Freitag, Januar 17

Eine neue Studie der Universität St. Gallen behauptet, dass die Axpo die Gewinne im Handelsgeschäft seit 2017 um über 4 Milliarden zu hoch ausgewiesen habe. Die Axpo weist die Vorwürfe vehement zurück.

649 000 Franken – so hoch war der Bonus, den der Axpo-CEO Christoph Brand für das vergangene Geschäftsjahr zugesprochen bekam. Sein gesamter Lohn belief sich im vergangenen Jahr damit auf über anderthalb Millionen Franken.

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Das sorgte in den letzten Wochen für heftige Kritik aus Politik und Öffentlichkeit. Die Axpo-Führung rechtfertigte die bezahlten Boni mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns: Die Axpo erzielte einen vorsteuerlichen Gewinn von über 1,8 Milliarden Franken, es war das zweitbeste Betriebsergebnis der Unternehmensgeschichte.

Nun wirft eine neue Studie die Frage auf, ob die Betriebsgewinne der Axpo – und damit die Existenzberechtigung für die Boni – überhaupt so hoch hätten ausfallen dürfen.

Kritik an der Verbuchung des Handelsgeschäfts

Energiekonzerne wie die Axpo produzieren nicht nur Strom, sondern handeln auch damit. Oft sichern sie ihre eigene Stromproduktion mit Derivaten, etwa mit Future-Kontrakten, ab. Das heisst: Die Stromhändler definieren bereits im Voraus, wie viel Strom sie zu einem bestimmten Zeitpunkt und Preis einkaufen werden. Bei Erhalt können sie diesen Strom dann zum Spotpreis am Markt absetzen. Ist dieser höher als der im Future definierte Preis, resultiert für den Stromkonzern ein Gewinn – im umgekehrten Fall aber ein Verlust. Kritiker nennen das Spekulation auf die Entwicklung des Strompreises. Die Energiehändler sprechen jedoch von einer Absicherung, da ihnen die Derivate einigermassen planbare Konditionen bei der Stromproduktion ermöglichen.

Doch darüber, wie die Axpo das Absicherungsergebnis verbuchen soll, herrscht Uneinigkeit.

Laut den Berechnungen von Karl Frauendorfer, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Operations-Research an der Universität St. Gallen, und Robert Gutsche, Professor für Buchhaltung und Data-Science an der Berner Fachhochschule, hätten die Bruttomargen aus dem gesamten Handelsgeschäft der Axpo-Gruppe in den Geschäftsjahren 2017/18 bis 2023/24 akkumuliert nicht 9 Milliarden Franken, sondern nur die Hälfte davon betragen dürfen. Der Grund: Die Axpo habe ausgewählte Absicherungsverluste aus dem Handelsgeschäft getrennt von den Konten der Konzerngruppe verbucht.

Die Handelssparte des Energiekonzerns heisst Axpo Solutions. Als Tochtergesellschaft, die vollständig im Besitz der Holding steht, muss die Axpo Solutions keinen eigenen Abschluss offenlegen. Auf diesem Weg habe die Axpo in den Geschäftsberichten seit 2017 zusammengerechnet Handelsverluste im Umfang von 4,493 Milliarden Franken aus dem Kontrollbereich der Revisionsstelle wegbewegt, da diese lediglich das Ergebnis der Gruppe zu prüfen habe.

Wären die Absicherungsverluste stattdessen bei der Gruppe verbucht worden, hätte das auch für tiefere Gewinne im Betriebsergebnis gesorgt. Die Axpo hätte folglich weniger Steuern und Dividenden bezahlt. Und der Verwaltungsrat hätte weniger gute Argumente für die Boni gehabt, die er in den letzten Jahren an die Axpo-Führung freigegeben hat.

Ein langjähriger Schlagabtausch mit der Axpo

Es ist nicht das erste Mal, dass Karl Frauendorfer und Robert Gutsche die Buchhaltungsstandards der Axpo bemängeln. Die beiden haben seit 2018 gleich mehrere Forschungspapiere geschrieben, in denen sie dem Energiekonzern vorwerfen, er gehe im Handelsgeschäft zu grosse Risiken ein.

Das neuste Forschungspapier kommt allerdings zu einem heiklen Zeitpunkt: In Bern berät die Energiekommission des Nationalrats das Bundesgesetz über die Aufsicht und Transparenz in den Energiegrosshandelsmärkten. Auslöser war die Energiekrise: Die Axpo geriet damals in Liquiditätsprobleme und musste im September 2022 unter einen Rettungsschirm des Bundes flüchten. Beanspruchen musste die Axpo den Kreditrahmen im Umfang von 4 Milliarden Franken jedoch nicht.

Damit ein solches Szenario nicht mehr vorkommt, sollen die Stromunternehmen der Aufsichtsbehörde Elcom künftig Informationen über ihre Transaktionen und Handelsaufträge übermitteln.

Axpo dementiert und verweist auf externe Prüfberichte

Die Axpo dementiert die Vorwürfe vehement. «Die Methodik und die Resultate von Professor Frauendorfer sind seit vielen Jahren für die ganze Branche nicht nachvollziehbar», sagt der Sprecher Martin Stucki. Frauendorfer verwende praxisferne Modellrechnungen, setze ungeeignete Kennzahlen ein und gehe von unrealistischen Erlöspotenzialen aus. Das sei im neuen Papier von Frauendorfer nicht anders: Auch darin werde von Prozessen ausgegangen, die in der Branche seit vielen Jahren nicht mehr angewendet würden.

Die Axpo stützt diesen Befund auf ein externes Gutachten einer Forschungsgruppe um den Finanzprofessor Thorsten Hens von der Universität Zürich, das sich 2023 mit den Vorwürfen der falschen Buchhaltung auseinandergesetzt hat. Die Autoren unterstellen Frauendorfer und Gutsche darin inhaltlich falsche Schlüsse. Die Buchhaltung der Axpo, schreibt die Gruppe um Hens, entspreche den gängigen Standards. Zudem verweist das Unternehmen auf eine Geschäftsführungsprüfung des Beratungsunternehmens Deloitte aus dem Jahr 2023. Dieses hatte keine wesentlichen Mängel am Handelsgeschäft der Axpo beanstandet.

Stucki betont, dass die Axpo gemeinsam mit den anderen Stromkonzernen schon mehrmals das Gespräch mit den Wissenschaftern gesucht habe. «Wir sind offen für eine weitere Gesprächsrunde.»

Karl Frauendorfer und Robert Gutsche halten trotz aller Kritik an ihrer Methode fest. Am Prüfbericht von Deloitte kritisieren sie, dass dort nur konkrete Fragen behandelt worden seien, die die Generalversammlung der Axpo Holding den Prüfern vorgelegt habe. Die beiden Ökonomen halten die Prüfung für nicht kritisch genug – und hoffen, dass die Aufsichtsbehörde künftig schärfer auf die Axpo blicken wird.

Vorerst muss die Axpo-Führung sich jedoch nur mit enervierten Eigentümern auseinandersetzen. An der Generalversammlung, die am Freitag stattfindet, will die Aargauer Regierung beantragen, dass künftig die Eigentümer – also die Nordostschweizer Kantone und deren Werke – die Vergütung der Konzernleitung festlegen. Gut möglich, dass auch die Kritik der beiden Professoren am Handelsgeschäft für Diskussionen sorgen wird.

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