ansatz in der Sprechstunde grundlegend überdenken?
Bisher konnte man es als Arzt bei der Besprechung der Cholesterinwerte im Blut einfach halten. Es gab das schlechte LDL-Cholesterin und das gute HDL-Cholesterin. Vereinfacht ausgedrückt ist Ersteres idealerweise tief, da höhere Konzentrationen zur Arterienverkalkung führen. Letzteres sollte hoch sein, da es einen Schutzfaktor gegen diese Form der Gefässschädigung darstellt.
Die Mitteilung, dass ihr erhöhter LDL-Cholesterinwert längerfristig ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstelle, löst bei gesunden Menschen nicht selten skeptisches Stirnrunzeln aus. Diese Reaktion ist insofern nachvollziehbar, als vom besprochenen Risikofaktor genauso wenig zu spüren ist wie vom leicht erhöhten Blutdruck oder Blutzuckerspiegel.
Immerhin gibt es im Internet nützliche Instrumente zur Verdeutlichung des individuellen Risikos, bei einem ungünstigen Cholesterinprofil ein potenziell lebensbedrohliches Ereignis durchzumachen. Dazu zählt in der Schweiz der von Experten entwickelte Agla-Rechner, mit dem sich das prozentuale Risiko abschätzen lässt, innerhalb von zehn Jahren einen – im schlimmsten Fall tödlichen – Herzinfarkt zu erleiden. Mitunter schlägt Skepsis gegenüber den Ausführungen des Arztes in Nachdenklichkeit um, wenn sich der vermeintlich vor Gesundheit strotzende Patient unversehens im roten Bereich wiederfindet.
Manchen Patienten kann man die frohe Botschaft übermitteln, dass sie ihr guter HDL-Wert vor dem Absturz in den Hochrisikobereich bewahrt. Als Beispiel mag ein 45-jähriger Raucher mit noch knapp normalem Blutdruck dienen, dessen Vater mit 55 Jahren einen Herzinfarkt erlitt und dessen LDL mit 4,9 mmol/l deutlich erhöht ist. Wenn sein HDL lediglich 0,8 mmol/l beträgt, beläuft sich sein 10-Jahres-Risiko für einen Herzinfarkt auf hohe 21,5 Prozent. In derselben Konstellation verringert ein HDL von 1,9 das Infarktrisiko auf tiefe 5,2 Prozent.
Kann man in Bezug auf das HDL auch zu viel des Guten haben? Die eingangs angesprochene Studie australischer Forscher widerlegt bei genauer Betrachtung den Nutzen eines hohen HDL für die Blutgefässe nicht. Sie bestätigt lediglich, worauf auch andere Arbeiten hindeuten, etwa eine ebenfalls in diesem Jahr publizierte norwegischen Studie. Diese legt nahe, dass bei einem HDL-Wert von ungefähr 1,9 mmol/l ein Plateau bei der Risikoreduktion bezüglich Herz-Kreislauf-Erkrankungen erreicht ist. Höhere Werte gehen nicht mit einer weiteren Senkung des Risikos für Herzinfarkte einher. Dies ist auch im Agla-Rechner so programmiert.
Diskutiert wird derzeit, ob sehr hohe HDL-Werte sogar ein erhöhtes Risiko für andere schwere Erkrankungen, darunter verschiedene Formen der Demenz, anzeigen können. Für die Cholesterindiskussion darf das HDL aber weiterhin als gutes Cholesterin bezeichnet werden. Und am noch wichtigeren Grundsatz, dass ein tiefes LDL sich günstig auf das Risiko für Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems auswirkt, ist ohnehin nicht zu rütteln.
In der wöchentlichen Rubrik «Hauptsache, gesund» werfen die Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin, Gesundheit, Ernährung und Fitness. Bereits erschienene Texte finden sich hier.
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