Donnerstag, Mai 15

Die Zahlen des Mittelschulamts zeigen: Einen «Run aufs Gymnasium» gibt es trotzdem nicht.

«Die Pfeiler stachen regelrecht in den Himmel.» Ist «regelrecht» ein Nomen, ein Verb, ein Adjektiv oder nichts davon?

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Die Aufgabe ist gar nicht so einfach. Sie stammt aus dem Deutschtest einer Aufnahmeprüfung fürs Zürcher Langzeitgymnasium. Die Antwort lautet: Es ist ein (adverbial gebrauchtes) Adjektiv. Das müssen Sechstklässler wissen, wenn sie nach den Sommerferien mit den besten Schülern ihres Jahrgangs ins Gymi gehen wollen. Und das wollen viele.

Zur Prüfung fürs Langzeitgymnasium traten Anfang März 4562 Kinder an, rund 100 mehr als im Jahr davor. 2443 bestanden die Prüfung, an der auch Mathematikaufgaben zu lösen sind und ein Aufsatz geschrieben werden muss. 2119 Schülerinnen und Schüler fielen durch. Sie müssen nun mit der Sekundarschule vorliebnehmen. Aber in zwei bis drei Jahren können sie es noch einmal probieren: mit der Aufnahmeprüfung fürs Kurzzeitgymnasium.

Diese allerdings ist nicht zu unterschätzen. Wie Zahlen des Mittelschul- und Berufsbildungsamts zeigen, scheitern nach der Sekundarschule im Verhältnis deutlich mehr Kandidaten an der Gymiprüfung als nach der Primarschule. Aus der zweiten Sekundarklasse fielen dieses Jahr 62 Prozent der Prüflinge durch. Aus der dritten waren es etwas weniger, aber immer noch mehr als die Hälfte (54,8 Prozent). Die Prüfung fürs Langzeitgymnasium hingegen bietet bessere Chancen, zumindest statistisch betrachtet. Mehr als jeder und jede Zweite der Kandidaten schaffte den Sprung an eine Mittelschule (53,6 Prozent).

Quote statt Leistung?

Laut dem Mittelschulamt entsprechen diese Quoten dem langjährigen Durchschnitt der zentralen Aufnahmeprüfung. Die steigenden Zahlen der Prüflinge seien auf das Bevölkerungswachstum zurückzuführen, sagte der Amtschef Niklaus Schatzmann am Mittwoch auf Anfrage. Mit anderen Worten: Einen eigentlichen «Run aufs Gymnasium», den Politiker und Journalisten gerne bemühen, gibt es gar nicht.

Diese Feststellungen – konstante Erfolgsquoten; mehr Prüflinge, da der Kanton mehr Einwohner hat – sind wichtig in dieser Debatte. Die Aufnahmeprüfung für Zürcher Gymnasien gerät regelmässig unter Beschuss. Die Notenskalen würden nachträglich fingiert, damit nicht zu viele Schüler beständen. Über Sein oder Nichtsein am Gymnasium entscheide einzig die Statistik – und nicht die Leistungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler, heisst es immer wieder.

Der Grund für diese Verdächtigungen: Die Quote der Zürcher Maturanden ist seit Jahren stabil. Rund 20 Prozent der jungen Erwachsenen des Kantons erreichen mit 18 oder 19 Jahren die Hochschulreife, nachdem sie entweder das Langzeit- oder das Kurzzeitgymnasium absolviert haben. Also muss der Kreis der Gymnasiasten von vornherein rein rechnerisch bereits feststehen.

Philippe Wampfler, Deutschlehrer an der Kantonsschule Uetikon am See und Dozent für Fachdidaktik an der Universität Zürich, sagte vor ein paar Wochen gegenüber den Tamedia-Zeitungen: «Es bestehen nicht diejenigen, die fürs Gymnasium qualifiziert sind, sondern so viele, wie es Plätze hat.» Niklaus Schatzmann vom Mittelschulamt widerspricht. Die Prüfungskommission verantworte die Zürcher Aufnahmeprüfung schon lange. Diese Erfahrung ermögliche es den Experten, sich jedes Jahr ungefähr gleich schwierige Prüfungsaufgaben auszudenken.

Was der Amtschef damit sagen will: Normalerweise bestätigen die Resultate der Schüler diesen Eindruck. Anpassungen an der Notenskala sind selten. Wo nötig, werden sie aus Fairness vorgenommen – und nicht, um eine fixe Quote zu erreichen.

Wampflers Kritik, die Prüfung sei unfair, da auch die Mathematikaufgaben sehr sprachlastig seien, lässt Schatzmann ebenfalls nicht gelten. «Man muss die Textaufgaben verstehen, das stimmt», sagt er. «Aber das müssen die Schüler später im Gymnasium auch können» – genauso wie logisch denken, kreativ sein, Probleme lösen. Schatzmann führt exakt jene Punkte ins Feld, die Kritiker wie Wampfler an der Gymiprüfung bemängeln. Das zeigt, wie sehr man darüber streiten kann.

Hinter dem Albis können sies am besten

Die Zahlen des Mittelschulamts liefern derweil wenig neue Erkenntnisse. Im Bezirk Meilen am wohlhabenden rechten Seeufer gehen am meisten Kinder nach der sechsten Klasse ins Gymnasium (21,5 Prozent). Die Stadt Zürich folgt dicht dahinter (20,6 Prozent). Auch in den Bezirken Affoltern (19,2 Prozent), Uster (17,6 Prozent) und Horgen (17,2 Prozent) werden nach den Sommerferien recht viele Schülerinnen und Schüler eine Mittelschule besuchen.

In einer anderen Kategorie liegt der Bezirk Affoltern an der Spitze, und zwar mit grossem Abstand. Fast 70 Prozent der Kandidaten fürs Langzeitgymnasium haben die Prüfung im vergangenen März bestanden. Es ist eine Quote, die selbst die «Gymi-Region» am rechten Seeufer in den Schatten stellt (53,1 Prozent). Auch Zürich (59,5 Prozent) und der Bezirk Uster (55,8 Prozent) weisen bessere Werte auf als die Gemeinden an der Goldküste.

Niklaus Schatzmann interpretiert diese Zahlen so: Im Bezirk Affoltern werden Kinder offenbar weit weniger unter Druck gesetzt als anderswo im Kanton. – Da könnten sich so manche Eltern, Lehrer und viele gestresste Schülerinnen und Schüler ein Beispiel nehmen.

Exit mobile version