Der amerikanische Präsident will mit Zöllen das Handelsbilanzdefizit gegenüber der EU wegbringen, diese kündigt Vergeltung an. Doch die Ursachen des Streits lassen sich nur schwer beheben.
«Sie nehmen unsere Autos nicht oder unsere Agrargüter», hat der amerikanische Präsident Donald Trump jüngst wiederholt lamentiert. Eigentliche nehme die EU fast keine Güter von den USA. Trump droht daher damit, europäische Produkte mit Zöllen von 10 bis 20 Prozent zu belegen.
Tatsächlich weisen die USA gegenüber dem Staatenbund seit langem ein Handelsbilanzdefizit im Warenhandel auf. Daran haben auch die steigenden Ausfuhren von Flüssiggas nach Europa ab 2022 nichts geändert. Trump verschweigt allerdings, dass die hochentwickelte Dienstleistungswirtschaft seines Landes 2023 bei den Services einen Überschuss von 104 Milliarden Euro aufwies.
Teils nervös, teils angespannt warten die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedsländer darauf, zu welchen Massnahmen Trump greifen wird. Am Wochenende hat er Sonderzölle von 25 Prozent auf Aluminium und Stahl zusätzlich zu den bestehenden angekündigt.
Europäische Firmen gehören in den USA nicht zu den grossen Anbietern dieser Produkte. Trotzdem reagierten europäische Politiker heftig auf die neueste Ankündigung Trumps. «Wir werden antworten», sagte Frankreichs Aussenminister Jean-Noël Barrot. Was ist wahrscheinlich, und wie wird die EU reagieren?
So könnte es weitergehen:
- Trumps Klagen: Trump wirft den Europäern vor, ihren Überschuss beim Warenhandel mit unfairen Mitteln zu erzielen. Der frühere US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer, der Trumps merkantilistische Sicht geprägt hat, warf besonders Deutschland vor, den Euro schwach zu halten, um Überschüsse zu erzielen. Frankreich bezichtigt er des Protektionismus, etwa im Bereich der Militärgüter. Trump selbst beklagt sich regelmässig über die europäische Mehrwertsteuer: Weil diese auf Ausfuhren nicht anfällt, funktioniert sie aus seiner Sicht wie eine Exportsubvention. Handelsbarrieren für die amerikanische Landwirtschaft haben schon in der Zeit vor Trump zu Konflikten geführt, etwa das Verbot von mit Wachstumshormonen behandelten Rindern und von «Chlorhühnchen». Hühnerfleisch aus Hygienegründen mit einer Chlorlösung zu behandeln, ist in der EU verboten, obwohl die Amerikaner seit Jahrzehnten argumentieren, dass dies sicher sei.
- Trumps Strategie: Viele Eckpunkte von Trumps EU-Strategie sind unklar. Er hat nicht gesagt, wie hoch die Zölle sein sollen, wann sie eingeführt würden und was er von der EU verlangt. Unsicherheit zu verbreiten, ist für Trump auch eine Verhandlungsstrategie. Er lässt die Europäer im eigenen Saft schmoren und verschafft sich so Spielraum, um den Ton mal zu verschärfen, mal zu mässigen. Trumps Regierung weiss, dass ein Handelskonflikt mit der EU auch den eigenen Konsumenten und den republikanisch geprägten Gliedstaaten schadet. Aber Trump setzt darauf, dass die EU wegen ihres Überschusses am kürzeren Hebel sitzt und rasch Zugeständnisse macht, wenn er ausreichend scharfe Drohungen ausstösst.
- Gegenmassnahmen der EU: Die EU hat kein Interesse, den Konflikt mit Trump eskalieren zu lassen. Die Länder des Staatenbundes sind viel stärker in die Weltwirtschaft eingebunden als die USA. Der Handel trägt daher auch stärker zu ihrem Wohlstand bei als beim grossen Verbündeten. Falls Trump einen Handelskonflikt vom Zaun bricht, wird die EU wohl gezielt mit wenigen Zöllen den USA Nadelstiche versetzen. Dabei wird sie verhindern, dass Zölle Vorprodukte belasten, die europäische Hersteller benötigen. Wie Zölle gezielt angewendet werden können, hat China demonstriert: Im Streit um E-Autos belegte es europäische Weinbrände mit Einfuhrabgaben. Das traf besonders die französischen Cognac-Hersteller. Weinbrände sind aus chinesischer Sicht ein Luxusgut, die heimischen Konsumenten leiden somit kaum. Gleichzeitig zielt die Gegenmassnahme auf eine Berufsgruppe, die bekannt dafür ist, sich bei der Regierung rabiat Gehör zu verschaffen – die Bauern. Nach diesem Drehbuch wird auch die EU Zölle erheben, zumindest in der ersten Runde.
