Montag, Oktober 28

Die beiden Star-Pianisten sind eigentlich denkbar unterschiedlich, doch jetzt treten sie in der Tonhalle als Klavierduo auf und reissen das Publikum zu Jubelstürmen hin.

Optisch wirkt dieses ungewöhnliche Duo wie These und Antithese: Am linken Flügel wird Yuja Wang ihrem Beinamen «Rihanna der Klassik» standesgemäss im knallgelben Minidress gerecht, am rechten Flügel verkörpert der Isländer Víkingur Ólafsson nordischen Minimalismus im dezenten Anzug. Ihre gemeinsame Tournee mit Werken für zwei Klaviere und Klavier zu vier Händen ist gerade erst gestartet und ruft doch auf Social-Media-Kanälen bereits Superlative hervor. Am Freitag machte «The Duo of Duos» nun in der ausverkauften Tonhalle Zürich Station.

Da war die Aufregung vor dem Konzert im Publikum fast physisch zu spüren: Würde es zum künstlerischen Clash kommen zwischen der omnipräsenten Power-Pianistin, die es schon fertiggebracht hat, alle vier Rachmaninow-Konzerte am Stück zu spielen, und dem nicht minder charismatischen, aber etwas introvertierteren Klang-Alchemisten Ólafsson, dessen Einspielungen allein für die Deutsche Grammophon eine Milliarde Streams erreicht haben?

Vereint im Gegensatz

Eine Antwort darauf sollte wohl die ungewöhnliche Zusammenstellung des Zürcher Konzertprogramms bieten. Es stellte Eckpfeilern der vierhändigen Klavierliteratur wie Schuberts f-Moll-Fantasie und Rachmaninows «Sinfonischen Tänzen» experimentelle Kompositionen der neuen Musik und der Minimal Music entgegen, etwa Luciano Berios «Wasserklavier» aus «Six encores» und John Adams’ «Hallelujah Junction».

Während Berios «Wasserklavier» wie eine Spiegelung, zerbrechlich und rein, in beiden Klavierparts noch etwas konturenlos dahinfloss, steigerte das Duo die Erregungskurve in Schuberts Fantasie in f-Moll – ungewöhnlicherweise auf zwei Klavieren gespielt – im unablässigen Wechsel zwischen Hoffnung und Melancholie. So sehr, dass der plötzliche Abbruch der Musik auf dem Höhepunkt des Schlussteils den imaginären Raum zwischen den beiden Klavieren zum Vibrieren brachte und sich die Spannung in die Stille der folgenden Generalpause entlud. Doch in dem sehnsuchstvollen Schluss, von Wang und Ólafsson wieder im vollendeten Einklang gespielt, behielt die Melancholie das letzte Wort.

In Schuberts anspruchsvoller Fantasie demonstrierten die beiden Virtuosen nicht nur – jeder für sich – ihre herausragenden technischen Fähigkeiten, sondern auch ein Gespür für die Synchronizität, die beim vierhändigen Spiel entscheidend, aber eben auch die grösste Herausforderung ist. Ihr natürlich wirkendes Einvernehmen, etwa in Fragen der Tempogestaltung und der Artikulation, benötigte die physische Nähe des gemeinsamen Spiels auf ein und derselben Tastatur nicht, um die Klippen des Zusammenspiels zu meistern.

Im Rhythmus-Sturm

Das unterstrich auch der unerwartete zweite Höhepunkt des Abends, John Adams’ «Hallelujah Junction». In dieser musikalischen «Kreuzung» entsteht durch unablässige Repetition und Variation musikalischer Patterns, die alle auf dem Rhythmus des Worts «Hallelujah» basieren, ein konstanter Effekt des Widerhalls in beiden Klavierstimmen. Er führte zu einer mitreissenden Überlagerung der Phrasen und einem wahren Rhythmus-Sturm, in dem sich Wang mit eruptivem Spiel und Ólafsson in strenger Perfektion spielerisch die Stirn zu bieten schienen.

Das wurde nur noch gesteigert durch die Intensität von Rachmaninows «Sinfonischen Tänzen», die der Komponist selbst einmal als seinen letzten «Funken» beschrieben hat. Spätestens da war der Funke der Begeisterung restlos auf das Publikum übergesprungen. Für den Jubel dankte das Duo dann doch noch Schulter an Schulter an einem Instrument: mit nicht weniger als fünf Zugaben, darunter Evergreens wie der erste «Ungarische Tanz» von Brahms und das groovige «Snowflakes» aus der Jazz-Suite von Alexander Zfasman. Da hielt es dann niemanden mehr auf den Sitzen.

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