Mittwoch, November 27

Donald Trump schüttelte diese Woche den taiwanischen Aktienmarkt durch. Seine Verhandlungstaktik dürfte bei einer zweiten Amtszeit zum Muster werden.

Donald Trump erhielt in der vergangenen Woche nicht zuletzt wegen des Attentatsversuchs viel Aufmerksamkeit. Er nutzte das Rampenlicht, um der Welt seine Vision für die Wirtschaftspolitik mitzuteilen. Am Mittwoch erschien bei der Nachrichtenagentur Bloomberg ein langes Interview mit dem Präsidentschaftskandidaten. Trump wiederholte seine Grundsätze dann am Parteitag der Republikaner, wo er zum offiziellen Kandidaten berufen wurde.

Als Stimulus für die amerikanische Wirtschaft fordert Trump tiefe Steuern und Deregulierung. Von Letzterer dürfte etwa die Ölindustrie profitieren: Klimagesetzgebungen sollen zurückgefahren und die Rohstoffgewinnung angekurbelt werden. «Drill, baby, drill», rief Trump einer johlenden Menge am Parteitag zu.

Viel wichtiger für das Schicksal der internationalen Finanzmärkte ist aber seine Handelspolitik. Das Motto lautet wieder «America First»: Trumps Handelsverständnis folgt der Logik, dass mehr Export gut, mehr Import aber schlecht für Amerika sei. Für sämtliche Importe schlug er im Wahlkampf einen Zoll von 10 Prozent vor, für Güter aus China sollen es sogar 60 Prozent werden. Mit der Wahl von J. D. Vance zum Vize-Kandidaten, einem überzeugten Isolationisten, lieferte Trump ein klares Signal für mehr Protektionismus.

Der Präsidentschaftskandidat gab in dem Interview mit Bloomberg aber offen zu, dass hinter der Forderung nach mehr Protektionismus auch viel Verhandlungstaktik steckt: Mit hohen Zöllen wolle er Zugeständnisse für die amerikanische Industrie erringen.

Trump tadelt, und die Märkte folgen

In Trumps Welt müssen sich andere Staaten die Gunst Amerikas erkaufen. Das gilt auch für Taiwan: Der Inselstaat habe lange von der bedingungslosen Unterstützung der USA profitiert, ihnen sogar die Chipindustrie gestohlen, sagte Trump. Wolle Taiwan weiterhin amerikanischen Schutz, so müsse das Land dafür bezahlen.

Die Aussage hat Taiwans Finanzmärkte diese Woche durchgerüttelt: Der taiwanische Dollar sackte am Freitag auf ein Acht-Jahre-Tief gegenüber dem amerikanischen Dollar. Taiwans Aktienindex verlor im Wochenvergleich rund 4 Prozent.

Das lag vor allem am grössten Unternehmen des Landes: Die Aktie von TSMC, Weltmarktführer bei der Herstellung von Halbleitern, verlor als Folge des Trump-Interviews von Mittwoch auf Donnerstag über 7 Prozent an Wert. Selbst gute Quartalszahlen am Donnerstag machten die geopolitische Drohkulisse nicht vergessen.

Die Chipbranche hatte weltweit eine schwierige Woche. Denn unabhängig von Trumps Drohgebärden gegenüber Taiwan berichtete Bloomberg am Mittwoch von einem internen Arbeitspapier, wonach die Biden-Regierung verschärfte Bestimmungen für die Ausfuhr von Mikrochips nach China in Erwägung gezogen habe. Die ASML-Aktie fiel gleichentags um 11 Prozent, Nvidia um 6 Prozent.

US-Aktien im Aufschwung, unklare Zukunft für Anleihen

Der amerikanische Protektionismus wird die Anleger in der Zukunft wohl weiterhin beschäftigen, allem voran bei einem Wahlsieg von Donald Trump. Denn: Trump gilt als gewiefter Taktiker, der mit gezielten Aussagen Druck auf fremde Staaten ausübt. Den Aktienmärkten in Europa und Asien – Weltregionen, die in der Vergangenheit unter Trumps scharfer Beobachtung standen – dürften bei einer erneuten Präsidentschaft unsichere Zeiten bevorstehen.

