Samstag, September 28

An seiner Entwicklerkonferenz enthüllt Apple endlich seine KI-Strategie. Der iPhone-Konzern nutzt aus, wie viel er über unser aller Leben weiss – und lockt mit besserem Datenschutz als die Konkurrenz.

Strahlend blauer Himmel, Sonnenschein, 20 Grad – Cupertino präsentierte sich am Montagmorgen wie aus einem Apple-Werbefilm, als um kurz vor zehn Uhr Ortszeit der CEO Tim Cook auf die Bühne trat. «Willkommen bei der WWDC», begrüsste Cook – wie immer in Poloshirt und dunkler Hose – das Publikum am Firmensitz Apple Park. Die am Montag eröffnete Entwicklerkonferenz ist traditionell der Moment, an dem das geheimniskrämerische Apple der Welt zeigt, woran seine 160 000 Mitarbeiter im vergangenen Jahr getüftelt haben. Seit der Pandemie präsentiert Apple die Veranstaltung nicht mehr live, sondern in einem vorab aufwendig produzierten Film – typisch für die Firma, die gerne alles bis ins letzte Detail kontrolliert.

Hunderte Entwickler, Journalisten und geladene Gäste im Aussenareal des Apple Park trieb am Montag die gleiche Frage um, die die Zuschauer im Livestream an die Bildschirme lockte: Was hat Apple punkto KI zu bieten?

WWDC 2024 — June 10 | Apple

Der Konzern muss sich vorwerfen lassen, die jüngste KI-Welle verschlafen zu haben. Während Konkurrenten wie die Google, Microsoft, und Open AI seit Monaten beeindruckende künstlich intelligente Chatbots, Smartphones und Suchfunktionen auf den Markt gebracht haben, hüllte sich Apple zur eigenen KI-Strategie in Schweigen und vertröstete stets auf die Ankündigungen an der Entwicklerkonferenz.

Doch auch dort mussten sich die Zuschauer zunächst in Geduld üben: In der ersten Hälfte der Veranstaltung präsentierte Apple die üblichen Software-Updates für das iPhone, iPad, die Apple Watch und andere Geräte.

Persönliche Intelligenz dank einem Schatz an Nutzerdaten

Nach gut einer Stunde war dann der Augenblick gekommen, den Investoren, Apple-Fans und auch die Konkurrenz mit Spannung erwartet hatten. «Es ist ein Moment, an wem wir lange gearbeitet haben», sagte Cook und stellte dann die eigene KI-Strategie namens «Apple Intelligence» vor: einen sprachgesteuerten Assistenten, der über hinreichend Daten des Nutzers verfügt, um tatsächlich als persönlicher Assistent zu funktionieren.

Apples KI kann zum einen das, was man schon von der Konkurrenz kennt: Emails, Videos, Sprachaufzeichnungen und Dokumente zusammenfassen; neue Bilder schaffen und Emojis nach persönlichem Gusto kreieren. Die KI verbessert Rechtschreibfehler in Texten und entwirft Antwortvorschläge auf Emails und Textnachrichten, wobei man im Tonfall zwischen «lustig», «professionell» und «knapp» wählen kann. Das ist nützlich – aber wenig beeindruckend, denn man kennt diese Möglichkeiten bereits von Konkurrenten wie Microsofts Copilot und Googles Gemini. Zudem werden all diese Funktionen bei Apple erst «später im Jahr» und vorerst nur auf Englisch verfügbar sein.

Was bei Apple neu ist und die «Apple Intelligence» von der Konkurrenz unterscheidet, sind erstens die persönlichen Daten der Nutzer – die sogenannte «personal intelligence» – und zweitens der Datenschutz. Der Konzern nutzt aus, dass das iPhone, der Mac und andere Apple-Geräte tief im Leben ihrer Nutzer verwurzelt sind und viel über diese wissen. 2,2 Milliarden Apple-Geräte befinden sich weltweit im Umlauf, darunter mehr als 1 Milliarde iPhones.

Diesen Schatz an Daten hebt Apple nun: Es integriert die künstliche Intelligenz in alle Funktionen seiner Geräte und verknüpft die dort gefundenen Informationen anwendungsübergreifend. Das Ergebnis ist ein künstlich intelligenter Assistent, der tatsächlich einen Mehrwert für Nutzer schaffen könnte.

Ein Beispiel: «Wann muss ich los, um rechtzeitig zur Theateraufführung meiner Tochter zu kommen?», soll man das iPhone künftig fragen können. Das Gerät weiss, wer die Tochter ist, sucht in allen Anwendungen nach Informationen über die besagte Veranstaltung und weiss zudem, was das persönlich bevorzugte Transportmittel ist. Aus all dem strickt die Apple-KI dann eine persönliche Antwort. Und wenn eine Terminanfrage aus dem Büro reinkommt, soll die KI einem sagen, ob man es dennoch rechtzeitig zur Veranstaltung der Tochter schafft.

«Es ist Intelligenz, die dich versteht», fasste es Apples Software-Chef Craig Federighi zusammen.

