Dienstag, März 4

Die amerikanische Regierung setzt auch in der Handelspolitik auf Konfrontation. Das zeigen die gegenüber Mexiko, Kanada und China verfügten Zölle. Doch die Märkte reagieren nicht wie von Trump gewünscht.

Es war doch kein Bluff. Nach Wochen des Werweissens, wie ernst es Donald Trump mit seinen Zolldrohungen ist, haben die USA auf Warenimporten aus Kanada und Mexiko einen Zoll von 25 Prozent verfügt. Die amerikanische Regierung hat zudem die bereits im Februar angeordneten Zölle auf Einfuhren aus China von 10 auf 20 Prozent verdoppelt. – Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:

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1. Was will Trump mit seinen flächendeckenden Zöllen erreichen?

«Die Vereinigten Staaten werden seit vierzig Jahren ausgenutzt, sie waren jahrelang eine Lachnummer», erklärt der US-Präsident seinen Entscheid. «Jetzt korrigieren wir das, und zwar so, wie man es noch nie gesehen hat.» Trump wählt deutliche Worte. Man könne nicht einfach in die USA kommen, Geld und Arbeitsplätze stehlen, Fabriken und Firmen übernehmen – und dann erwarten, nicht bestraft zu werden. «Sie werden durch Zölle bestraft.»

Der volkswirtschaftlich wenig versierte ehemalige Immobilienmogul hängt dem merkantilistischen Glauben an, Importe seien entgangene Geschäfte und Handelsbilanzdefizite ein Zeichen dafür, dass die USA ausgenommen würden. Er scheint nicht zu begreifen, dass diese Defizite einem Kredit aus dem Ausland gleichkommen, der je nach Situation oft sinnvoll ist und es den amerikanischen Konsumenten und Firmen erlaubt, temporär mehr zu konsumieren, als sie produzieren.

Trump will Arbeit, die in den Exportländern verrichtet wird, in die USA zurückholen, und erwähnt explizit die Produktion von Mikrochips, Autos und Möbeln. Die Zölle sollen die Firmen zwingen, mehr in den USA zu investieren. Zudem scheint Trump überzeugt, dass die Zölle den USA hohe Einnahmen bescheren, die von Ausländern finanziert werden und es ihm ermöglichen, die inländischen Steuern niedrig zu halten.

2. Welche wirtschaftlichen Folgen haben die Zölle für die USA?

Die von den Zöllen betroffenen Importe machten im vergangenen Jahr rund 42 Prozent aller Einfuhren der USA aus; das entspricht einer Summe von 1,4 Billionen Dollar. Dabei stammten am meisten Importe aus Mexiko (506 Milliarden Dollar), vor China (439 Milliarden) und Kanada (413 Milliarden).

Die Zölle verteuern nun die aus dem Ausland eingeführten Waren um einen Viertel oder mehr. Dadurch entstehen Anreize, diese durch in den USA hergestellte Waren zu ersetzen, die entweder bisher zu teuer waren oder nicht existierten. Doch die USA sind nicht eine Wirtschaft, in der zu wenig produziert wird und wo Massenarbeitslosigkeit herrscht. Im Gegenteil: Der Welthandel hat es der amerikanischen Wirtschaft erlaubt, sich auf die Herstellung jener Güter und Dienstleistungen zu spezialisieren, die für das Land die höchste Wertschöpfung bringen.

Die Zölle werden nun dazu verleiten, inländische Arbeitskräfte dafür einzusetzen, deutlich teurere Güter herzustellen. International wenig wettbewerbsfähige Firmen erhalten somit neues Geschäft; der Innovationsdruck sinkt. Mittelfristig werden Arbeitskräfte und Kapital weniger effizient eingesetzt. Steigende Preise lassen die Reallöhne in den USA sinken, auch wenn diese zunächst nominal steigen. Netto werden nicht neue Arbeitsplätze geschaffen, sondern schlechter bezahlte – der Wohlstand sinkt.