Für amerikanische Aktien hingegen würde sich eine zweite Amtszeit Donald Trumps aufgrund der angekündigten Stimulierungspakete kurzfristig positiv auswirken, sagt der UBS-Stratege Kiran Ganesh. Dies gelte allen voran für Branchen, die in den Genuss einer Deregulierung kommen dürften. Ganesh nennt den Finanzsektor als Beispiel: Er glaubt, dass der positive Effekt noch nicht in den derzeitigen Marktpreisen der amerikanischen Finanztitel eingepreist ist.

Samy Chaar, Chefökonom bei Lombard Odier, erwartet ebenfalls, dass Trump bei Amtsantritt für einen nominalen Wachstumsschub sorgen würde. Er teilt die generell positiven Aussichten für die Aktien amerikanischer Unternehmen.

Bei den Anleihen sind die potenziellen Auswirkungen einer erneuten Präsidentschaft Donald Trumps weniger deutlich. Trump selber behauptete jüngst, tiefe Zinsen seien im Kern seines Wirtschaftsprogramms. Ob sich das tatsächlich erfüllt, ist jedoch unklar. Denn: Viele Experten gehen davon aus, dass Trumps Tiefsteuer- und Deregulierungspolitik kurzfristig inflationäre Schübe auslöst.

Auch Zölle führen generell dazu, dass betroffene Güter im Inland teurer würden. Das Federal Reserve müsste in einem solchen Szenario eher an höhere statt tiefere Zinsen denken, findet Kiran Ganesh von der UBS. Jan Hatzius, Chefökonom bei Goldman Sachs, sagte Anfang Juli an einer Konferenz gar, dass bei einer Präsidentschaft Donald Trumps mit fünf zusätzlichen Zinserhöhungen durch das Federal Reserve zu rechnen sei.

Samy Chaar widerspricht dieser Interpretation: Während Trumps erster Präsidentschaft sei der Inflationsschub tiefer ausgefallen, als zuvor von vielen Kommentatoren vorausgesagt worden sei. Er erwartet, dass die Zölle die Inflation zwar moderat antreiben würden – da Trumps Energie-Offensive aber vermutlich zu einem sinkenden Ölpreis führen würde, bleibt der Inflationseffekt am Ende Chaars Meinung nach unklar.

Ein Szenario könnte die amerikanischen Aussichten aber eindeutig trüben: Das Haushaltsdefizit ist in den letzten Jahren rasant gestiegen, und auch Trump macht nicht den Anschein, etwas dagegen tun zu wollen. «Noch sehen die Anleger US-Staatsanleihen als sicheren Hafen. Wenn der Wind kehrt, gehen die amerikanischen Finanzmärkte aber unsicheren Zeiten entgegen», sagt Kiran Ganesh von der UBS.

Die Unberechenbarkeit bleibt

Sollten Anleger nun bereits auf den Trump-Effekt wetten? Ganesh rät zur Zurückhaltung. Einerseits können Präsidentschaftswahlen überraschende Wendungen nehmen: In der Vergangenheit ging so mancher Wahlkampf anders aus, als im Vorfeld erwartet wurde. Im Jahr 2016 etwa rechneten die Märkte mit einem Sieg von Hillary Clinton.

Andererseits ist trotz den deutlichen Prognosen im Präsidentschaftsrennen noch unklar, wie ungehindert Trump sein wirtschaftspolitisches Programm überhaupt umsetzen könnte. Bei den Wahlen um den Kongress deutet schliesslich alles auf einen knappen Ausgang hin, allem voran im Repräsentantenhaus. Behalten die Demokraten dort die Mehrheit, so könnten sie Trumps Pläne blockieren.

Samy Chaar erwartet, dass Trump seine zweite Amtszeit bekommen wird. Und unabhängig von einer möglichen politischen Blockade könnten Anleger heute schon antizipieren, dass Trumps Verhandlungstaktik den Welthandel prägen wird: «Trump meint es ernst: Er wird auf internationalem Parkett von anderen Staaten Handelsvorteile für Amerika einfordern.»

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