Im Kantonsparlament bleiben von 14 Bauernvertretern noch 10 übrig. Und in der Verwaltung gibt ein grüner Regierungsrat den Ton an.

Landwirte nehmen nicht nur in Bundesbern viel Einfluss auf die Politik. Auch im Zürcher Kantonsparlament ist die oft zitierte «Bauernlobby aus dem Stammertal» eine Grösse, mit der zu rechnen ist. Oder präziser: Sie war es bis vor kurzem.

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Tatsächlich ist diese Lobby gerade zum wiederholten Mal spürbar geschwächt worden. Ausgerechnet jetzt, wo im Kanton Zürich wegweisende Entscheide in der Agrarpolitik anstehen und sich viele Bauern im Clinch befinden mit dem grünen Baudirektor Martin Neukom und dessen Prioritätensetzung.

Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man an diesem Montag denken können, es sei alles wie immer. Drinnen im Ratssaal pries der frisch gewählte neue Parlamentspräsident Beat Habegger (FDP), ein Stadtzürcher, im Stil eines Sommeliers den Kantonsratswein «aus dem schönen Stammertal» als Visitenkarte für die lokale Landwirtschaft an. Und draussen wartete schon ein Weinbauernpaar, um den Politikern einzuschenken.

Dabei ging unter, dass zu Beginn der Sitzung gleich zwei wichtige Bauernvertreter im Parlament wegen Rücktritten durch Juristen ersetzt worden waren. Einerseits Daniela Rinderknecht (SVP) aus Wallisellen, die mit ihrer Beef-Ranch zwischen Eisenbahngleisen und Autobahn das Thema Landwirtschaft zu den Städtern brachte.

Andererseits Konrad Langhart aus dem ländlichen Stammheim, der einen unkonventionellen Weg gegangen ist und daher als unabhängiger Kopf Ansehen genossen hat: Der einstige kantonale SVP-Präsident und konventionelle Landwirt wurde zum Mitte-Politiker mit Demeter-Hof.

Bei den letzten Wahlen triumphierten die Bauern noch

Wenig bleibt übrig vom Wahltriumph, über den sich die «Bauernzeitung» 2023 freute. Damals hatte es die bäuerliche Wählerschaft den Grünen heimgezahlt, dass diese ihnen mit drei Initiativen zu Trinkwasser, Pestiziden und Massentierhaltung das Geschäft erschweren wollten. Grüne Sitze gingen verloren, Landwirte schafften es trotz schlechten Listenplätzen ins Parlament.

Doch von 14 Kantonspolitikern, die vom Zürcher Bauernverband unterstützt wurden, sind zwei Jahre später nur noch deren 10 übrig.

Auch die anderen Abgänge waren gewichtig: Der Landwirt Martin Hübscher (SVP), der in den Nationalrat aufstieg, war Fraktionschef und ein prägnanter Vielredner. Einer, der auch Nichtbauern seine Perspektive gut erklären konnte.

Der Agrarunternehmer Martin Farner (FDP), der wegen gesundheitlicher Probleme aufhören musste, war ein politisches Schwergewicht mit Ambitionen auf einen Sitz in der Kantonsregierung. Dort dürfte der einzige Landwirt, der SVP-Finanzdirektor Ernst Stocker, höchstens noch zwei Jahre im Amt blieben.

Das Kantonsparlament erfolgreich zu beackern, wird für die Bauern spürbar schwieriger. Dies musste gerade erst der Zürcher SVP-Kantonalpräsident Domenik Ledergerber erfahren, der gemeinsam mit seinem Bruder einen Hof in Herrliberg führt.

Er wollte einen Vorstoss zum Schutz von Fruchtfolgeflächen einreichen, also von Ackerland, das der Ernährungssicherheit dient. Solches Land werde zu oft für Bauprojekte, Sportanlagen oder Naturschutzprojekte geopfert, mit dem Argument, dass man dies anderswo kompensieren könne. Doch in der FDP blitzte Ledergerber ab, weil ihm dort Martin Farner als Ansprechpartner fehlte. Der einzige Bauer in der freisinnigen Fraktion, Martin Huber, hat noch nicht den gleichen Einfluss. Ähnliches gilt auch bei der Mitte, wo sich nun Langharts Absenz bemerkbar macht.

Wie entscheidend solche Stimmen sein können, zeigte eine Debatte vor zwei Jahren. Damals kam Widerstand gegen den Plan des grünen Baudirektors auf, einst entwässerte Gebiete im Kanton zugunsten der Biodiversität wieder zu Feuchtgebieten zu machen. Oder, so sahen es die Bauern, «bestes Kulturland» wieder «versumpfen» zu lassen.

Langhart brachte seine Partei damals dazu, eine SVP-Initiative für den Erhalt von Drainagen zur Entwässerung vorläufig zu unterstützen. «Auch ich als neuer Demeter-Bauer brauche Böden», so appellierte er an die Öko-Politiker im Rat, «und in Sachen Biodiversität brauche ich auch nicht weitere Belehrungen.» Wenn das Geschäft dereinst wieder im Parlament diskutiert wird, fehlt diese Stimme.

Der direkte Zugang zu den Zürcher Behörden ist schwieriger

Dadurch dürfte der Einfluss der Umweltverbände auf die Zürcher Agrarpolitik weiter zunehmen. Für den Bauernverband dagegen ist der direkte Zugang zu den kantonalen Behörden laut Domenik Ledergerber schwieriger geworden, seit Martin Neukom im Amt ist.

Neukom habe Gefässe zum regelmässigen Austausch abgeschafft, die es unter seinem Vorgänger Markus Kägi (SVP) gegeben habe. «Er lädt stattdessen wohl die Naturschutzverbände ein», sagt Ledergerber, «das haben wir natürlich stark gespürt.»

Für den Präsidenten des Zürcher Bauernverbands, den SVP-Nationalrat Martin Haab, ist denn auch nicht die Zahl der Bauernvertreter im Parlament die grösste Sorge. Sondern die grundsätzliche Ausrichtung der Verwaltung. Obwohl es zurzeit einen regen Austausch mit Baudirektor Neukom gebe und dieser «auf einer guten Ebene» stattfinde.

Landwirtschaftspolitik ist primär Bundespolitik, aber auch im Kanton stehen wegweisende Debatten an. Nicht nur jene um den Schutz des Kulturlandes. Sondern auch jene um die nächste Revision des kantonalen Landwirtschaftsgesetzes. Dabei geht es um die Förderung einer nachhaltigen, an Klimaveränderungen angepassten Landwirtschaft.

Für den Bauernverband käme da der eine oder andere zusätzliche Kantonsrat mit bäuerlichem Hintergrund sicher gelegen, vor allem in den Fraktionen ausserhalb der SVP. Martin Haab weiss aber aus Erfahrung: «Junge, aktive Bauern für die Politik zu motivieren, ist grausam schwierig.»

Mehr als 40 Prozent der Fläche des Kantons Zürich werden landwirtschaftlich genutzt, aber nur rund ein Prozent aller Beschäftigten arbeitet in der Landwirtschaft. Die Stärke der Bauernvertretung im Kantonsparlament, so scheint es, dürfte sich fürs Erste eher in Richtung des tieferen Werts bewegen.

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