In einer umfassenden empirischen Untersuchung hat der Zürcher David Dorn zusammen mit drei amerikanischen Ökonomen gezeigt, dass der Handelskrieg während Trumps erster Präsidentschaft keine zusätzlichen Jobs in Trumps Kernland geschaffen und die Arbeiter dort nicht besser gestellt hat. Dennoch hat sich der Protektionismus politisch ausgezahlt: Die Betroffenen glaubten, Trump tue Gutes für sie.

3. Was passiert in Ländern, die bisher viele Güter in die USA exportiert haben?

In den Exportländern werden die Zölle kurzfristig bewirken, dass manche Aufträge aus den USA wegfallen. Für die Exporteure steigt der Wettbewerbsdruck. Sie werden versuchen, sich andere Märkte zu erschliessen. Kurzfristig dürfte es zu Arbeitsplatzverlusten und steigender Arbeitslosigkeit kommen; mittelfristig werden auch in den Exportländern die freigesetzten Arbeiter andere Tätigkeiten verrichten, die weniger spezialisiert sind. Das kostet dort ebenfalls Wohlstand.

Wechselkurseffekte können das Ausmass des Zollschocks abdämpfen. Sollte sich das amerikanische Handelsbilanzdefizit nämlich verringern, steigt die relative Nachfrage nach Dollar und wird der Greenback stärker, was Importe verbilligt.

Trump hat angekündigt, dem mit zusätzlichen Zöllen begegnen zu wollen. Damit wird er allerdings die Kosten seiner Handelspolitik noch weiter in die Höhe treiben. Potenzieren werden sich die Kosten des Protektionismus auch, wenn die betroffenen Exportländer ihrerseits hohe Zölle auf eine breite Palette von Waren verhängen.

Auch die stark exportorientierte Schweiz wird sich dem nicht ganz entziehen können. Sie exportierte 2024 knapp 19 Prozent ihrer Ausfuhren in die USA. Rund 60 Prozent davon waren Pharmaprodukte, bei denen die Nachfrage nur bedingt auf Preiserhöhungen reagiert. Ähnliches gilt für Uhren. Aber in der Schweiz produzierte Vorleistungen etwa für die Maschinen- und die Autoindustrie dürften es künftig schwerer haben, was auch den noch viel wichtigeren Bestellungseingang aus Europa bremsen wird. Der Druck, in den USA statt in der Schweiz zu produzieren, steigt. Abschreckend wirkt jedoch die grosse Unsicherheit über die wirtschaftspolitische Verlässlichkeit der USA.

4. Wie unterscheidet sich Trumps derzeitige Zollpolitik von der seiner ersten Amtszeit?

Dass Trump kein Freund des Freihandels ist, weiss man schon lange. Auch in seiner ersten Amtszeit setzte er auf Zölle und Protektionismus. Dennoch gibt es Unterschiede. So begründete Trump seine Abschottung zwischen 2017 und 2021 noch mehrheitlich mit dem Argument, als «unfair» empfundene Handelsungleichgewichte korrigieren und die einheimische Industrie schützen zu wollen.

Dieses Mal ist es anders. Zwar macht Trump weiterhin kein Geheimnis aus seinem Missfallen in Bezug auf das Handelsbilanzdefizit der USA. Offiziell begründet Trump aber vor allem die Zölle gegenüber Mexiko und Kanada mit dem fehlenden Engagement der beiden Nachbarn hinsichtlich der illegalen Migration und des Drogenschmuggels. Auch Peking wird die Produktion und Ausfuhr von Fentanyl vorgeworfen.

Zölle scheinen für Trump in seiner zweiten Amtsperiode zu einer Allzweckwaffe zu werden. Mit dieser will er auch Probleme lösen, die nichts mit Handel im engeren Sinn oder mit der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Wirtschaft zu tun haben. Zölle dienen Trump auch als wirtschaftliches Sanktionsmittel, um Eingeständnisse bei sachfremden Themen zu erwirken.

