Sonntag, Oktober 6

In verschiedenen Kantonen müssen sich die Regierungen mit einem Verbot für Smartphones an den Volksschulen befassen. Ein Konsens ist nicht in Sichtweite.

Kinder haben immer früher ein eigenes Smartphone, und sie verbringen immer mehr Zeit damit. Zu diesem Schluss kommen alle Studien, die diesem Thema gewidmet sind. Das Handy dominiert aber nicht nur die Freizeit, auch in der Schule ist es allgegenwärtig. Gleichzeitig steigt die Zahl der Volksschulen, die das Handy im Unterricht oder gleich auf dem ganzen Schulareal verbieten oder den Gebrauch zumindest stark einschränken.

In mehreren Kantonen beschäftigt sich die Politik damit. Im Thurgauer Kantonsparlament wurde vergangene Woche eine Interpellation eingereicht, die eine Diskussion über ein Handy-Verbot an den Schulen in Gang bringen will. «Die Jugendlichen kämpfen mit dem Druck, dass sie ständig online sein und mit anderen Personen interagieren müssen. Dieser Druck führt zu kognitiver Überbelastung und psychischem Leid», schreiben die Interpellanten Daniel Vetterli und Aline Indergand (beide SVP). Die Bildungsziele seien durch die übermässige Nutzung von Smartphone und sozialen Netzwerken «stark gefährdet». Die Regierung soll nun beantworten, ob sie ein Handy-Verbot an den Schulen unterstützt. 70 von 130 Kantonsparlamentariern haben die Interpellation unterzeichnet.

Mit einer ähnlichen Anfrage muss sich demnächst die Luzerner Regierung beschäftigen. Die Kantonsrätin Gabriela Schnider-Schnider (Mitte) will wissen, ob sich die Kantonsregierung bereits mit der Thematik des Smartphone-Verbots auseinandergesetzt habe. Einzelne Schulgemeinden hätten die Smartphones aus den Schulen verbannt. Die uneinheitliche Handhabung im Kanton führe oft zu Missverständnissen und Diskussionen, schreibt Schnider-Schnider. «Eine kantonale Vereinheitlichung an allen öffentlichen Schulen wäre hier sicherlich hilfreich.» Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob auch der Kanton Luzern ein solches Verbot in Erwägung ziehe.

Ähnliche Vorstösse sind unter anderem in den Kantonen Zürich, Basel und Solothurn hängig.

Innerkantonaler Flickenteppich

Tatsächlich ist der Umgang mit Smartphones nicht nur von Kanton zu Kanton unterschiedlich geregelt, sondern von Schulgemeinde zu Schulgemeinde. Praktisch in jedem Kanton gibt es die gesamte Bandbreite: von Schulen ohne jede Regelung bis zu solchen mit restriktiven Verboten. Dazwischen gibt es diverse Abstufungen. Einzelne Schulen kennen ein striktes Verbot auf dem ganzen Areal, andere setzen auf Einschränkungen während der Unterrichtszeiten, wieder andere beschränken sich auf Restriktionen während der Pausen.

Dieser innerkantonale Flickenteppich zeigt sich etwa in der Ostschweiz: In den städtischen Primarschulen von Rapperswil-Jona im Kanton St. Gallen gilt während der Unterrichtszeiten ein striktes Verbot für Handys und alle Arten von digitalen Bild- und Tonspeichergeräten. Ausnahmebewilligungen gibt es nur gegen eine schriftliche Begründung an die Schulleitung.

Im Oberstufenzentrum Mühlizelg im sankt-gallischen Abtwil dürfen die Schülerinnen und Schüler seit Beginn dieses Schuljahres das Handy nicht mehr in der Hosentasche tragen. Die Jugendlichen seien durch den Vibrationsmodus immer wieder abgelenkt worden, und das sei für Lehrpersonen kaum zu kontrollieren gewesen, wie das «St. Galler Tagblatt» schreibt.

OECD-Studie rät von Verbot ab

Dass die Smartphone-Nutzung unter Kindern und Jugendlichen bisweilen epidemische Ausmasse annimmt, wird in der Politik kaum mehr bestritten. Was den Umgang mit der Thematik betrifft, gehen die Meinungen aber auseinander.

Im Kanton Solothurn hat die Regierung Anfang August deutlich gemacht, dass sie von einem kantonalen Handy-Verbot für die Schulen nichts hält. Zum einen liege es in der Verantwortung der Schulträger, entsprechende Regelungen einzuführen. Zum andern gehörten die digitalen Geräte zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler, sie müssten den Umgang damit lernen. «Gemeinsam erarbeitete Regelungen werden von den Schülerinnen und Schülern eher befolgt als generelle Verbote.»

Die Solothurner Regierung liegt damit auf der Linie der OECD. Die Organisation der westlichen Industriestaaten rät von einem strikten Smartphone-Verbot an Schulen ab. Ein verantwortungsbewusster und gezielter Einsatz von Handys könne den Lernerfolg befördern. Schülerinnen und Schüler, die täglich ein bis fünf Stunden mit Handys oder Tablets lernten, erzielten bessere Ergebnisse als jene, die keine digitalen Hilfsmittel einsetzten. Gleichzeitig warnt die OECD vor grossen Lernrückständen bei Schülerinnen und Schülern, die im Unterricht mit dem Handy herumspielten.

In der Schweiz besitzen mittlerweile 20 Prozent der sechs- und siebenjährigen Kinder ein eigenes Smartphone. Bei den 12- und 13-Jährigen sind es bereits 79 Prozent. Zu diesem Schluss kommt 2021 die MIKE-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), eine regelmässige Untersuchung des Mediennutzungsverhaltens von Primarschulkindern in der Schweiz.

Krass zugenommen hat die Nutzung insbesondere während der Corona-Jahre. 2020 waren Jugendliche an einem Wochenendtag gemäss Selbsteinschätzung rund fünf Stunden mit dem Handy beschäftigt, wie es in der James-Studie der ZHAW heisst.

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