Nicolas Sarkozy steht wieder einmal vor Gericht. Sein erfolgreicher Wahlkampf 2007 soll vom Ghadhafi-Regime finanziert worden sein – mit 50 Millionen Euro.
Am Montag wurde vor dem Pariser Strafgericht viel Prominenz erwartet. In den gleichen Saal vorgeladen waren unter anderem Frankreichs früherer Staatspräsident Nicolas Sarkozy, drei seiner Ex-Minister und drei hohe Würdenträger des ehemaligen libyschen Regimes von Oberst Muammar Ghadhafi. Gekommen sind dann auch Sarkozy und seine Gefolgsleute Claude Guéant, Brice Hortefeux und Éric Woerth. Die Libyer blieben dem Prozess, der bis zum 10. April dauern soll, fern.
Sie alle sollen an einem politisch brisanten Pakt beteiligt gewesen sein. Die Anklagepunkte für den früheren Staatschef Sarkozy lauten: Korruption, Bildung einer kriminellen Vereinigung, illegale Kampagnenfinanzierung und Verwendung veruntreuter öffentlicher (libyscher) Staatsgelder.
Am Anfang stand eine Medienrecherche
Laut der Anklage soll der 2011 gestürzte libysche Machthaber die Kampagne des Präsidentschaftskandidaten Sarkozy 2007 mit Überweisungen auf Offshore-Konten und von Mittelsmännern transportiertem Bargeld finanziert haben. Sarkozys engster Vertrauter, Ex-Innenminister Claude Guéant, soll sich bereits ab 2005 mehrfach und heimlich mit dem Schwager Ghadhafis, dem libyschen Nachrichtendienstchef Abdullah Senussi, getroffen haben.
Diese Begegnungen und der dabei angeblich organisierte Transfer von Ghadhafis «Spenden» wurden durch den libanesisch-französischen Mittelsmann Ziad Takieddine organisiert. Er hat seine Dienste in seinem Exil in Libanon weitgehend zugegeben. Später trat noch ein weiterer Vermittler in Erscheinung, der nun ebenfalls vor Gericht geladen wurde.
Ohne die Enthüllungen des Online-Magazins «Mediapart» wäre es vielleicht nie zu diesem Prozess gekommen. Es brauchte nach ihrer erstmaligen Publikation 2011 eine zehnjährige Untersuchung, um die Puzzlestücke des Belastungsmaterials in Frankreich, Libyen und mehreren Offshore-Plätzen zusammenzutragen. Mehrere Beteiligte haben belastende Aussagen gemacht.
Unter ihnen ist etwa der ehemalige Kabinettschef von Muammar Ghadhafi, Bashir Saleh Bashir. Er sagte laut «Mediapart» bei einer Einvernahme: «Nicolas Sarkozy hat Muammar Ghadhafi gebeten, ihn in seiner Kampagne zu unterstützen.» Und Ghadhafi habe ihm geantwortet: «Da mein Freund Chirac nicht mehr kandidiert, bin ich bereit, Ihnen zu helfen.» Die Rede ist von insgesamt 50 Millionen Euro.
Sarkozy dementiert die Anschuldigungen kategorisch und bezeichnet sie als «Fabel» oder «politisches Komplott» zu seiner Verleumdung. Der inzwischen 69-Jährige – selbst ein Jurist – reichte zahlreiche Beschwerden und Anträge ein, um die Prozedur zu stoppen oder belastende Dokumente für ungültig erklären zu lassen. Doch diese wurden von den Richtern abgewiesen. Die Authentizität mehrerer von der Anklage als Beweise vorgebrachter Dokumente aus libyschen Quellen wird von Sarkozys Verteidigung jedoch weiterhin bestritten.
Das gilt unter anderem für die Agenda des nach Wien geflüchteten Libyers Choukri Ghanem, die detaillierte Notizen zu Überweisungen enthielt. Der ehemalige Erdölminister wurde 2012 einen Tag nach der Publikation von weiteren Enthüllungen durch «Mediapart» tot aus der Donau geborgen. Mehrere westliche Nachrichtendienste hielten diese Koinzidenz damals für reichlich mysteriös. Auch ist Sarkozys Versuch aufgeflogen, über eine befreundete Lobbyistin den libanesisch-französischen Mittelsmann Takieddine dazu zu bewegen, seine für Sarkozy verheerenden Aussagen zurückzunehmen. Dafür wird es später einen separaten Prozess geben.
Mit der Fussfessel im Gerichtssaal
Dass der lange international isolierte Ghadhafi nach der Wahl von Sarkozy im Frühling 2007 bereits am 10. Dezember in Paris mit allen Ehren einen fünftägigen Staatsbesuch absolvierte und ausserdem mit Frankreich wichtige Verträge zur wirtschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit abschloss, kann den Verdacht eines Korruptionspakts allerdings nur noch verstärken. Sarkozy hält dem entgegen, allein die Tatsache, dass er beim Sturz des libyschen Diktators durch eine internationale Intervention eine führende Rolle gespielt habe, beweise, wie unsinnig die Bestechungsvorwürfe seien.
Da Nicolas Sarkozy erst im Dezember wegen Bestechung eines Richters rechtskräftig zu drei Jahren Haft (davon zwei auf Bewährung) verurteilt wurde, wird er in den kommenden Tagen eine elektronische Fussfessel zur Verbüssung seiner Strafe erhalten. In dem laufenden Prozess drohen ihm bei einer Verurteilung weitere Jahre in Haft: Die Maximalstrafe beläuft sich auf zehn Jahre Gefängnis.