Samstag, April 19

Raubüberfälle von Samichläusen gehören zum Standardrepertoire. Doch für einen Rechtsstreit rund um Weihnachten gibt es viel mehr Gründe.

Freude herrscht im Stadtzentrum von Cisco, Texas, als am Tag vor Heiligabend gutgelaunt der Weihnachtsmann durch die Strassen spaziert. Umzingelt von Kindern, die ihm ihre Wünsche zurufen, betritt der Nikolaus die Filiale der First National Bank. «Hello, Santa», so wird er von den Bankangestellten begrüsst.

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Niemand ahnt, dass sich unter dem Kostüm Marshall Ratliff befindet, ein berüchtigter Ex-Sträfling und Räuber, der sich für Weihnachten einen kühnen Plan zurechtgelegt hatte. Eines der cleversten Verbrechen sollte es werden – wenn in diesen dramatischen Weihnachtstagen im Jahre 1927 nicht alles ziemlich anders gekommen wäre.

Gute Tarnung, schlechte Planung

Ob sich auch der 24-jährige Italiener, der vor Jahren beschloss, mit Komplizen eine Tankstelle im Baselbiet zu überfallen, vom Santa Claus Bank Robbery in Texas inspirieren liess, ist nicht bekannt. Die Bande war in Überfällen jedenfalls geübt, und so sollte der Tankstellenraub zum grossen Coup werden. Eine halbe Million Franken vermuteten die Täter in der Kasse. Am 6. Dezember rückten sie an, passend als Samichlaus und Schmutzli verkleidet, die Waffen im Anschlag.

Doch so gut die Tarnung, so schlecht die Planung: Der Garagist war nicht vor Ort, so dass Samichlaus und Schmutzli unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten. Bald darauf wurden sie dennoch erwischt und angeklagt. Mit leichter Schadenfreude stellte der Richter fest: Ausser Spesen nichts gewesen. Statt Reichtum brachte die Aktion der Samichlaus-Bande nur Auslagen für die Kostümmiete in Höhe von 200 Franken.

Weihnachtsspezifische Landwirtschaftsmaschinen

Raubüberfälle in Samichlaus- oder Weihnachtsmann-Verkleidung sind beliebt, um ohne viel Arbeit an Geld zu kommen. Alle paar Jahre tauchen Geschichten von Räubern, Betrügern und Einbrechern auf, die sich im Chlauskostüm bereichern wollen. Meistens enden die Pläne als Flop. Dass auch die versuchte Erlangung von nicht gerechtfertigten landwirtschaftlichen Direktzahlungen zu den Vermögensdelikten zählt, wäre dennoch ein schwerer Vorwurf. Selbst wenn es dabei um Weihnachten geht.

Doch genau mit dieser Frage musste sich das Schweizer Bundesgericht vor wenigen Jahren beschäftigen: Ein Bauer aus dem Berner Oberland pochte für seine Weihnachtsbaum-Plantage auf Direktzahlungen in Form von Versorgungssicherheitsbeiträgen. Diese werden normalerweise für die «Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln» ausbezahlt.

Auch Tabakbauern würden unterstützt, obwohl deren Produkte keine Nahrungsmittel seien, so argumentierte der Bauer. Es nützte nichts. Die Behörden teilten dem Bauern mit, dass er für den Anbau von Weihnachtsbäumen nur «weihnachtsbaumspezifische» Maschinen einsetze – was in diesem Fall klar gegen die Direktzahlungen spreche. Man muss diese Logik nicht verstehen, doch das Bundesgericht stützte sie. Normalos können aus dieser Rechtsprechung höchstens eine Schlussfolgerung ziehen: Weihnachtsbäume sind zum Verzehr ungeeignet.

Früher war mehr Lametta

Neben der Aufzucht führt aber auch der Gebrauch der Tannen zu Rechtsstreitigkeiten. Rund um Weihnachten kommt es jeweils zu 50 Prozent mehr Zimmer- und Wohnungsbränden als an den restlichen Tagen im Jahr. Es gibt doppelt so viele brandbedingte Schadensmeldungen. So wie im Fall jener Frau, die an einem Januarabend vor einigen Jahren die Kerzen ihres dürren Baumes ein letztes Mal anzünden wollte und diesen prompt in Brand setzte. 20 000 Franken betrug der Schaden. Die Versicherung bezahlte anstandslos.

