Die Schotten diskutieren über Haltungsverbote für Hauskatzen. Auch hierzulande kursieren ähnliche Ideen, denn getrieben durch ihren Jagdinstinkt, können Katzen ganze Tierarten ausrotten. Was machen?

«Ist die Welt verrückt geworden?», fragte der britische Politiker Ed Balls in der Fernsehsendung «Good Morning Britain», als kürzlich in Schottland das Gerücht umging, dass in gewissen Regionen ein Katzenverbot drohe. Auslöser war ein Bericht der schottischen Tierwohlkommission. Diese hatte Ende Januar im Auftrag der Regierung einen Bericht zur verantwortungsbewussten Haltung von Katzen veröffentlicht.

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Die Kommission empfahl, die Vor- und Nachteile von Hausarrest für Katzen in gefährdeten Gebieten zu untersuchen. Dabei solle auch gleich die Einschränkung von Neuanschaffungen geprüft werden. Das sorgte für Empörung unter Katzenfreunden.

Die Debatte über solche Massnahmen ist auch hierzulande aktuell. So brachte letztes Jahr der Verein Klimaschutz Schweiz die Idee eines Katzen-Moratoriums auf. Ein solches würde Zucht und Import von Tieren verbieten, damit die Population der Stubentiger in der Schweiz nicht mehr wächst.

Hauskatzen sind keineswegs nur die harmlosen samtigen Gefährten, als welche sie oft dargestellt werden. Die Hauskatze ist eine durch den Menschen verbreitete invasive Spezies. Noch dazu ein Raubtier, das seine Essgewohnheiten der Umgebung anpasst. Will heissen, sie jagt nicht nur bestimmte Tierarten, sondern was auch immer in der Gegend kriecht und fliegt.

Eine amerikanische Studie in der Zeitschrift «Nature Communications» kam 2013 zum Schluss, dass Katzen, vor allem verwilderte, wahrscheinlich für den grössten Teil der durch menschlichen Einfluss getöteten Vögel verantwortlich sind. Katzen machen weltweit Jagd auf mehr als 2000 verschiedene Spezies, von denen fast 350 einen bedenklichen Status haben, was den Erhalt ihrer Art angeht, wie eine 2023 ebenfalls in «Nature Communications» publizierte Metastudie aufzeigt.

In der Schweiz töten Katzen jährlich rund 30 Millionen Vögel und eine halbe Million Reptilien und Amphibien, so schätzt es das Bundesamt für Umwelt. Die Zahlen sind umstritten, denn es sind Hochrechnungen. Dabei ist nicht nur das Jagdverhalten von Katzen sehr individuell. Unklar ist auch, wie viele Katzen genau in der Schweiz leben, denn sie sind nicht registrierungspflichtig.

Hausarrest kann helfen

Klar ist: Katzen verkörpern ein ökologisches Problem. Sie sind weltweit verantwortlich für das Aussterben von mindestens 33 Arten, wie eine Studie festhält. Insgesamt waren Katzen am Aussterben von 14 Prozent der Vögel, Säugetiere und Reptilien seit 1500 beteiligt. Zur Bedrohung werden Katzen insbesondere in geschlossenen Ökosystemen, etwa auf kleinen Inseln. Oder in Gebieten, in denen vom Aussterben bedrohte Tiere heimisch sind.

Das zeigt das Beispiel der süddeutschen Stadt Walldorf. Dort brütet die Haubenlerche, die akut vom Aussterben bedroht ist. 2022 lebten nur noch drei Brutpaare dieser seltenen Vögel in Walldorf, somit war das Überleben eines jeden Jungtieres entscheidend für den Bestand. Und da die Haubenlerche auf dem Boden nistet, sind für sie herumstreunende Katzen eine grosse Gefahr. Deshalb hatten Katzen in Walldorf in den letzten Jahren von Mai bis August Hausarrest. Katzenbesitzern, deren Tiere draussen erwischt wurden, drohten 500 Euro Busse.

Die Massnahme war erfolgreich. Die Haubenlerchen-Population hat sich positiv entwickelt, und die Umsiedlung auf ein weiter entferntes Feld ist gelungen, wie Walldorfs Bürgermeister im Januar bekanntgab. Ein bislang noch unverpaartes Männchen habe dort bereits ein erstes festes Revier gebildet, und weitere Vögel seien immer wieder gesichtet worden.

Vorsicht, Tierquälerei

Im Januar wurde deshalb das Ausgehverbot aufgehoben. Katzen dürfen in Walldorf diesen Sommer wieder frei herumstreunen. Die Einschränkungen für die Hauskatzen seien aber notwendig und sinnvoll gewesen, betonte der Bürgermeister.