Diese Ausdehnung hat den Vorzug, dass sie mehr Handhabe bietet. So werden die Zölle auf die International Emergency Economic Powers Act abgestützt. Dieses Gesetz gibt den USA das Recht, im Falle eines Notstands gegen Handelsverträge, wie sie gegenüber Mexiko und Kanada bestehen, zu verstossen. Ein Notstand ist mit dem Verweis auf illegale Migration eher zu begründen als mit jenem auf ein seit Jahrzehnten bestehendes Handelsbilanzdefizit.

5. Wer bezahlt die Zölle, wer sind die Leidtragenden?

Ein Zoll ist eine Steuer auf Importen. Trump erhöht somit die Steuerlast für die Wirtschaft, obschon er sich stets als Befürworter von niedrigen Steuern präsentiert. Wer die als Zoll getarnte Steuer bezahlt, hängt stets vom Produkt, von der Marktsituation und vom Wettbewerb ab. Unternehmen können durch einen Verzicht auf Gewinn einen Teil schultern. In aller Regel geben sie höhere Kosten für importierte Rohstoffe oder Zwischenprodukte aber über höhere Preise auch an die Konsumenten weiter.

Die Bevölkerung durchschaut diese Mechanik. Sie rechnet ebenfalls damit, dass die amerikanischen Unternehmen einen Teil der Zollkosten auf die Konsumenten umschlagen werden. Umfragen zeigen seit Beginn dieses Jahres denn auch einen Anstieg der Inflationserwartungen. Das erschwert die Aufgabe der amerikanischen Notenbank. Diese bekundet trotz sich abschwächender Konjunktur grosse Mühe, die hartnäckig hohe Inflation von 3 Prozent auf den Zielwert von 2 Prozent zu drücken.

Trumps Behauptung, dass mehrheitlich ausländische Regierungen oder Unternehmen die Zölle der USA bezahlten, ist somit nur ein Teil der Wahrheit. Zwar leidet auch das Ausland, Gleiches gilt aber für die USA, und zwar nicht nur mit Blick auf steigende Konsumentenpreise. Auch amerikanische Firmen, die von ausländischen Vergeltungsmassnahmen betroffen sind und allenfalls aus dem Markt gedrängt werden, «bezahlen» die Zölle. Ebenso Arbeitnehmer, die aufgrund höherer Produktionskosten weniger Lohn erhalten oder gar ihren Job verlieren.

6. Was bedeuten die Zölle für Unternehmen, die ihre Produktion von China nach Mexiko oder Vietnam verlagert haben?

Aus dem ersten Handelskonflikt von Donald Trump mit China und dessen Fortsetzung unter Joe Biden haben viele Firmen den Schluss gezogen, ihre Lieferketten zu diversifizieren. Sie produzieren in China für China und verlagerten die Produktion für die USA und andere Länder in Drittländer. Für die Herstellung billiger Waren wie Möbel haben davon vor allem Vietnam, Thailand und die Philippinen profitiert. In letzter Zeit gingen auch chinesische Investoren vermehrt dazu über, Firmen in Mexiko anzusiedeln.

Diese Investoren müssen nun feststellen, dass Trump in seiner zweiten Amtszeit flächendeckend Schutzzölle erheben will. Der Zollvorteil einer Herstellung oder Montage in einem Drittland ausserhalb Chinas ist akut infrage gestellt.

Wollen Firmen den amerikanischen Absatzmarkt für sich erschliessen, müssen sie unter Trump vermehrt darauf setzen, dafür grosse Teile ihrer Wertschöpfung in den USA selbst anfallen zu lassen. Für einen Export in Länder ausserhalb der USA setzen sie sich damit aber dem Risiko von Gegenzöllen aus. Nach «China für China» wird nun «USA für USA» aktuell. Der Weltmarkt fragmentiert sich; Investitionsentscheidungen sind generell unsicherer geworden.