- Die offene Flanke der EU: Falls die USA die EU ins Visier nehmen, werde man entschlossen handeln, sagte die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen. Zölle kann die Kommission in Eigenregie einführen. Die Handelspolitik der EU ist ihre Domäne. Aber im Streit mit den USA geht es um mehr als um Handel: Es stehen die guten Beziehungen mit dem wichtigsten Verbündeten auf dem Spiel. Deshalb werden die Mitgliedsländer mitreden wollen. In der EU leben 450 Millionen Menschen. Wirtschaftlich ist der Staatenbund auf den ersten Blick also stark. Fraglich ist allerdings, ob er mit einer Stimme sprechen wird. Das war jüngst bei aussenpolitischen Themen fast nie der Fall. So gibt es Ministerpräsidenten, die Trump nahestehen, etwa der Ungar Viktor Orban und die Italienerin Giorgia Meloni. Andere haben zum US-Präsidenten ein distanziertes Verhältnis, so der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz oder der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Trump kann sich diese Uneinigkeit zunutze machen und die EU spalten.
- Mögliche Lösungen: Von der Leyen hat höhere Flüssiggas-Käufe in den USA ins Spiel gebracht, um Trump zu besänftigen. Die USA verdoppeln ihre Exportkapazität für Flüssiggas bis 2028; in ein bis zwei Jahren könnte Europa mit diesem zusätzlichen Volumen russisches Flüssiggas ersetzen, das manche Länder immer noch in grossen Mengen importieren. EU-Parlamentarier schlugen auch vor, die Zölle auf amerikanische Autos zu reduzieren oder in den USA mehr amerikanische Waffen zu erwerben. Schliesslich wäre es für die EU auch möglich, Regeln für den Import von Agrargütern zu lockern, wie sie das auch schon getan hat. Das Mehrwertsteuer-Problem könnten die USA derweil selbst lösen, indem sie ihr Steuersystem dem Rest der Welt anglichen. Solche Versuche sind in Washington aber regelmässig gescheitert, weil potenzielle Verlierer dagegen lobbyierten. Ferner könnte Trump darauf hinwirken, den Dollar zu schwächen. Aber das verteuerte die Importe.
- Die Hindernisse: Viele dieser Lösungen tönen nach Basar sowie gelenkter Wirtschaft und funktionieren daher nur schwerlich. Erstens schliesst die EU keine Gasverträge ab. Die Energieversorgung sehen die Länder als sicherheitsrelevant an, von der Kommission lassen sie sich auf diesem Gebiet nicht hineinreden. Orban beispielsweise setzt weiterhin auf Erdgas aus Russland. Zweitens kaufen Europäer nicht aus bösem Willen so wenige in den USA gefertigte Autos; vielmehr sind diese teilweise nicht konkurrenzfähig. Drittens besteht bei Waffen ein Engpass. In diesem Geschäft fehlt es nicht an der Nachfrage, sondern am Angebot.
- Das grösste Risiko: Der Handelskonflikt der USA mit der EU ist schwieriger zu lösen als jener mit Mexiko und Kanada, weil sich ein «Deal» kaum mit sachfremden Zugeständnissen erzielen lässt. Gegenüber den Nachbarländern setzt Trump die Handelspolitik ein, um politische Ziele zu erreichen. Mexiko etwa soll an der Grenze verstärkt gegen den Drogenhandel und die Migration in die USA vorgehen. Dafür schickt die Regierung nun 10 000 Soldaten zusätzlich in den Norden das Landes. So konnte sie erreichen, dass die USA die Einführung von Zöllen zumindest aufschieben. Doch das Handelsbilanzdefizit der USA mit der EU lässt sich auf die Schnelle kaum reduzieren – weder mit Zöllen noch mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen.
Fazit: Es besteht die latente Gefahr einer Eskalation
Weil die Ursachen des Handelsstreits zwischen der EU und den USA so schwierig zu beseitigen sind, besteht die Gefahr einer Eskalation. Beide Seiten verfügen über Möglichkeiten dazu: Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Trump Einfuhrabgaben auf Stahl und Aluminium erhoben, was die EU mit Gegenzöllen beantwortete. Diese Zölle wurden während Joe Bidens Präsidentschaft bloss ausgesetzt – nun sollen sie wieder eingeführt werden.
Auswirkungen auf die Schweiz
Die EU hat Ende 2023 das Anti-Coercion Instrument (ACI) geschaffen. Es bildet den Rahmen von Massnahmen, mit denen der Staatenbund reagiert, falls ein anderes Land ihm schadet, zum Beispiel indem es diskriminierende Zölle erhebt. Möglich sind dann etwa Zölle auf Dienstleistungen von amerikanischen Techfirmen.
Der Ton zwischen von der Leyen und gewissen europäischen Regierungen einerseits und Vertretern der Trump-Regierung andererseits ist jüngst zunehmend gehässig geworden. Das Verständnis für die Position der Gegenseite scheint gering zu sein. Das erschwert einen Kompromiss. Die EU hat allerdings immer betont, dass sie nicht zu einer Massnahme des ACI greifen wolle – dieses soll vielmehr abschreckend wirken.