Ein staatlich verordneter Katzen-Lockdown kann wohl nur in solchen Sonderfällen eine Lösung sein. In Schottland zwangen die heftigen Reaktionen den Ersten Minister John Swinney, sich offiziell von solchen Massnahmen zu distanzieren. «Die Regierung wird Katzen weder verbieten noch einschränken», versprach er wenige Tage nach dem erscheinen des Berichts.

Doch auch wenn es nicht um die Letzten einer Art geht, bleiben Katzen eine Gefahr für Vögel und kleine Säugetiere. Was also können Katzenhalter tun, damit das Vogelgezwitscher im Garten erhalten bleibt?

Das Zürcher Forschungskollektiv Swild forscht seit Jahren zu diesem Thema. «Die meisten Opfer von Katzen unter den Vögeln sind frisch flügge Jungtiere, die noch sehr naiv sind», sagt Madeleine Geiger von Swild. Wer also wisse, dass in der Nähe gerade Jungvögel unterwegs seien, könne seine Katze temporär drinnen behalten.

Wie es sich auf die Katze auswirkt, wenn sie nicht nach draussen kann, ist je nach Tier und Wohnung unterschiedlich. Nicht alle Katzen ertragen den Hausarrest gleicht gut. Darauf muss man achten. «Sonst ist es Tierquälerei», sagt Geiger. Daher sei eine Ausgangssperre nicht unbedingt als erste Massnahme zu empfehlen.

Hausmittel gegen den Jagderfolg

Eine mögliche Alternative könnte eine bunte Halskrause sein. Diese macht eine Katze für Vögel bemerkbar, bevor sie Schaden anrichten kann. Swild hat die Wirksamkeit der Halskrause des amerikanischen Anbieters Birdsbesafe in einer Studie mit sogenannten Citizen-Scientists – in diesem Fall freiwillig mitarbeitende Katzenhalter – untersucht.

26 Haushalte, die über verschiedene Gebiete in der Schweiz verteilt waren, haben bei der Studie mitgemacht. Sie zeichneten während jeweils zweier Wochen auf, was ihre Katzen mit Krause oder ohne Krause für Beute nach Hause brachten. Einige Haushalte machten auch noch einen dritten Versuch mit Krause und einem Glöckchen.

Trugen die Katzen eine farbige Halskrause, brachten sie 37 Prozent weniger Vögel nach Hause. Trugen die Katzen zusätzlich ein Glöckchen, brachten sie weniger als halb so viele Mäuse zurück von der Jagd. Dass das Glöckchen vor allem bei Mäusen einen Unterschied machte, liegt daran, dass diese Farben nicht so gut wahrnehmen wie Vögel.

Zwei ältere Studien aus dem Ausland kamen zuvor zu besseren Resultaten. 2015 beobachtete eine US-Studie der St. Lawrence Universität im Frühling 19-mal weniger erbeutete Vögel und im Herbst immerhin 3,4-mal. Eine schottische Studie kam 2019 auf 78 Prozent weniger getötete Vögel.

Der grosse Vorteil gegenüber Massnahmen wie Hausarrest, liegt aber so oder so nicht in der Effektivität, sondern bei der Verträglichkeit der Massnahme für die Tiere. Über zwei Drittel der Katzen, die an der Swild-Studie teilgenommen hatten, haben sich sehr rasch an die Krause gewöhnt.

Doch auch diese Massnahme nehmen nicht alle Katzen problemlos an. Jeder fünfte Katzenbesitzer gaben in der Nachbefragung an, die Krause in Zukunft nicht mehr zu verwenden. Der Hauptgrund war, dass sich ihre Katzen häufiger kratzten.

In einer Folgestudie, für die momentan noch Teilnehmer gesucht werden, untersucht Swild, ob eine proteinreiche Ernährung und tägliches Spielen mit der Katze den Jagdtrieb so weit befriedigen können, dass sie weniger wilde Tiere tötet. Eine britische Studie hat 2021 erste Hinweise darauf geliefert, dass diese Massnahmen die Zahl der getöteten Tiere um bis zu ein Drittel reduzieren können.

Katzen einzuschränken, ist gar nicht so verrückt, wie es Ed Balls schien. Sie sind für die Biodiversität ein grosses Problem. Aber zum Glück lässt sich ihr ökologischer Pfotenabdruck auch verringern, ohne dass zu drastischen Massnahmen wie Hausarrest oder Verboten gegriffen werden muss. Denn solche werden wohl kaum verordnet. Katzen haben eine starke Lobby.

Ein Artikel aus der «»

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