Eine Schlüsserolle spielt dabei Siri: Der Sprachassistent versteht nun natürliche Sprache, und das im Kontext, und kann auf der Suche nach Antworten ebenfalls auf alle Anwendungen zugreifen. Auch kann man mit Siri bei Bedarf nun schriftlich kommunizieren. Dies ist ein enormer Fortschritt zum Status Quo, bei dem der Sprachassistent wenn überhaupt nur einzelne Fragen beantworten kann und einen oft nicht versteht. Konkret kann man Siri etwa künftig fragen: «Finde das Foto meiner Tochter im roten Kleid» oder «Finde das Dokument, das meine Frau mir vorhin geschickt hat».

Privatsphäre soll bestehen bleiben

Apple knüpft dabei an seinen Ruf als Datenschützer an: Anders als die Konkurrenz schickt Apple die KI-Berechnungen nicht an externe unsichere Datenzentren, sondern führt sie wann immer möglich auf dem Gerät selbst aus, sagte Federighi mit einem Seitenhieb an die Konkurrenz. «Apple schützt deine Daten bei jedem Schritt», behauptete er.

Um das zu schaffen, sind viele der neuen KI-Funktionen nur für die jüngste Generation von iPhones und Mac-Computern möglich; also solche, welche die ultraschnellen, Apple-eigenen Siliziumchips der Generationen M und A-16 bionic eingebaut haben.

Doch nicht alle KI-Anfragen könnten auf dem Gerät ausgeführt werden, weil sie zu viel Rechenleistung erforderten, erklärte Federighi am Montagnachmittag vor Journalisten. Aus diesem Grund sende Apple bestimmte Anfragen an eigene Cloud-basierte Datenzentren. Diese habe Apple selbst gebaut und mit hauseigenen Chips ausgestattet. Keine Daten, die einen Nutzer identifizieren könnten, würden dort gespeichert, versicherte er.

Chat GPT zieht auf dem iPhone ein

Darüber hinaus sollen Apples Nutzer auch Zugang zu den KI-Sprachmodellen der Konkurrenz erhalten: Dank einer Kooperation mit Open AI integriert Apple nun das Sprachmodell GPT-4 in all seine Produkte. Ein Beispiel dafür sind Anfragen, bei dem der Nutzer auf bestimmte Lebensmittel zeigt und Chat GPT um Rezeptvorschläge dafür bitte. Auch bei komplexeren Siri-Anfragen kann sich der Nutzer mit Chat GPT verbinden lassen.

Bevor eine Anfrage an Chat GPT weitergeleitet werde, müssten Nutzer dem jedoch explizit zustimmen, erläuterte Cook. Gemäss Apple werden die Anfragen zwar an die Server von Open AI geleitet, aber ohne Informationen, welche die Identität der Nutzer preisgeben könnten.

Sam Altman, der CEO von Open AI, war am Montag ebenfalls im Apple Park dabei, hatte dort aber keinen Auftritt. «Sehr glücklich mit Apple zusammenzuarbeiten, um Chat GPT später im Jahr in ihre Geräte zu integrieren», schrieb Altman auf Twitter. «Ich denke, ihr werdet es wirklich mögen.»

Über die genauen Konditionen der Zusammenarbeit ist nichts bekannt, weder Apple noch Open AI gaben hierzu Details an. Klar ist jedoch, dass die Kooperation für Apple auch eine Risikominderung darstellt im Vergleich zu einem eigenen Sprachmodell: Sollte Chat GPT falsche Antworten liefern – sogenannte Halluzinationen –, kann Apple die Schuld daran auf Open AI schieben.

Apple deutete am Montag an, dass man künftig auch andere spezialisierte Sprachmodelle auf das iPhone bringen könnte – eines zum Programmieren, eines für juristische Fragen – und erwähnte auch Googles Gemini.

KI könnte die Nutzer tiefer ins Apple-Ökosystem sperren

KI sei «der nächste grosse Schritt für Apple», sagte Cook. Dank der Integration von Hardware, Software und Siliziumchips sei kein Konzern so gut wie Apple positioniert, um die Nutzer ins neue Zeitalter zu führen.

Es war auffällig, wie sehr sich Apple am Montag bemühte, den Eindruck aus der Welt zu räumen, dass man die KI-Revolution verschlafen habe.

Tatsächlich sind die neuen KI-Funktionen für Apple von grosser Bedeutung: Sie dürften zum einen dabei helfen, dem 14 Jahre alten iPhone neuen Schwung zu verleihen. Das Smartphone ist nach wie vor die Zuglokomotive von Apple, es macht mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes aus. Doch der iPhone- Absatz ist zuletzt auf hohem Niveau zurückgegangen, weil die technischen Unterschiede zwischen den Geräten der 13., 14.und 15. Generation gering sind, und weil Apple zudem Software-Updates für bis zu sieben Jahre unterstützt. Die neuen KI-Funktionen dürften Nutzern nun einen Anreiz liefern, ihre Geräte upzugraden.

Zum anderen dürfte die neue «personal intelligence» auch den Boden bereiten für zukünftige Produkte aus dem Hause Apple – etwa humanoide Roboter, an denen die Firma angeblich forscht. Sollte es Apple tatsächlich gelingen, dank KI alle Informationen zu einem Nutzer crossmedial zu verknüpfen, daraus Schlüsse zu ziehen, und das auch noch auf eine sichere Art und Weise – dann dürfte es die Nutzer endgültig in sein Ökosystem einschliessen.

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