Dafür meldete sich die Staatsanwaltschaft des betreffenden Kantons mit einer Busse von 200 Franken bei der Frau – allen Ernstes wegen Widerhandlung gegen das kantonale Brandschutzgesetz. Der Fall landete vor Gericht, wo die Angeklagte im Detail schildern musste, wie sie ihren Baum gepflegt und gegossen hatte. Sie habe sich nicht strafbar gemacht, befand der Richter schliesslich. Es sei trotz trockenem Geäst nämlich Usus, die Kerzen am Baum um Dreikönig herum noch einmal anzuzünden. Allem Brauchtum zum Trotz: Die Frau schwor, nie mehr eine Tanne mit einer Kerze zu bestücken.

Und tatsächlich: Elektrische Lichter statt Kerzen sind im Trend, dazu religionsneutrale Festtagsgrüsse, vegane Zimtsterne und alkoholfreier Glühwein. Oder kurz: «Früher war mehr Lametta.» Mit diesem Zitat aus dem berühmten Loriot-Sketch «Weihnachten bei Hoppenstedts» liess eine Firma vor fünf Jahren T-Shirts bedrucken. Doch das passte Loriots Erbinnen nicht, sie zogen den Hersteller wegen Urheberrechtsverletzung vor Gericht. Die Wortfolge bringe in Kürze, phantasievoll und treffend zum Ausdruck, dass früher alles besser gewesen sei. Deshalb habe sie «Werkqualität».

Das Oberlandesgericht München sah das allerdings deutlich anders und deklassierte die Wortschöpfung wieder zum profanen Allgemeingut: «Seine Besonderheit und Originalität erfahre dieser Satz durch die Einbettung in den Loriot-Sketch», befand es. Blende man den Sketch und die Tatsache aus, dass der Satz von Loriot stamme, handele es sich «um einen eher alltäglichen und belanglosen Satz». Er bringe schlicht zum Ausdruck, «dass früher mehr Lametta benutzt wurde».

Eine Falle für den Weihnachtsmann

Das Oberlandesgericht Düsseldorf musste sich in einem anderen Streit mit dem korrekten Aussehen des Weihnachtsmannes beschäftigen. Es einigte sich auf folgende Beschreibung: «Gedrungener, dicklicher, freundlicher Mann», «mit einem langen, weissen, spitz zulaufenden Bart und einem Mantel mit weissem Besatz». Dazu «schwarze, klobige Stiefel, mit einem weissen Punkt» sowie «eine Zipfelmütze mit weissem, nach oben stehendem Bommel». So präzise fiel der Steckbrief aus, dass sich Juristinnen und Juristen fragten, ob die Richter dem Weihnachtsmann möglicherweise tatsächlich begegnet sind.

Ausgeschlossen ist das nicht: Das 2020 in Deutschland eingereichte Patent 202019005225U1 beschreibt ein «Fallensystem, das in modernen Fluren und Wohnzimmern das Aufspüren und Sicherstellen des Weihnachtsmannes zu Heiligabend» ermöglichen soll. Dafür wird ein reissfester Faden an der Wand befestigt. Das andere Ende des Fadens umschliesst schlaufenartig ein mit Glühwein gefülltes Glas. Mit dieser Erfindung sei es nicht nur möglich, schlafende Mitbewohner zu wecken, sondern auch leichter Spuren zu sichern, heisst es in dem Patent: Das Verschütten des Glühweins durch Berühren des Stolperfadens sowie die süsse Klebrigkeit und die rote Farbe des Glühweins bewirkten, «dass Fussspuren am Boden dauerhaft erhalten bleiben und später analysiert werden können».

Die halbe Stadt jagt mit

In Cisco, Texas, geht es derweil martialischer zu und her: «Hände hoch», ruft der Weihnachtsmann, nachdem er die Waffe gezückt und auf die Angestellten gerichtet hat. Rasch füllen er und seine Komplizen die Säcke mit Geld. Aber eine aufmerksame Kundin schleicht sich aus der Bank und schlägt Alarm. Draussen versammelt sich schnell eine riesige Menschenmenge, die Polizei eilt herbei. Es kommt zu einer wilden Schiesserei, zur Geiselnahme, zur Flucht und zu einer der legendärsten Verfolgungsjagden in der texanischen Geschichte. Die halbe Stadt ist dabei.

Zwei Bandenmitglieder werden Tage später erwischt und erschossen. Die beiden anderen werden gefasst und zum Tode verurteilt, unter ihnen auch Ratliff. Doch noch bevor das Urteil vollstreckt werden kann, wird der falsche Weihnachtsmann von einem Mob aus der Zelle befreit – und am nächsten Telefonmast aufgehängt.

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