7. Wie verändern die Zölle die weltwirtschaftlichen Aussichten?

Eigentlich starten die USA aus einer Position der Stärke in diesen Handelskonflikt. Die Wirtschaft ist bisher in einem Tempo gewachsen, von dem Europa seit Jahren nur noch träumen kann. Für das Jahr 2025 prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Zunahme des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 2,7 Prozent. Derweil kann die Europäische Union froh sein, wenn das Wachstum wenigstens 1,0 Prozent erreicht. Deutschland droht gar das dritte Jahr in Folge ein BIP-Rückgang.

Doch es mehren sich die Signale, dass das amerikanische Wirtschaftswunder bald am Ende sein könnte. Die jüngsten Konjunkturdaten sind durchs Band negativ ausfallen. Wellen geschlagen hat die Meldung, wonach sich der Echtzeitindikator der regionalen Notenbank (Fed) von Atlanta deutlich eingetrübt hat. Beunruhigend ist insbesondere der Trend beim Konsum der Privathaushalte. Gemäss Schätzung ist das Wachstum von 1,5 auf 0,9 Prozent gefallen, während die Konsumentenstimmung so schlecht ist wie zuletzt vor dreieinhalb Jahren.

Gleichzeitig wächst die Befürchtung, dass ein Handelskrieg zu einem Hochschnellen der Inflation führen könnte. Konkret dürften die Autopreise laut Experten um mehrere tausend Franken ansteigen. Auch die Lebensmittel werden sich unmittelbar verteuern.

Vor solchen Risiken warnt auch der IWF in seinem jüngsten Ausblick: Geraten die globalen Handelsflüsse ins Stocken, so treibt das nicht nur die Preise nach oben. Das weltweite Wachstum gerät unter Druck – was namentlich für die fragile Konjunktur in den europäischen Ländern fatale Konsequenzen hätte.

8. Wie reagieren die Märkte – hat sich Trump verspekuliert?

Der Konsens unter den Ökonomen lautete stets: Wenn die US-Zölle kommen, stärkt dies den Dollar und treibt die amerikanischen Zinssätze nach oben. Tatsächlich haben die Märkte nach dem Wahlsieg von Donald Trump diese Entwicklung vorweggenommen – die Rede war vom «Trump-Trade». Doch nun, da die Zölle effektiv in Kraft treten, geschieht an den Märkten, für viele wohl unerwartet, das Gegenteil: Der Dollar hat gegenüber dem Euro sowie dem Franken nachgegeben.

Marktteilnehmer befürchten offensichtlich, dass die US-Wirtschaft einen Handelskrieg doch weniger gut verkraften kann als ursprünglich vermutet. Die schlechten Konjunkturdaten der letzten Wochen geben dieser Sorge zusätzlich Nahrung.

Dasselbe Bild zeigt sich an den Anleihenmärkten: Die Zinssätze der US-Staatsanleihen sind nicht angestiegen, sondern gesunken. Unter den Investoren dominiert inzwischen weniger die Furcht vor einer höheren Teuerung. Stattdessen greift die Einschätzung um sich, dass die amerikanische Wirtschaft doch in einer weniger robusten Verfassung steckt als bisher angenommen. Die deutsche Commerzbank spricht in einem aktuellen Kommentar bereits von «Stagflationssorgen».

Weniger überraschend kommt derweil, dass auch die Aktienkurse negativ auf die Zölle reagiert haben. Zwar halten sich die Kursrückgänge bis jetzt in Grenzen. Trotzdem würde eine ausgeprägte Baisse Trumps Pläne durchkreuzen. Denn der US-Präsident hat steigende Börsenkurse stets als sein Ziel deklariert.

In der Tat notieren die US-Börsenindizes im laufenden Jahr im Minus, während die wichtigsten europäischen Märkte um über 10 Prozent zulegen konnten. Immerhin, etwas Positives könnten die negativen Reaktionen an den Aktien- und Obligationenmärkten bewirken: Weitere Zinssenkungen durch die US-Notenbank im laufenden Jahr werden laut einigen Marktbeobachtern nun wahrscheinlicher. Dies hat Trump ja schon länger gefordert. Dass der Auslöser dafür eine «Trumpcession» sein könnte, damit hat der US-Präsident allerdings nicht gerechnet.

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