Der Kinoregisseur Thomas Stuber und der Schriftsteller Clemens Meyer haben wieder zusammengespannt. Ihr Fall aus Halle ist nichts für Eltern, die schwache Nerven haben, wenn es um das Wohl von Kindern geht.

«Kindermord!», schreit Koitzsch (Peter Kurth). Jetzt ist es raus, das Schreckenswort. Die Tatsache trifft seinen Kollegen Lehmann (Peter Schneider) besonders schwer. Als Familienvater reagiert er heftiger noch als andere auf den neuen Fall. Ein vermisstes Mädchen wurde tot in einer alten Schrebergartenanlage gefunden. Anzeichen sexueller Nötigung ja. Vergewaltigung nein.

Der letztere Befund macht es nicht besser. Auch Kollege Henry Koitzsch (Peter Kurth) muss schlucken, als er die Leiche der Drittklässlerin sieht. Die Stimmung unter den Ermittlern ist von Anfang an gereizt. Koitzsch will seinen Partner schützen, macht sich zunächst alleine auf den Weg. Aber so leicht lässt sich Lehmann nicht abschütteln. Zum Glück. Denn er ist der Vernünftige im Team aus Halle, der den kantigen Koitzsch im Laufe der Befragungen immer wieder zur Einsicht bringt.

Die Ermittler verzetteln sich

Bald verfolgen die bestürzten Ermittler gemeinsam jede Spur. Mögliche Täter gibt es einige: Ganz oben auf der Liste steht der schwergewichtige Mathelehrer, Herr Krein (Sascha Nathan). Er hat der kleinen Inka Nachhilfe gegeben – verging er sich an ihr? Zumindest wirkt der vereinsamte Pädagoge psychisch äusserst labil.

Aber Koitzsch kommt auch ein vorbestrafter Sexualtäter in den Sinn, der auf kleine Mädchen aus war. Als er Lehmann davon erzählt, nimmt der den Pädophilen sofort ins Verhör. Allerdings mangelt es den Beamten auch in der Richtung an Beweisen. Sie verzetteln sich immer mehr.

«Der Dicke liebt» ist ein atmosphärisch dichter Krimi, über dem das Motiv «Kindermord» wie ein schwarzer Schleier hängt. Der Regisseur Thomas Stuber, den man mit Filmen wie «In den Gängen» (2018) oder «Die stillen Trabanten» (2021) aus dem Kino kennt, inszeniert diese «Polizeiruf»-Folge mit viel Feingefühl. Die Farben sind trüb, die Plattenbauten grau. Sommer ist in Halle nur auf dem Kalender – oder wenn Lehrer Krein mit einer Mitschülerin von Inka Eis essen geht. Bahnt sich das nächste Verbrechen an?

Clemens Meyer hat mitgeschrieben

Drei Jahre ist es her, dass Stuber und sein Drehbuch-Kollege, der Schriftsteller Clemens Meyer, ihren ersten gemeinsamen Fall aus der Stadt an der Saale realisiert haben. Sie scheinen sich als Duo ähnlich zu ergänzen wie Kern und Schneider als Ermittlerpaar. Die Dialoge passen sich gezielt dem Ernst der Lage an. «Manchmal ist es besser», sagt Koitzsch, «wenn du als Ermittler nur am Rand stehst und schaust.» Das Bedächtige, Ruhige steht ihm gut.

Nur die zahlreichen Verweise auf die alten, vermeintlich besseren Zeiten vor dem Mauerfall kommen zu dick daher. Während auf der baufälligen Wache die Renovierungsarbeiten voranschreiten, feiert man in der Pathologie den «Tag der Volkspolizei» oder begrüsst die Kollegen als Genossen.

Gleichzeitig verlieren die Ermittler den Mord, den es zu klären gibt, aber nie aus den Augen. Akribisch geht Lehmann erneut den Weg von Inkas Schule zur Kleingartenkolonie ab in der Hoffnung, doch noch einen Hinweis zu entdecken. Und siehe: Die Feinarbeit wird belohnt.

Die Erkenntnis, die folgt, macht den Fall jedoch noch erschütternder, als er ohnehin schien. Deshalb so viel vorweg: Dieser «Polizeiruf» ist nichts für Eltern, die schwache Nerven haben, wenn es um das Wohl von Kindern geht. «Der Dicke liebt» ist eine harte Nummer, klug gespielt und mit einem guten Soundtrack unterlegt. Ein Fall, der bewegt und alle Beteiligten in den Ausnahmezustand treibt.

«Polizeiruf 110» aus Halle: «Der Dicke liebt». Sonntag, 21. April, um 20.05 Uhr bei SRF 1 und um 20.15 Uhr bei der ARD.

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